Motorradtouren Albanien Ostalbanien Ohrid-See und Prespa-Seen

Grenzgänger zwischen Ohrid-See und den Prespa-Seen

Motorrad vor Bunker von Hoxha mit Tiefblick auf den Ohridsee

Den heutigen Tag charakterisieren zehn Wörter. Berge, Berge, Berge, Kurven, Kurven, Kurven, Schlaglöcher, Wellen, Dellen und Risse. Wobei ... am Ende kommt noch ein weiteres dazu: Popoweh!

Um neun Uhr sind wir auf Achse. Die Strecke umfasst mehr als dreihundert Kilometer. Sie führt uns bis zum Ohrid-See im Osten. Die Tour über Këlcyrë, Përmet, Leskovik und Korçë wird bestimmt anstrengend, aber erlebnisreich: Die Straße soll zwar so weit geteert, aber in sehr schlechtem Zustand sein. Da es außerdem großteils eine Bergstrecke ist, rechnen wir mit stundenlanger Kurvenfahrt.

Frau auf einer Brücke über die Vjosa.
Blick auf Flusslauf der Vjosa, unweit von Permet.

Wir durchqueren als erstes noch einmal die Këlcyrëschlucht. Die Vjosa mit ihrem türkisblauen Wasser begleitet uns weiterhin. Kurz vor Përmet führt eine schauklige Hängebrücke über den Fluss.

Wir testen dann mal die Haltbarkeit. Aber nur zu Fuß. Die schmalen Bretter sind mit Stoppschwellen wie in alten Epirusgassen verlegt und die Stahlseile schon arg verrostet. Von der Gegenseite kommen uns zwei Fußgänger entgegen und die Hängekonstruktion gerät fürchterlich ins Schwanken. Aber die zwei Arbeiter kennen das Teil und überqueren die Schaukel mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit.

Motorrad auf Straße mit Kurven und Berge in der Nähe von Permet.

Ab Përmet ist die Straße sehr schmal und leider genauso holprig wie schon die ganze Zeit, seit wir die SH4 verlassen haben und der SH75 folgen. Selten ist ein Durchschnitt über vierzig Kilometer pro Stunde drin.

Mit Leskovik ist die letzte größere Stadt erreicht. Naja, Stadt ist wohl zu viel gesagt, Häuseransammlung oder Dorf, wir sehen nicht viel vom städtischen Leben, wenn auch von viertausend Einwohnern die Rede ist. Bis zur griechischen Grenze soll die Straße im Jahr 2009 erneuert worden sein. Unsere Fahrtrichtung jedoch, in den Norden, wurde offensichtlich von den Straßenbauarbeiten nicht behelligt. Macht nichts, denn den nachfolgenden Streckenabschnitt würden wir trotzdem nicht missen wollen.

Motorrad auf Strassenverlauf des Barmash-Passes mit Blick auf Landschaft.
Schlechte Strassenverhältnisse am Barmash-Pass mit Blick auf Serpentinen.

Es folgen hundert Kilometer Berge, Kurven auf schmaler Straße, weite Hochflächen, kein nennenswerter Verkehr, alle zehn Kilometer vielleicht mal ein Fahrzeug. Winkende, grüßende Menschen. Herrliche Panoramablicke. Geil!

Am Qafa e Barmashit (Barmash-Pass) mit 1759 Metern Höhe hieven uns einige Serpentinen hinauf, um uns schöne Ausblicke in die umliegenden Berge und einen größeren Hangrutsch zu bieten. Die Passstraße ist auf eine Länge von fünfzig Metern abgesackt. Das abgesackte Asphaltband liegt nach wie vor unterhalb der Straße. Da wurde einfach ein Stückchen weiter oben eine neue Straße drüber gewalzt. Es scheint schon länger her zu sein, denn Google Earth zeigt den Hangrutsch mit Aufnahmedatum vom Jahr 2011 auch schon.

Die Prespa-Ohrid-Region rückt näher. Im Dreiländereck Griechenland – Mazedonien – Albanien liegen drei Seen: der Ohrid-See und der Große und der Kleine Prespa-See, letzere allerdings schon in Mazedonien. Endlich erreichen wir gegen Abend das westliche Ohridseeufer und durchqueren Pogradec, die größte Stadt auf der albanischen Seeseite.

Pogradec – Bremsen!

Wir nehmen nicht die Durchgangsstraße, sondern die Seepromenade direkt am Wasser entlang. Plötzlich ragen vor uns über die ganze Straßenbreite bedrohliche Zacken aus der Straße. B-R-E-M-S-E-N ! Zugleich kommt die Erinnerung an eine vergangene Tour hoch: In der türkischen Stadt Çesme begegneten wir ähnlichen Sperren auch schon. Da bin ich dann aber noch abgestiegen und habe mit den Füßen getestet, ob die zehn Zentimeter hohen Zacken beim Darüberfahren wirklich versenkt werden. Hier und heute vertrauen wir auf unsere Erfahrung: Wir tasten uns drüber und die Dornen kippen in den Untergrund. Eine martialische Einbahnregelung.

Ohrid-See
Hafen am Ohrid-See mit Booten vor Hütten.

Irgendwo hier am See wollen wir uns eine Unterkunft suchen. Die Uferstraße ist eine einzige Baustelle. Ständig fahren wir nur Schritt­ge­schwindig­keit und kaum haben wir uns mit ein bisschen Gas aus einem fetten Schlagloch heraus manövriert, hängen wir mit dem Vorderrad wieder im nächsten drin. Wohin schwingt die Schaufel des Baggers? Okay, schnell durch.

