Motorradtouren Marokko Erg Chebbi | Sandeln in Marokko

Erg Chebbi | Sandeln in Marokko

Motorradfahrer steht in der Wüste Erg Chebbi vor grünem Strauch und im Hintergrund Dünen

Bei der morgendlichen Abfahrt in Midelt ist es kühl, jedoch haben sich die Wolken gelichtet und es verspricht ein perfekter Motorradtag zu werden. Als Ziel steht heute die Region Tafilalet bzw. Erg Chebbi auf dem Tourplan - das macht eine Tagesstrecke von 270 Kilometern.

Motorrad steht vor Straßenschild

Siebzig Prozent der Sahara ist Fels- und Steinwüste. Als Erg bezeichnet man eine Sandwüste. In brettebener Landschaft mit einfachen Lehmhäusern fahren wir auf die beeindruckenden Bergrücken des Hohen Atlas zu. Sie sehen aus wie rundgeschliffen. Keinerlei Baumbestand verstellt die Sicht. Auf der kahlen Passhöhe des Tizi-n-Talghamt (1907 Meter) sinkt die Temperatur zwar noch einmal kräftig, aber die Sonne blinkt heftig hinter der leichten Bewölkung hervor.

Wir kurven auf einem astreinen Teerband durch die geniale Landschaft. Die Straße wird jetzt links und rechts durch die verwitterten, roten Felswände des Hohen Atlas begrenzt. Einzelne Hirten führen Ziegenherden durch die Steinwüste.

Motorräder auf Straße im Hohen Atlas
Motorräder auf Straße im Hohen Atlas
Eine Gruppe Kameltreiber überquert einen Fluß im Hohen Atlas
Motorrad steht auf einer langen geraden im Hohen Atlas
Tunnel der Legionäre

Nach fünfzig Kilometern erreichen wir Ait Kharrou, das sich dicht in eine Schlucht zwischen die Felsen schmiegt. Danach vermissen wir irgendwann unsere Mitfahrer hinter uns. Wir warten einige Zeit und drehen schließlich um. Nach einigen hundert Metern finden wir den Rest der Truppe. Joseph geht’s sehr schlecht, ihm ist sauübel. Soeben hat er es gerade noch geschafft anzuhalten und den Helm abzunehmen.

Motorrad mit Fahrer und Sozia fährt in felsiger Landschaft auf denTunnel der Legionäre zu

Der Tunnel der Legionäre ist ein hundert Meter langer Tunnel in 2000 Meter Höhe, der von französischen Legionären erbaut wurde. Die Landschaft ist für mehrfache Wow-Ausrufe geeignet. Am Ende des Tunnels befindet sich ein kleines Wachhäuschen mit einem Soldaten. Der Fluss O-Sidi-Hamza schlängelt sich hier durch eine tiefe Schlucht. In einigen Felswänden sind knapp mannshohe Löcher zu sehen, die das Ergebnis des Mineralienabbaus sind. Diese Minen werden bis heute betrieben. Die allgegenwärtigen Händler, die Mineralien und Versteinerungen feilbieten, stehen an gutfrequentierten Straßen und Orten. Was verkaufen die Marokkaner, die Flaschen mit braunen oder rötlichen Flüssigkeiten auf Steine im Straßenstaub drapierten? Wir können nicht ergründen, welchen Inhalt die Flaschen haben.

Straße führt in bergige felsige Landschaft im Hohen Atlas
Motorradfahrer fährt auf Straße entlang des Flusstales des Qued Ziz

Das Tal weitet sich schließlich und die Straße führt weitausholend auf einen Pass hinauf. Der riesige Stausee Barrage Hassan Abdakhil blinkt uns in einem einladenden Türkis an. Er sollte ursprünglich bis auf eine Höhe angestaut werden, die das Dorf Amzourge in den Fluten versinken lassen hätte. Man gründete eine neue Siedlung mit demselben Namen. Der Stausee stieg jedoch nie auf das geplante Level an, so gibt es nun zwei Orte mit demselben Namen.

Danach wird die Straße von vielen ausgetrockneten Flussbetten begrenzt, in denen Sand und Stein eigenartige Formationen bilden. Es ist gut vorstellbar, dass sich in einer Million Jahren aus den bizzaren Gebilden ein zweites Kappadokien wie im türkischen Zentralanatolien herausschälen könnte.

