Motorradtouren Marokko Anreise Fähre GNV

Anreise mit der GNV-Fähre ab Genua

Viele Fahrzeuge Warten auf die Fähre in Genua

Jeden Samstagabend legt die Fähre der Grandi Navi Veloci von Genua in Richtung Tanger ab. Die GNV ist eine italienische Fährgesellschaft, die wir von anderen Touren schon kennen und das Schiff gehört noch nicht in die Kategorie "Seelenverkäufer" wie das marokkanische Schiff der "Comanav", mit dem wir mit viel Hindernissen und Verspätungen schließlich wieder heimschippern.

Wir konnten vor Tourbeginn nur die Hinfahrt buchen, denn aus uns unbekannten und unverständlichen Gründen lässt sich dieses Jahr im April noch keine Fahrt im Mai buchen. Wir hoffen, die Buchung später von Marokko aus hinzukriegen. Vor der Einfahrt in den Hafen wird unser Ticket kontrolliert, 100 Meter später ein weiteres Mal, dann sind wir schon in Marokko, denn sobald das Hafengelände betreten ist, befindet man sich rein rechtlich im Zielland.

Kleinbusse und schwer bepackte Pick-ups warten auf die Fähre.

Wir werden nach vorn in die Poleposition zu zwei anderen Motorrädern dirigiert und spazieren zurück in den angrenzenden COOP, Reiseproviant für die Fähre besorgen. Zwar sind wir durch die Grenzkontrollen eigentlich schon ausgereist, aber ein Grenzbeamter an der Fußgängerbrücke überwacht alle Passagiere, die auf diesem Weg kommen und gehen. Außerdem stehen in dem Gebäude Toiletten zur Verfügung. Zum Pieseln von Marokko nach Italien. Wir treffen Thomas, Josef und Judith, die ebenso mit auf die Fähre gehen werden und mit denen wir vor Tourbeginn schon über diverse Foren Kontakt hatten.

Schwer beladener Ford-Transit-Transporter mit Dachlast mit Stühlen, Tischen usw.

Das Verladen der Autos ist eine Schau und dauert wegen der Anzahl und dem Zustand der schrottreifen Kisten länger als geplant. Die vermutlich in Europa ausrangierten Kleinbusse tragen meterhohe, verrückt ineinander verkeilte und verzurrte Aufbauten, die teilweise genau so hoch wie die Fahrzeuge selbst sind. Was da nicht alles nach Nordafrika geschafft wird! Stühle, Tische, Wannen, Teppiche, Fahrräder, Kühlschränke, Bretter, Lampenschirme, Ofenrohre, Reifen – es gibt nichts, was der Marokkaner nicht brauchen könnte.

Reifen platt. Auspuff ab.

Die heftig überladenen Autos haben große Not, die schmierige Rampe mit ihren Stolperstellen am Übergang zwischen Schiff und Kai zu bewältigen. Ein Transporter reißt sich bei dieser Aktion den Auspuff ab. Ein anderer bleibt auf halber Strecke liegen und wird von einem Zugfahrzeug die steile Rampe hinaufgeschleppt. Ein weißer Kastenwagen quietscht auf einem absolut platten Reifen nach oben.

Reifen mit sehr wenig Luft von dem schwer beladenen Ford-Transit

Unter dem Baldachin am Kai, der als Regen- und Sonnenschutz dient, entwickelt sich aus dem Nichts ein kleiner Markplatz. Ein Marokkaner schüttet seine karierte Transporttasche aus und wirft Dutzende verschiedene Tücher auf den Asphalt. Es geht ruckzuck wie in einem Souk in Marrakesch zu. Schnell bildet sich eine kleine Menschentraube und potentielle Käufer durchwühlen die Tücher. Durch das Interesse der Käufer angestachelt, zaubert der Verkäufer immer mehr Tücher auf den Boden.

Schon lange sollte das Schiff ablegen, aber wir stehen immer noch an den Ladeluken und warten. Doch plötzlich kommt Hektik auf. Afrikanische Gelassenheit wird gefolgt von afrikanischem Temperament. Jetzt geht es ganz schnell – ruckzuck sind wir drin und werden ins allerunterste Autodeck dirigiert. Wir werden sicher die Letzten sein, die wieder draußen sind? In zwei Tagen – solange dauert die Überfahrt nach Tanger – werden wir es wissen.

Nächster Morgen. Crewmitglieder verteilen im Flur Formulare. Einige weiße Handzettel und ein grüner Durchschlagsatz sind auszufüllen. Wir beratschlagen zu fünft, was wir wo reinschreiben müssen, denn die weißen Zettel sind in englisch, französisch und arabisch, das grüne Formular jedoch nur in französisch, und in dieser Sprache ist keiner von uns so sattelfest, dass er die gefragten Begriffe und Abkürzungen kennt.

Vier Personen sitzen um eine Landkarte bei der Tourplanung auf der Fähre

Marokkanische Mitreisende ein paar Tische weiter schauen sich an, ob unser „Fiche“ so richtig ausgefüllt ist. Sie erklären mir bereitwillig, wo was reinkommt.

