Zipser Burg
Spissky Hrad

15 km östlich von Levoca überragt eine riesige Burg den Zipser Talkessel: Spissky Hrad – die Zipser Burg, eine der weitläufigsten Befestigungsanlagen Europas. Unweit des Örtchens Spissky Podhradie (Podhradie = Nahe der Burg) erhebt sich die Burg auf einem 634 m hohen Travertinfelsen.
Man liest viel über dieses Gebiet, vor allem, da es ein ursprüngliches deutschsprachiges Gebiet war. Beeindruckend ist vor allem das Städtchen Levoca (Leutschau). Wie auch in andere Gebiete (Siebenbürgen in Rumänen) riefen die ungarischen Adligen im 12. Jahrhundert Deutsche, vor allem Sachsen als Neusiedler in diese Region. Levoca wurde die bedeutendste der 24 & Königlichen Freistädte in der Zips. Levoca beeindruckt schon bei der Vorbeifahrt mit seiner durchgängig erhaltenen Stadtmauer.
Seit dem 12. Jahrhundert war die Zipser Burg Sitz ungarischer Adliger (u.a. der Adelsfamilie Thurzo, die uns durch die Verbindung zu den Augsburger Fuggern ein Begriff sind) und diente als Schutz vor Überfällen der Mongolen und Tataren.


Im Schutz der Burg hatte sich Anfang des 13. Jahrhunderts auch ein Zentrum der geistlichen Macht entwickelt: Spisska Kapitula, das Zipser KapiTel.: Die Propstei mit der Kathedrale des Heiligen Martin steht ebenso wie die Burg auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Das dreischiffige, ursprünglich romanische Gotteshaus beherbergt mehrere geschnitzte Altäre aus der Zeit der Gotik.
Das Zipser Kapitel erblickt man als erstes, wenn man sich der Burg aus Richtung Poprad und Levoca nähert. Unweit der Burg stellen wir unser Bike auf dem Parkplatz ab und lassen die Helme beim Parkwächter. Jetzt ist der holprige und steiliger Weg zu der Burg hinauf zu bewältigen. Wir haben die Jacken dabei, in denen uns bald zu warm wird, aber im zugigen Burggelände können wir sie wieder gut gebrauchen. Die Motorradstiefel leisten auch gute Wanderdienste, denn der Weg ist nicht befestigt und es geht über Stock und Stein.
Der Burgberg ist schon in der jüngeren Steinzeit besiedelt gewesen. Im Lauf der Zeit wurde die Burg immer wieder erweitert und umgebaut. Trotzdem verlor sie allmählich ihre militärische Bedeutung. Um 1780 wütete ein großes Feuer und die Festung begann zu verfallen. Bis dahin wurde sie immer weiter ausgebaut und erstreckte sich über eine Fläche vom 4 ha und ist damit eine der größten Burganlagen Mitteleuropas.
In der Mitte der Burganlage erstreckt sich viel hügeliges Grasland. Als wir kurz verharren, sehen wir ein paar Meter von uns entfernt ein kleines braunes Etwas herumhuschen. Eine Ratte? Nein, bei genauerem Hinsehen fehlt der nackte Schwanz, dieses Tier hat nur einen relativ kurzen, stumpfen Schwanz.