Der entgegenkommende Kipper will dem Schlagloch auf seiner Seite ausweichen und fährt auf unserer Seite? Kein Problem, wir machen uns ja schon dünn ... Fahrt alle, wo ihr Platz findet! Aber lasst uns leben! Entweder liegt es an der langen Tagestour oder die paar Baustellen-Kilometer am See entlang sind wirklich so grottenschlecht. Uns nerven sie auf jeden Fall plötzlich saumäßig!

Weitblick auf den Ohrid-See mit Halbinsel und Steg im Vordergrund.

Schließlich haben wir uns ein Zimmer im Hotel Victoria* direkt am Wasser geangelt. Wir freuen uns, dass zu dem modern eingerichteten Zimmer ein stilvolles Bad gehört. Mit einer richtigen Duschabtrennung! Wie schön! Endlich mal keine nasse Toilette und kein stundenlang überschwemmtes Bad. Die albanischen Bäder ziert in den seltensten Fällen eine Duschkabine. 500 Jahre osmanische Herrschaft lassen sich nicht verleugnen – diese überschwemmten Bäder sind schon aus der Türkei und Griechenland hinreichend bekannt. In Griechenland stellt man aber wenigstens noch einen Abzieher rein, sodass man das Wasser in den Abfluss rakeln kann. Nicht so in Albanien: da hat man keinerlei Werkzeug dafür und muss einfach nur ein paar Stunden warten, bis das Ganze trocken ist. Aber man gewöhnt sich an alles und ehrlich gesagt genießen wir es auch, wenn wir mit Unperfektem überrascht werden – irgendwie wär es ja sonst langweilig. Gerade deswegen reisen wir so gerne in den Osten.

Hier in Pogradec werden wir also ein himmlisch trockenes Bad haben ... Jedoch hatten wir nicht mit dem Erfindungsreichtum der albanischen Klempner gerechnet! Beim Duschen läuft unter der Duschwanne ein dickes Rinnsal heraus, sucht sich seinen Weg über die Fliesen und versickert im Abfluss in der Mitte des Bades.

Grenzgänger zwischen Albanien und mazedonien:
ohrid-see und die prespa-seen
Blick auf den Ohrid-See mit Serpentinen auf Landzunge im Vordergrund.
Seeblick auf das Kloster Sveti Naum am Ohridsee auf der mazedonischer Seite.

Am nächsten Morgen werden wir zu Grenzgängern, denn unser Ziel ist die Gegend um den Ohrid-See sowie den zwei Prespa-Seen und dazu müssen wir Albanien verlassen. Während sich Albanien und Mazedonien den erdgeschichtlich sehr alten Ohrid-See teilen, befinden sich die Prespa-Seen komplett in Mazedonien. Alle Seen haben jedoch eins gemeinsam: sie liegen eingebettet zwischen hohen, karstigen, teilweise dicht bewaldeten Bergen und stellen ein interessantes Reiseziel für jeden Naturbegeisterten dar.

An der Grenze zu Mazedonien werden wir schnell abgefertigt, wir sind die einzigen Grenzgänger. Nur wenig später erreichen wir das wunderschön über dem Ohridsee gelegene, orthodoxe Kloster Sveti Naum, sicher das bekannteste Fotomotiv der gesamten Region. Was die Albaner fürchterlich schmerzt, denn bis zur Grenzverlegung 1924 gehörte Sveti Naum zu Albanien.

Bild vom Boot aus über den Ohridsee.
Pfau im Kloster Sveti Naum

Wir parken am Seeufer in Sichtweite des Klosters. Als ein Mann auf uns zukommt, vermuten wir, dass er uns sicher eine Parkgebühr abknöpfen will. Aber nein, er bietet uns eine Fahrt über den See mit seinem Motorboot an. Fünf Euro? Warum eigentlich nicht?

Also steigen wir in das schaukelige Gefährt mit Sonnendach und werden von dem Fischer, der sicher durch derartige Dienste mehr verdient als mit Fischen, auf den See geschippert. Jochen findet, dass das Boot auf seiner Seite gefährlich tief hängt, wir in Motorradklamotten nach dem Kentern wie Bleienten untergehen werden und gelobt inbrünstig, in den nächsten Wochen weniger zu essen.

Der Fischer deutet auf die Turbulenzen im Wasser. Es sind die unterirdischen Quellen, die unweit des Ufers eiskaltes Wasser an die Oberfläche spülen. Wir halten unsere Hände hinein – Brrrr! Das Wasser ist um viele Grade kälter als das restliche Seewasser.

Nachdem uns der Fährmann unweit des Klostereingangs abgesetzt hat, spazieren wir durch das Klostergelände. Prachtvolle Pfauen stolzieren durch die Anlagen und lassen ihre typischen Rufe ertönen. Rund um das Kloster herrscht ziemlicher Touristentrubel. Zahlreiche Souvenirbüdchen links und rechts des Wegs zum Kloster verkaufen den typischen, vermutlich asiatischen Schmarrn, den kein Mensch braucht. Als wir wieder am Motorrad ankommen, fragt uns ein Mazedonier, der gerade ins Nachbarauto einsteigen will, wie es uns gefällt. „Sehr gut!“, antworten wir und ernten ein zufriedenes Lächeln.

Ostalbanien |
Hinüber nach Mazedonien: Prespa-Seen
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