"Habt ihr Erfahrungen, wie lange die Ausreiseformalitäten nach Verlassen des Schiffes wohl dauern?" Sie grinsen breit: "Zwischen einer viertel Stunde und drei Stunden ... Inshallah."

Kaffee holen. Zuerst Judith. Sie bestellt zwei Kaffees an der Kasse, bezahlt und bekommt zwei Tassen Kaffee. Ich ordere das gleiche – aber der nette Italiener versteht mich nicht. Das gibt es doch nicht! Ich versuche es dreimal. Judith bestellte doch auch „American Coffee“ und bekam zwei Kaffee!! Kruzinesen! Wieso versteht der mich nicht? Er schaut zu den Spirituosen und meint: Whisky? Nein! Ballantines? Nein! Coffee! Was mach ich bloß falsch? Irgendwann ruf ich Judith zu: „Hey, was hast denn du bestellt?“ Sie antwortet: „American Kaffee“ Ach Gott, Kaffee! Nicht Coffee! Der Typ am Kaffeeautomat lacht sich halb tot und fragt mehrfach grinsend nach, ob ich nicht doch ein bißchen Ballantines in den Kaffee ... Liegt es vielleicht an dem mörderlichen Feilchen und dem Pflaster am Auge?

Die Sache mit den nummernzettelchen

Irgendwann fällt uns auf, dass Joseph und Judith ein kleines Nummernzettelchen zu den Formularen bekommen haben, wir aber nicht. Wir wollen auch eine Nummer! Also nochmal zu der netten Dame, die uns ein solches Zettelchen, dessen Zweck uns noch schleierhaft ist, überlässt. Mit der Nummer 333. Joseph hat die 191. Thomas 368. Wir harren der Ereignisse, die da kommen werden.

Viele Personen in der Bar der Fähre beim ausfüllen der Zollformalitäten

Am späten Nachmittag warten Dutzende Passagiere in einem düsteren, fensterlosen Raum mit roten Sesseln. An zwei Tischen sitzen zwei Beamte in Zivil, ein weiterer Herr in einem tadellos gebügelten grün-beigen Kaftan steht an der Stirnseite des einen Tisches und ruft mit sonorer Stimme dreistellige Nummern in den Raum. In Französisch. Thomas übersetzt. Sie sind gerade bei 140. Wessen Nummer aufgerufen wird, darf sich an dem ersten Tisch anstellen. In akkurater Reihe bitte, ansonsten steht der Beamte auf und schiebt die unordentliche Reihe handgreiflich zurecht. Das kann noch dauern bis 333. Ein Slowene überlässt uns schließlich seine Nummer 206. Er wiederum hat seine jetzige, niedrigere Nummer von einer Familie bekommen, die mehrere Nummern besaß und nun eine davon übrig hatte.

Ein grünes und drei weiße Zollformulare für die Einreise nach Marokko auf dem Schiff

Schon mal nicht schlecht. Wir sollten mal eine Umfrage starten, wer noch eine bessere Nummer für uns hat. Plötzlich schreckt Thomas hoch: Gerade war man noch bei 180 und jetzt ruft er schon zweihunderter Nummern! Wir stellen uns in die Schlange vor den unwirschen Beamten. Als Joseph vor uns an den Tisch tritt und die Pässe und Formulare mit der Nr. 191 überreicht, werden ihm diese postwendend mit einem unverständlichen Kommentar zurückgereicht. Als er konsterniert kuckt, übersetzt eine Dame neben ihm: „Too late!“ Josephs Gesichtsausdruck kann man sich vorstellen. Seine Kiefer mahlen. Im Reiseführer steht der Hinweis: Den Beamten gegenüber in JEDER Situation freundlich bleiben. Man deutet ihm, er solle an die Rezeption gehen und seine Nummer umtauschen. Ein italienisch-marokkanischer Herr versucht zu schlichten. Leider ohne Erfolg. Aber Joseph ersteht durch ein weiteres Tauschgeschäft die Nummer 218 und erkämpft sich so kurz nach uns einen Platz am Tresen.

Promenadendeck mit Glasfront und Stühlen und Tische davor auf der Fähre GNV

Der Beamte schreibt unsere Namen ein weiteres Mal in roten Großbuchstaben in das Formular. Wieso wissen wir nicht. Vielleicht ist es die Kontrolle, dass im Pass derselbe Name steht, den der Beamte jetzt zur Gegenprobe notiert? Oder er hätte es lieber in Großbuchstaben gehabt?

