Motorradtouren Marokko Tanger | Tetouan

Von Tanger nach Tetouan

Lange gerade Straße Richtung Berge im Rifgebirge

Nachdem wir die Zollkontrollen in Tanger am frühen Abend hinter uns haben, schwingen wir uns auf die N16 und kurven entspannt Richtung Ceuta und Tetouan. Herrliche Ausblicke auf die Küste. Die Straße ist gut ausgebaut und wir kommen gut vorwärts. Die Dämmerung hat eingesetzt. Ankunft im ehemaligen Seeräubernest Tetouan im Rifgebirge, das heute von einer halben Million Menschen bewohnt wird.

Blick auf das Rifgebirge davor eine Straße mit Leitplanke

Thomas beauftragt sein Navi mit der Suche nach einer Bleibe für uns. Es findet mehrere Hotels und wir picken wahllos eines heraus. Hotel „Malaga“. Auf den ersten Blick sieht es gar nicht so schlecht aus. Aber die vermeintliche Hotellobby ist ein Antiquitätengeschäft, der Eingang zum Hotel befindet sich seitlich davon.

Die Zimmer sind unterer marokkanischer Standard, aber dieser wird von uns für eine Nacht mit zugekniffenen Augen akzeptiert. Es wird schon dunkel und keiner von uns hat Lust weiterzusuchen. Wir zahlen die Zimmer gleich, aber der „Portier“ besitzt kein Wechselgeld. Da wir befürchten, dass er das Wechselgeld vergessen will, bestehen wir drauf und der Gute wird zum Wechseln in ein Nachbargeschäft geschickt. Auch die kurzzeitig ausgehändigten Pässe bekommen wir noch am Abend wieder zurück. Holzauge sei wachsam.

Komplett herunter gekommene sanitäre Anlage im Hotel mit Schimmel an der Decke in Marokko

Das Bad im Zimmer ist eine einzige Katastrophe. Und nicht nur unseres. Es erfordert einige Überwindung, es zu benutzen. Handtücher und Klopapier erfragen wir an der Rezeption. Warmes Wasser ist zwar versprochen, wird aber vermutlich erst am Morgen nach unserer Abfahrt geliefert. Marokkanische Versprechen sind so bißchen wie "Ja, ja". Das Zimmer ist wegen der klapprigen Fenster kombiniert mit der stark befahrenen Straße nicht gerade geräuscharm. Thomas meint am Morgen, er wäre vom Geruch von Autoabgasen wach geworden.

Fünf marokkanische Minuten können sich ziehen ...

Der Typ, der bei unserer Ankunft im Hotel herumlungerte, bietet sich an, uns zu einem Lokal mit typisch marokkanischer Küche zu führen. Wir tappen ihm nach und freuen uns, als wir über uns an der Stadtmauer - es geht steil bergan - ein Lokal erspähen und wähnen uns schon am Ziel seiner Führung. Sagte er nicht vorhin, es läge nur fünf Minuten entfernt? Vermutlich entsprechen marokkanische Minuten nicht unseren westeuropäischen Minuten.

Die Medina Tetouans birgt in ihren engen Gassen kleine, handtuchgroße Läden mit allerlei Krimskrams, Lebensmitteln, Obst und Gemüse, alles, was der Medinabewohner zum täglichen Leben braucht. Wir würden gern fotografieren und filmen, da aber die Marokkaner ungern abgelichtet werden wollen, halten wir uns zurück. "Medina" steht in Marokko für eine Altstadt, die nicht mit einem Auto befahren werden kann, da nur schmale Gassen hindurchführen. Sämtlicher Transport findet mit Handkarren und Eseln statt. Die Medina Tetouans ist als UNESCO-Weltkulturerbe ausgewiesen.

Einige Zeit später erreichen wir ein herrschaftliches Riad. Wir sind und bleiben die einzigen Gäste. Ein Riad ist ein marokkanisches Stadthaus mit hohem, lichten Innenhof, um den herum sich die Zimmer gruppieren - wir werden auch in Fes weitere Bekanntschaft mit diesen faszinierenden Gebäuden machen. Bier gibt es zur großen Enttäuschung der anwesenden Herren keines, aber der geschäftstüchtige Marokkaner weiß schließlich, wo es in diesem alkoholabstinenten Land welches gibt. Somit stehen wenig später nicht nur Schüsseln mit Vorsuppe, sondern auch einige Bierdosen auf dem Tisch.