Schließlich erreichen wir das Ziz-Tal. Wir fahren am oberen Rand des tief in die Plateaufläche eingeschnittenen Flusstales des Qued Ziz entlang. Qued steht für Fluss und wird Wed gesprochen. Der Fluss gibt zahlreichen Palmenoasen das kostbare Nass, die wiederum den darunterliegenden Gemüse- und Obstgärten Schatten spenden und stellt einen beeindruckenden Kontrast zu den steil aufragenden Felswänden des Hohen Atlas dar.

Motorräder auf Straße Richtung Berge
Motorräder fahren durch Felseinschnitt im Hohen Atlas
Frauen laufen mit Esel am rechten Fahrbahnrand im Hohen Atlas
Turm mit Storch im Hohen Atlas
Parkplatz nur für esel und kamele

Rotbraune Stampflehmhäuser bilden sogenannte Ksar oder Ksour und werden von grünen Oasengärten umgeben. Man nennt dieses herrliche Tal nicht zu unrecht auch Gorges du Ziz – Ziz-Schlucht. Ein Schmankerl für die Augen! Wir fotografierten auf dieser Tour von Midelt nach Merzouga wie die Weltmeister.

Frau auf Esel reitet auf eine aus rotbraunen Stampflehmhäuser bestehende Siedlung neben Straße zu

Indem wir die 10.000-Einwohner-Stadt Rissani passieren, tauchen wir ein in das größte zusammenhängende Oasengebiet Marokkos. Leider hatten wir von dem dortigen Eselsparkplatz erst später - zu spät - gelesen. Ein Parkplatz nur für Esel und einer für Kamele. Die Sättel werden vor den zwei umzäunten Höfen gelagert, während sich die Esel im Parkplatz vergnügen. Sie stehen dicht an dicht nebeneinander. Manchmal auch übereinander. Das Angebot ist groß und umsonst. Die Besitzer legen es vielleicht sogar darauf an, dass sich Monate später der weibliche "Fuhrpark" von ganz allein vergrößert?

Ursprünglich lebte man im Tafilalet von der Landwirtschaft, dem Anbau von Dattelpalmen und Obst. Zunehmend wird der Lebensunterhalt nun auch vom Fremdenverkehr bestritten. Der Massentourismus treibt ziemliche Blüten. An der Tankstelle möchte uns ein Bub unbedingt Lederkordeln mit einem Anhänger aus einer versteinerten, glatt polierten Schnecke verkaufen. Ob das wirklich ein Fossil ist? Und nicht eine Weinbergschnecke in Beton? Aber irgendwie sieht es schon echt aus.

Sandkasten für grosse Männer
Auto auf Straße und das Dach hoch bepackt wohl mit Sitzauflagen für Liegen

Die Strecke durch die Palmenhaine und Oasen von Rissani sind anfangs sehr kurvenreich und gelegentlich unterbricht ein überfluteter Abschnitt die Fahrt. Juchhu, Wasser, eine Flussdurchfahrt, Stiefelwäsche, Badespaß für die Fahrer! Die freuen sich! Wenn auch die Wasserdurchfahrt meist nicht besonders tief ist. Aber die Stiefel werden gescheit gewaschen!

Später führt die Strecke geradaus auf Merzouga zu und man kann die Dünen der Erg Chebbi schon weit voraus in gelben und roten Farbtönen am Horizont leuchten sehen. Je näher man Merzouga kommt, umso wilder ist die Straße von Dutzenden Schildern von Hotels und Auberges gesäumt, die um Kundschaft werben.

Wir suchen die Auberge Sahara* in Merzouga, welche von Freunden empfohlen wurde. Merzouga liegt an den über hundert Meter hohen Dünen des Erg Chebbi, einem Teilgebiet der Sahara. Wir wissen, dass wir nach der Asphaltstraße noch eine mehrere Kilometer lange, unbefestigte Strecke durch die grau-braune Steinwüste fahren müssen. Aber es ist gar nicht so einfach, die richtige Piste zu finden, denn Dutzende verschiedener Spuren führen in Richtung der Sandberge.

Wellblechpiste | vollgas oder kriechgang?

Die Strecke entpuppt sich als Wellblechpiste. Eine Herausforderung vor allem für Josef, der nicht nur normale Straßenreifen fährt, sondern dem es auch immer noch fürchterlich schlecht ist. Die empfohlene Auberge ist ums Verrecken nicht zu finden.

Dünen in Abendstimmung im Erg Chebbi

Josef könnten bald die Kräfte verlassen, befürchten wir, deshalb steuern wir eine andere Auberge an. Die erste sieht nicht so aus, als sei sie schon auf Gäste eingestellt: wir wären die einzigen Gäste und der gesamte Außenbereich ist noch im Rohzustand, hier hat noch keiner mit Gästen gerechnet.

