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Motorradtouren Marokko Anreise

Anreise

Comarit-Autofähre auf offenem Meer

(Red. Elke) Verflixt! Alle wünschten uns bei der Abfahrt, wir sollten heil aus dem Urlaub wiederkommen. Aber wir schaffen es ja noch nicht einmal, heil in den Urlaub!

Straße mit Holzzaun als Randbegrenzung am Gacher Blick

Aber mal ganz von vorn. Es ist Ende April. Am Samstag legt in Genua die GNV-Fähre ab und um dorthin zu gelangen, nehmen wir uns zwei Tage Zeit und planen richtig schöne Strecken ein.

Wir starten frühzeitig Richtung Österreich und können schon am Vormittag bei angenehmen Temperaturen über die Pillerhöhe (1559 Meter) wedeln. Kaum zu glauben: es ist Karfreitag, es herrscht eitel Sonnenschein und blauer Himmel, aber hier in den Bergen ist rein gar nichts los. Kein Motorrad, kaum Autos. Dabei wurden für heute mehr als 20°C vorhergesagt – wo bleiben sie denn alle?

Am "Gacher Blick" genießen wir den "Gachen Blick" ins siebenhundert Meter tiefer liegende Oberinntal, das zu den Ötztaler Alpen gehört, und ich fühle mich in meine alte Heimat Erzgebirge versetzt, in der der Ausdruck "gach" steil oder jäh bedeutet.

Motorradfahrer fährt auf Serpentine zu am Brezer Joch

Wir durchqueren kilometerlange, blühende Obstplantagen bei Meran und genießen die wärmenden Sonnenstrahlen im Vinschgau. Etwas später erkunden wir das kurvenreiche Brezer Joch (1397 Meter) im Trentino und den Sommo-Pass, der es fahrtechnisch in sich hat. Der Passo del Sommo verbindet das Etschtal mit dem Asticotal und führt dabei über die Hochebene von Folgaria.

Hier toben wir uns richtig aus, denn Verkehr, wenn man von Fußgängern mal absieht, scheint ein Fremdwort zu sein. Mütter mit Kinderwagen füllen auf dem Pass zu dritt nebeneinander die Fahrbahn. Italienische Gelassenheit. In einem kleinen Weiler sitzen Kleinkinder am Innenrand der Kehre. Welche deutsche Mutter würde ihre Kinder dort sitzen lassen, wenn sie wüsste, dass Hunderte Fahrzeuge die Kehre passieren? Gefühlte tausend Kurven später stehen wir vor einer Sperre, weil die Straße wegen Kanalbau komplett aufgerissen und nicht passierbar ist.

Sie nannten sie Asphalttaucher ...
Frau hält sich nach Sturz Eispackung auf den Kopf

Steffi (so nennen wir unser Navi) tüftelt schon an einem neuen Routenvorschlag. Währenddessen bewege ich mich ein wenig, stapfe durch die angrenzende Wiese, beäuge die Blümelein am Wegesrand und knabbere an einem Keks.

Als ich wieder zurück auf die Straße möchte, die rund zwanzig Zentimeter höher als das Bankett mit den wilden Blümchen liegt, unterschätze ich die Höhe des Asphaltrands und bleibe mit dem Fuß hängen ... Tock! Wer hat schon mal einen Kopfsprung gemacht, um in den Asphalt einzutauchen? Meine Brille ist heil–ein Wunder! Mein Kopf – kein Wunder – nicht. Ich hatte mich im Fallen wohl noch gedreht, so dass die Asphaltkörnchen den rot lackierten Brillenbügel geprägt haben. Es spricht für die Qualität der Brille, dass die randlosen Gläser noch heil sind. Bißchen schief, das Ganze, aber soweit heil. Kürzlich habe ich mir eine neue Brille anfertigen lassen. Zum Glück liegt diese erst einen Tag vor der Abreise fertiggestellte Gleitsichtbrille noch beim Optiker, weil ich mich entschied, noch einmal die alte mitzunehmen. Eine weise Entscheidung!

Jochen, mein Held – denn eigentlich kann er kein Blut sehen – stillt die Blutung und säubert mein blutiges Gesicht. Danach desinfiziert er die zwei Zentimeter lange Platzwunde und klebt mir ein Pflaster darauf. „Steffi“, unser braves Navi, war schon mal hier und weiß den Weg zum Krankenhaus Rovereto. Meinen Spitznamen Frostsocke lege ich hiermit ab und möchte nur noch "Asphalttaucher" genannt werden.

Die Herren in der Notaufnahme (Pronto Soccorso – wieder was dazugelernt!) empfangen uns freundlich und dank meiner europäischen Krankenversicherungskarte ist das Nähen zwar mit einer anderthalbstündigen Wartezeit, aber keinem finanziellen Aufwand verbunden. Kaum ist meine Augenbraue wieder zusammengeflickt, stehe ich mit einem Eisbeutel im Gesicht neben der Krankenliege, auf der jetzt Jochen mit hochgestelltem Beinteil liegt. Er kann halt kein Blut sehen.

Straße mit Leitplanke und überhängenden Felsen auf dem Valli di Pasubio

Perfetto. Gegen neunzehn Uhr laufen wir nach Hunderten, sehr genüsslich zu fahrenden Rechts-Links-Kombinationen auf dem Passo Pian delle Fugazze, der von Rovereto in der Nähe des Gardasees ins Valli del Pasubio führt, im Dorf Camposilvano an den Hängen des Monte Pasubio ein.

Wir übernachten in dem abgelegenen "Albergo Alpino", das über neun Kehren zu erreichen ist. Zusammen mit einem älteren Italiener sind wir die einzigen Gäste. Das einfache Albergo - man glaubt es kaum - hat sogar einen Personenaufzug, der uns und die Koffer in den zweiten Stock befördert. Welch ein Luxus. Doch zu früh gefreut. Am nächsten Morgen ist der nicht in Betrieb.

Am Samstagmorgen starten wir bei 10 °C und leichtem Nieselregen. Die Berge des Valli di Pasubio sind nebelverhangen. Sollten wir vielleicht dem Tiefdruckgebiet näherkommen, das über dem Süden hängt, so dass wir in Deutschland das herrlichste Sommerwetter haben, die Südländer jedoch nur ungemütliche Regensuppe? Warten wir's ab. Wir kurven die Tornanti und den herrlichen Passo Pian delle Fugazze wieder hinab nach Rovereto. Doch die Nähe des Gardasees hätten wir besser gemieden! Wir haben nicht bedacht, dass um Ostern hier die Hölle los sein könnte. Wir stauen uns am Vergnügungspark "Gardaland" vorbei ...

In Ligurien bietet sich die SS45 für die Fahrt in den Süden an. Ein geiles Sträßchen mit Kurven nonstop! Allerdings auch mit einem Überholverbot nonstop. Wer hinter den Wohnmobilen fährt, hat knapp verloren. Auf der gesamten engen Bergstrecke kann man nur an zwei oder drei Tankstellen das Spritfass füllen. Außer einigen kleineren Häuseransammlungen gibt es keine größeren Orte. Am Nachmittag stehen wir in Genua am Hafen.

der Anreise mit der GNV-Fähre ab Genua
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