Grenzgänger | Immer Richtung Westen

Einige Zeit nach unserer morgendlichen Abfahrt werden die Hügel sanfter. Ab jetzt bewegen wir uns stetig westwärts und hangeln uns durch die Mittelgebirge, die an der polnisch-slowakischen Grenze wie an einer Perlenkette aufgereiht sind. Der Asphalt ist nach wie vor gut und wir cruisen voll entspannt entlang wilder Wiesen, teils schon abgeernteter Felder und rauschenden Fichtenwäldern dahin.
Zwar sind wir obdachlos, die nächste Unterkunft suchen wir uns erst heute Abend vor Ort, doch das bringt uns nicht aus der Ruhe. Wir sind absolut da, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Dörfer, die nur aus wenigen Häusern bestehen.
Infrastruktur? Fehlanzeige! Nur winzige Tante-Emma-Läden findet man auch in den kleinsten Dörfern.
Wir statten dem Wochenmarkt in Komańcza einen Besuch ab und sind enttäuscht, dass es außer einem einzigen Wurstverkaufswagen nur Stände mit Non-Food gibt: Klamotten, Schuhe und alles, was der Motorradfahrer nicht gebrauchen kann. Gartenpflanzen zum Beispiel oder Gummistiefel. Na ja, für Kleidung oder Schuhe werden die Einwohner bestimmt weit fahren müssen und Lebensmittel wird jeder entweder im Tante-Emma-Laden kaufen oder auch selbst im Gärtchen anbauen.
Den Wegesrand säumen traditionelle Holzhäuser. Ich versuche eines im Bild festzuhalten, bis auch die alte Hausbewohnerin – mit einem äußerst lückenhaften Gebiss, um nicht zu sagen, ohne Zähne – sich zu mir ans Tor gesellt. Wir unterhalten uns prächtig, das heißt, sie redet und ich verstehe nur Bahnhof. Witzig war's. Vor einem der Nachbarhäuser sitzt auch eine alte Dame und ich frage sie pantomimisch, ob ich das Haus mit ihr fotografieren dürfe.
Vermutlich findet sie sich nicht mehr hübsch genug für ein Foto, deshalb winkt sie milde lächelnd ab. Manche Häuser sind wie lange Holzkaten gebaut, aber komfortablere Haustypen von vermutlich etwas wohlhabenderen Häuslebauern gibt es auch, mit großteils verglasten Veranden zum Beispiel.
Eines der Häuser schmückt eine große, gepflegte Heiligenstatue im Garten, auch den Giebel ziert eine kleine Statue. Da scheint einer ganz besonders gläubig (gewesen) zu sein.






Es wird bald drei und wir gondeln immer noch im Wald herum! Wir wollen ja heute noch bis zur Hohen Tatra. Zumindest mal so als Zwischenziel, zum Übernachten. Es reicht mit Micky-Maus-Straßen für heute, doch ob unser Entschluss, ab sofort nur noch größere Straßen zu benutzen, wirklich richtig ist? Denn anschließend stehen wir im Stau inmitten einer Baustelle. Wie man's macht, macht man's falsch! Aber vielleicht hat der Stau verhindert, dass wir nass wurden? Denn überall, wo wir jetzt hinkommen, sind die Straßen feucht. Wir fahren dem Regen hinterher. Hoffentlich langsam genug.