Im nächsten Hotel treffen wir Gäste, die mit Geländewagen angereist sind. Ein französisches Paar hat einen vielleicht elfjährigen Sohn dabei, der schmerzverzerrt einen Arm an den Körper presst. Den Kleinen hat es mit einem Minibike beim Fahren in der Geröllwüste geschmissen. Vermutlich können sie glücklich sein, dass nicht mehr passiert ist, denn Helm und andere Schutzkleidung hatte der Teenie nicht an. Die Auberge Sahara* ist im einstöckigen Oasenstil gebaut. Das Gelände wird von einer typischen Kasbah-Mauer aus Lehm eingezäunt. Sogar einen Pool gibt es, mit dem Schriftzug SAHARA auf dem Fliesenboden. Hinter den Gebäuden, an den Dünen, befinden sich unter großen Palmen Berberzelte zum Übernachten. Wir beziehen ein Doppelzimmer mit Halbpension denn nachts wäre es noch viel zu kühl für's Zelt.

Motorradfahrer fährt zwischen den Dünen in der Erg Chebbi

Nachmittags begeben sich Thomas und Jochen mit den GSen zum Sandeln in den großen Sandkasten. Eine Zeitlang begleite ich die Beiden für ein Sand-Fotoshooting. Die erste Strecke fahre ich als Sozia mit, aber als die Geröllwüste in tiefere, sandigeren Untergrund übergeht, bekomme ich Schiss, dass wir im weichen Sand umfallen und unsere Kameraausrüstung, die sich mangels Topcase nicht dort, sondern direkt "an der Frau" befindet, zu Bruch geht. Also steige ich ab.

Junger Beduine im Erg Chebbi

Die GS fährt voraus auf die Dünen zu und ich folge zu Fuss, von einer Kohorte von drei Jugendlichen begleitet, die mich die ganze Zeit belabern. Zuerst versuchen sie mit geschickten Fragen herauszubekommen, welche Sprache ich spreche. Sie erzählen irgendwelche Storys, gehen mir nicht von der Pelle, während Jochen im großen Enduropark „Erg Chebbi“ ausgiebige Reifentests mit den TKCs unternimmt. Sobald er keinen Sand, sondern den festeren Boden der Steinwüste unter den Reifen hat, lässt er die Stollenreifen glühen. Ein Grinsen bis zu den Ohren überzieht sein Gesicht.

Beduine durchstreift die Wüste Erg Chebbi

Die traditionelle Berbertracht, die der junge Hotelangestellte (nicht der auf dem Foto unten) beim abendlichen Gießen der Palmen und Kübelpflanzen trägt, gefällt uns ausgesprochen gut: eine blaue Djellaba mit leuchtend gelbem Muster. Dazu hat er sich in Weiß und Gelb aus einem viele Meter langem Stück Stoff einen Turban gebunden. Die unter dem Kopf lose gewundenen Stoffbahnen werden bei Wind einfach vor das Gesicht gebunden, denn der Wind transportiert hier naturgemäß auch sehr viel Sand.

Rotwein? nein, Notwein!

Beim Abendessen (das Josef ausfallen lässt, denn er verbringt die meiste Zeit im Bett) ist Thomas traurig, weil die hier keine Alkoholausschanklizenz haben. Vonwegen Gut-Ankommer-Bier. Der Abend ist gerettet, als wir eine Flasche Rotwein aus unserem Gepäck zaubern. Das ist die Flasche, die wir mitnahmen, falls wir mal in Not geraten. So wird der Rotwein zum Notwein.

Ein älterer Berber sitzt in einem lokal und erzählt seine Geschichten

Ein älterer Berber, der im Hotel im Service angestellt ist, setzt sich zu uns und erzählt uns ein bißchen aus seiner Familiengeschichte. Und wir amüsieren uns über einen Lichtschalter an der Wand hinter uns. Aus weißem Plastik. Das jetzt schwarz ist. Wie lange muss man einen Lichtschalter benutzen, bis er so aussieht? Die Zimmer sind allerdings sauber. Nur ein Handtuch hat ganz grauenhaft nach vermodertem Fisch oder ähnlichem gestunken. Das hab ich dummerweise erst gemerkt, als ich mir das Gesicht damit abtrocknete. *grmmpf*

dem Hohen Atlas | Ein Überblick
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