Das Essen ist vorzüglich. Zum Abschluss serviert man das Nationalgetränk Marokkos: "whiskey marocaine". Aus einer silbernen Kanne wird heißer, grüner Tee in einem hohen dünnen Strahl in Gläser mit frischen Minzeblättern und sehr viel Zucker gegossen.

Wir begleichen unsere Zeche und diskutieren darüber, wie wir aus der Medina ohne Hilfe wieder heraus zu finden. Optimismus und Pessimismus halten sich dabei die Waage. Die Gassen sind nicht planmäßig und rechtwinklig angelegt, sie ordneten sich willkürlich dem Häuserbau unter und führen vollkommen unkoordiniert durch das Häusermeer. Nicht alle Gassen kreuzen sich mit anderen, manche führen auch nur in einen Hauseingang. Und das Ganze dann nachts ohne Beleuchtung?

Mehrere Motorradfahrer stehen auf der Straße vor dem Hotel in Tetouan

Beim Verlassen des Lokals stellen wir erleichtert fest, dass unser Guide vor der Tür wartet. So artet unser Heimweg wenigstens nicht in stundenlangem Herumirren durch die Medinagassen aus. Der "Führer" redet wie ein Buch in gebrochenem Deutsch und erwartet ein Trinkgeld für seine Dienste. „Gebt was ihr wollt ... aber (umgerechnet) zehn Euro wären doch angemessen, oder?“ Wir werden es noch öfters erleben, diese für marokkanische Verhältnisse königlichen Beträge. Wir wollen ihn entlohnen, jedoch nur zu den üblichen Sätzen.

Am nächsten Morgen sind wir schon früh wach. Mit spitzen Fingern das Bad benutzt und schon sind wir abreisefertig. Am Motorrad beratschlagen wir, wie unser kaputter Tankrucksack befestigt werden soll. Dummerweise schwören wir auf unser altes Ding von Tankrucksack mit den praktischen Seitentaschen, dessen Reißverschluss zur Befestigung auf der Grundplatte jedoch gestern den Geist aufgab. Mit Spanngurten und Gummispannern konstruieren wir schließlich eine etwas afrikanisch anmutende, aber praktische Art der Befestigung.

Kurze Zeit später machen wir die erste Bekanntschaft mit einer typischen Spezies in dieser Region. An einer Ampelkreuzung drückt sich ein junger Mann bei Rot um die Fahrzeuge herum und zeigt verstohlen auf den Inhalt seiner hohlen Hand: ein großes Röllchen Marihuana. Der Autofahrer neben uns schüttelt mit dem Kopf, wir ignorieren ihn einfach und schon zieht er weiter.

Eine 80 km lange Grossbaustelle – und Eldorado für Enduristen
Pferd steht auf einer grünen Wiese vor einem See im Rifgebirge

Richtung Chefchaouen nehmen wir nicht die direkte Route landeinwärts, sondern die landschaftlich reizvollere N16. Sie windet sich kurvenreich mit den geografischen Gegebenheiten am Meer entlang und folgt zahlreichen Taleinschnitten sowie Flussmündungen landwärts mit schönen Kurven hinauf und auf der anderen Talseite wieder hinunter.

Die Straße ist zwar theoretisch eine normale Asphaltstraße, praktisch jedoch eine achtzig Kilometer lange Großbaustelle und bietet einen Enduro-Hindernisparcour mit Schlaglöchern, Schotter, Asphaltresten, Modder, Schlamm und gelegentlich – zur Abwechslung – eine Menge Staub. Um diesen niedrig zu halten fährt ein Sprengwagen vor uns her und verwandelt den Staub wieder in Schlamm.

Die Aktivisten in diesem Parcour sind Straßenarbeiter, Baumaschinen, Kinder, Esel, Kühe, Schafe, Ziegen und Hühner. Wenn die Strecke fertig ist, wird es das, was die Straßenkarte mit ihrer grünen Markierung ausweist: ein landschaftlicher Leckerbissen. Es bieten sich immer wieder herrliche Ausblicke auf die Küste, die wir jedoch nicht immer gebührend bewundern können, weil die Augen auf der Piste und den anderen Verkehrsteilnehmern geheftet sind. Die Motorräder erhalten zum ersten Mal eine rotbraune „Schutzschicht“.

der Fahrt ins Rifgebirge
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