Ein Eichhörnchen? Im Prinzip schon – nur der buschige Schwanz fehlt. Es stellt sich kurz auf die Hinterfüße – ein absolut süßes Viech! Das müssen dann Erdhörnchen sein – wir entdecken noch zahlreiche andere in der Wiese, die neugierig oft in der Gegend herum schauen. Aber dass es diese Tiere in der Slowakei gibt, wußten wir nicht. (Zu Hause finden wir heraus, dass diese Art Ziesel genannt wird.)
Auch wenn es mühsam und sehr eng und bei Gegenverkehr im halbmeterbreiten Aufstieg unmöglich ist: der Turm muss bestiegen werden! Von hier aus hat man einen gigantischen Blick auf das Zipser Land! Vor allem ist die Treppe so steil und verwinkelt, dass es hinauf zwar mehr oder weniger auf allen Vieren ganz gut geht – runter sind wir dann auch auf allen Vieren, aber eben rückwärts.)
Auf eine kleine Besonderheit im Zipser Land sowie in der gesamten Ostslowakei sollte man gefasst sein: hier wohnen sehr viele Roma. Bei den Ortsdurchfahrten sieht man oft kleine Völkerwanderungen, die darauf schließen lassen, dass am Ortsrand eine Zigeunersiedlung ist. Offensichtlich zieht immer die ganze Familie – Oma, Opa, Tochter, Schwiegersohn und ein Dutzend andere Verwandte – zusammen zum Einkaufen los.
Das ganze Leben spielt sich im Freien ab, Bänke und Tische stehen vor den kleinen Häusern. Wir sehen auch vorwiegend junge Leute, die Teppiche auf dem Asphalt neben einem Bach ausgebreitet haben und sie mit Hilfe des Bachwassers und einer Bürste schrubben. Andere Roma-Männer bieten an stark frequentierten Straßen Pilze an: Sie stehen am Straßenrand und halten einen Pilz in den Wind wie ein Tramper den Daumen.
Vereinzelt sind uns schon ärmliche, kleine Roma-Häuser aufgefallen, die ziemlich heruntergewirtschaftet aussehen. Aber meistens sehen wir die Häuser inmitten von den Städtchen und denken uns nicht viel dabei. Doch in Spisske Bystre bemerken wir vor uns wieder eine Völkerwanderung, die aus mehreren Dutzend Personen besteht. Kaum haben wir uns die Frage gestellt, wieso die Roma augenscheinlich alle zur gleichen Zeit zum Einkaufen gehen müssen, da sehen wir linkerhand in einer Senke das ganze Elend.
Häuser, roh gemauert und mit viel Wellblech – Hütten wäre ein passenderes Wort – meist nur ein paar Quadratmeter groß. Nicht immer Fenster, nicht immer Türen, sondern Vorhänge. Viel Rost an provisorisch nach außen geführten Ofenrohren. Und auf den engen Wegen aus blankem Lehm zwischen den Häusern Menschen über Menschen. Es wimmelt wie zwischen den Buden eines Jahrmarktes.
Wenn wir die Anzahl der Hütten anschauen und im Vergleich dazu die Anzahl der Menschen schätzen, dann können nicht mal 1 qm pro Kopf Wohnraum zur Verfügung stehen. Der absolute Wahnsinn!
Die Straße führt den nahen Berg bergan, wir schauen von oben in die Senke und das Elend. Wir sind sprachlos, darauf waren wir nicht vorbereite. Das sind Slums! Uns ist nur nicht ganz klar – tun sie das, weil sie nicht in den Häusern der Slowaken leben wollen oder freiwillig, um als Familienstamm beieinander zu sein?
Wieder zu Hause, bestellen wir als erstes das Buch "Die Hundeesser von Svinia" von Karl-Markus Gauß. Er hat die Roma über einen Zeitraum von drei Jahren immer wieder längere Zeit besucht, hat an ihrem sozialen Leben teilgenommen, nicht ohne kritisch inter die Kulissen zu schauen und zeichnet ein lebendiges Bild, das es uns etwas leichter macht, das Gesehene zu verstehen.
Bezeichnenderweise sind diese Ghettos, dessen Gassen sich bei Regen in einen knietiefen Sumpf verwandeln, oft auf vergifteten leeren Fabrikgeländen angesiedelt. Die Menschen haben meist kein fließendes Wasser und auch keinen Strom.

385.000 Roma leben nach offiziellen Angaben in der Slowakei. 83% davon sind arbeitslos und leben von der Sozialhilfe und vom Kindergeld. Nun hat die slowakische Regierung die Sozialhilfe merklich gekürzt. Vorher konnte ein Slowake jeden Tag zur Arbeit gehen und abends geschafft wieder nach Hause kommen, und hatte doch am Monatsende weniger in der Lohntüte als der Roma, der den lieben langen Tag Däumchen dreht. Verständlich, dass die Slowaken auf die Palme gehen.
Aber es gibt einen Teufelskreislauf: Auch arbeitswillige Roma finden so gut wie keine Anstellung in der slowakischen Wirtschaft. Die Kinder müssen Sonderschulen besuchen, aber nicht weil sie intellektuell minderbegabt sind, sondern man steckt sie mit staatlicher Billigung in Sonderschulen, weil slowakische Eltern die Schulbehörden unter Druck setzen, wenn sie mit "schwarzen" Kindern in eine Schule gehen sollen. Ohne Bildung erst recht keine Arbeitsplätze. Allgemein-Soziale Verantwortung haben sie nie gelernt, hatten sie nie – wieso sollen sie sie jetzt übernehmen können, z.B. für zur Verfügung gestellte Wohnungen, dessen Umfeld schon nach kurzer Zeit total verwüstet und heruntergekommen ist?
Die große Anzahl der Personen, die in einer Wohnung leben, ist erwünscht (oder auch ertragen?) – die Familie geht über alles. Statistisch leben in einer 3-Zimmer-Wohnung 16 Personen. Für uns eine unvorstellbar Enge ohne jegliche Intimsphäre für die einzelne Person.
Aber bei einer Umfrage stellte sich heraus, dass ihre Wünsche für die Zukunft nicht etwa mehr Wohnraum, sondern der Wunsch war, dass der Fernseher, sollte er mal defekt sein, ruck-zuck vom Staat repariert oder ersetzt würde.
So schnell wird es wohl keine Lösung in der Roma-Problematik geben, die Karren sind schon zu fest gefahren und können weder vor noch zurück. Man müßte die Menschheit in Ihre Anfänge zurückbeamen und bei 0 anfangen ...
Hohe und Niedere Tatra