Noch sind wir nicht fertig. Nur die Formalitäten, die Personen betreffend, haben wir nach zweieinhalb Stunden hinter uns. Am zweiten Tisch wartet der nächste Beamte, diesmal ohne Nummernaufruf. Hier werden die Papiere des Fahrzeugs abgesegnet und die Nummer auf dem grünen Durchschlagsatz notiert, die der erste Beamte in den Pass stempelte. Das dauert! Es gibt Leute, die ihren Zettel nicht richtig ausgefüllt haben und zurück geschickt werden. Oder Durchreisende, die weitere Formulare ausfüllen müssen. Uns fragt man jedoch nur: "First Time in Marokko?" Ein paar handschriftliche Vermerke auf dem Zettel. Und das war's. Die ganze Aktion hat geschlagene drei Stunden gedauert – nun besitzen wir unsere feste Einreisenummer in Marokko, die wir während der gesamten Passgültigkeit und bei jeder Ein- und -ausreise behalten.

ballantines in den kaffee?
Tanker fährt auf dem Meer vor der Meerenge von Gibraltar

Wieder eine Nacht geschafft. Heute abend legt das Schiff in Tanger an. Der Mann an der Bar fragt wieder nach, ob ich nicht doch etwas Ballantines in den Kaffee haben möchte. Ist es das Veilchen? Nimmt er mich deswegen auf die Schippe? Momentan bleibe ich leicht im Gedächtnis meiner Mitreisenden hängen, denn mein Veilchen am rechten Auge leuchtet mittlerweile in den Farben des Regenbogens und besonders kräftig in den Farben Gelb und Grün. Egal, in einer Woche ist es vermutlich wieder weg. Meistens denke ich gar nicht an mein blaues Auge – erst wenn mich Mitreisende anhaltend mustern fällt mir wieder ein, welche Farbpalette mein Auge schmückt. Am liebsten würde ich das Pflaster entfernen, aber an den unbepflasterten Fäden bleibe ich dauernd hängen.

Am liebsten würde ich das Pflaster entfernen, aber an den unbepflasterten Fäden bleibe ich dauernd hängen. In vier Tagen werde ich dann allerdings die Fäden selbst ziehen. Eine Nagelschere hab ich dabei und auch eine Pinzette. Das schaff ich. Laut Notaufnahmeärztin soll ich die Schere 10 Minuten lang auskochen. Aber es wird reichen müssen, dass ich sie mit Desinfektionsmittel einsprühe.

Zollprozedur Hafen. Es ist 18:00 Uhr. Das Schiff liegt im Hafen von Tanger Med. Stimmt nicht ganz. Es ist 16:00 Uhr. Während der Sommerzeit werden die Uhren in Marokko um 2 Stunden zurückgestellt ... So dachten wir – aber andere Quellen berichten von einer Stunde. Wir müssen noch herausbekommen, wer Recht hat.

Viele geparkte Autos im unteren Deck der Autofähre der GNV-Fähre

Die Motorräder sind auf dem Autodeck von Autos eingekeilt und müssen warten, bis die weg sind. Abgase schnüffeln bis zum Abwinken. Bei der Ausfahrt aus der Fähre gibt es keinen Stress. Nette Helferlein und Beamte winken zügig in Richtung Grenzübergang durch. Judith kriegt jedoch erst mal ein kräftiges DUDU ab: sie hatte innerhalb den Grenzanlagen fotografiert und wurde dabei von den Offiziellen beobachtet. Sie wird freundlich, aber bestimmt aufgefordert mitzukommen und muss im Beisein der Grenzbeamten drei Bilder löschen. Glück gehabt, früher hätte man ihr den Film aus der Kamera gezogen. Heutzutage, bei der digitalen Kamera, hätte man ja auch die Löschung aller Bilder fordern können. Oder die Kamera konfiszieren können.

Zunächst müssen wir eine weitere Wartezeit und Lauferei von Pontius zu Pilatus hinter uns bringen. Erst einmal melden wir uns mit dem grünen Zettel und dem Reisepass bei der Polizei. Diese „Box“ befindet sich am Ende der Büro-Boxen (Zollhäuschen). Dort kontrolliert dann der Beamte die Eintragungen, die auf der Fähre gemacht wurden und vermerkt zusätzlich eine Nummer auf dem grünen Zettel. Damit kann man sich dann wieder ganz vorne (vom Hafen aus gesehen) anstellen. Dort erscheint dann ziemlich willkürlich ein weiterer Beamter, der sich nach einer gefühlten halben Ewigkeit den grünen Zettel anschaut, nachdem er nochmals nachgefragt hat, ob man bei der Polizei vorstellig geworden wäre.

Nach einer Stunde geht es dann allerdings zügig voran. Wir sind durch. Auch andere Motorradfahrer haben es geschafft. Manche fahren mit ihren Motorrädern schnell und rasant mit laut aufheulenden Motoren durch das Zollgelände, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass hier auch etliche Personen die Fahrbahn kreuzen und teilweise Kinder umherlaufen. Nach den Zollgebäuden befindet sich ein großer Kreisverkehr. Eine gut ausgebaute und recht kurvenreiche Strecke führt an der spanischen Enklave Ceuta vorbei und läßt ein zügiges Vorankommen zu. Große Städte sind auf den nächsten Kilometern nicht zu erwarten.

der Comanav-Fähre nach Sete
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