Irrende Felsen? Wilde Löcher?
Nächster Morgen. Unsere Ausfahrt beginnt ein bisschen chaotisch, weil wir uns immer wieder in den niegelnagelneuen Straßen um Klotzko (Glatz) verfranzen. Hier gibt's eigenartige Kreisverkehre, bei denen man sich in zwei Spuren einordnen muss: rechte Spur heißt erste Ausfahrt raus, linke Spur erst die zweite. Ist man auf der inneren Spur, versehentlich, ist es Essig mit spontan rausfahren, denn da klebt ein dicker Fahrspurbegrenzer auf dem Asphalt – eine Ehrenrunde ist angesagt.

Unser heutiges Ziel sind die „Błędne Skały“. Das Internet bietet die tollsten Übersetzungen für diese steinernen Gebilde. „Falsche Felsen“, „Fehlerhafte Felsen“, „Irr-Felsen“, „Irrende Felsen“ oder auch „Wilde Löcher“. Das sind die bekanntesten Sandsteinformationen im Großen Heuscheuergebirge (Góry Stołowe), am nordwestlichen Rand des Glatzer Berglandes gelegen. Oben auf dem einzigen Tafelberg Polens hat die Erosion ein Felslabyrinth von meist sehr schmalen Felsenspalten und -gassen geschaffen, die die Felsenblöcke voneinander trennen.

Die Koffer sind leer, damit wir die Motorradklamotten hineinstopfen können. Denn die Felsen in den dicken Klamotten zu erwandern wäre zu warm und zweitens möchten wir nicht stecken bleiben. Kein Scherz: Unsere Recherche ergab, dass es seeeeehr eng sei und dass breitere Hüften durchaus Passprobleme bekommen würden. In Tschechien haben wir solche „Felsstädte“ schon erwandert, einmal sogar schon in Motorradhosen, was nur bei einer einzigen Stelle etwas schabende Geräusche machte. Aber zu warm war's auf jeden Fall, schon aus diesem Grund legen wir am Motorrad lieber einen Striptease hin. Also so viel anders kann das ja hier auch nicht sein. Dachten wir.
Durch seine exponierte Lage auf dem Hochplateau hat man von den Felsen am Rande des Gebiets einen wunderschönen Blick weit ins Land und hinunter auf die tschechischen Dörfer, denn jenseits der Felsen liegt die polnisch-tschechische Landesgrenze. Ein Teil des 1993 gegründeten Nationalparks befindet sich in der Tschechischen Republik, wo die Pendant-Felsgebiete Broumovské stěny (Braunauer Wände) heißen.

Achtung! Bauch einziehen!

Plötzlich gerät unser Gänsemarsch ins Stocken. Jochen steckt mit seinen fast zwei Metern fest. Okay, auch die Masse in der Körpermitte ist nicht unentscheidend. Er kann sich drehen, wenden und schieben, wie er will. Keine Chance. Der Felsspalt ist oben weit, unten weit, aber in Hüfthöhe läuft er bis auf ein nicht körperkompatibles Maß zusammen. Und das auf mehreren Metern Länge. Rückwärtsgang! Er stemmt sich wieder raus aus dem Schraubstock, auch, um den Nachfolgenden die Passage freizugeben.
