Das Osterzgebirge und die böhmische Luft
Das Erzgebirge ist ein Pultschollengebirge, eine schräg in der Erdoberfläche steckende Platte. Wir haben in die Straßenkarte geschaut und unsere Herzen schlugen höher: Indem wir dem Kamm des Erzgebirges folgen und jede Gelegenheit nutzen, um den Kamm runter und einige Kilometer später hinauf zu fahren, haben wir eine herrliche Runde zusammengebastelt.
Manche Abschnitte scheinen nur aus Kurven und Kehren zu bestehen. Von den Bergen hat man einen unverbauten Blick in die Ebene des Flüsschens Ohře (zu deutsch Eger) und die Vulkankegel des Böhmischen Mittelgebirges, die sich markant am diesigen Horizont abheben.
Man könnte das Erzgebirge auch als Dreizehn-Pässe-Land bezeichnen. Schon seit Jahrhunderten gibt es dreizehn Übergänge und Pässe, auf denen man ins Böhmische hinüberwechseln konnte. Heute sind noch zehn dieser Straßen mit einem Kfz fahrbar. Einige Übergänge sind nur noch für Fußgänger oder Radfahrer geöffnet. Immer gilt: Rauf, runter, rauf, runter, wie in einer Achterbahn – ein Motorradparadies!
Wir fahren am Morgen durch dichte schwarze Wälder, kaum ein Sonnenstrahl trifft die Straße und den Waldboden. Nebelschwaden wabern über die Straße und lassen das Thermometer gleich um ein paar Grad fallen. Sind wir in einem Mittelgebirge Deutschlands oder in den undurchdringlichen Wäldern Kanadas? Nein, wir sind auf dem Deutscheinsiedler Sattel, der uns von Seiffen auf die tschechische Seite bringt. Es ist ein Fahrvergnügen erster Güte, wie sich die Straße in zahlreichen Kehren durch dichten Buchenwald nach unten schraubt. Auf der böhmischer Seite fahren wir nur ein kleines Stück, bevor es wieder hinauf geht. In der in den 60er Jahren gebauten Talsperre Flaje (Údolní nádrž Fláje) wird die Flöha (Flájský potok) gestaut. Wie so oft, verschwand auch hier ein Ort in den Fluten und wurden Einwohner umgesiedelt.
Die Talsperrendichte ist sehr hoch. Wir haben sie nicht gezählt, aber in dem nur 130 Kilometer langen Erzgebirge scheint es Dutzende Stauseen zu geben. Manche sind versteckt in Waldgebieten, andere liegen in offenem Gelände und sind nicht zu übersehen. Aber eines haben die meisten gemeinsam: sie dienen als Trinkwasserreservoir. Bade- und Freizeitbetrieb gibt es nur an einigen wenigen.
Unsere Route führt uns immer wieder den Erzgebirgskamm auf der tschechischen Seite hinunter und kurze Zeit später auf einem anderen Übergang wieder hinauf. Vor allem dieser Wechsel ist das Reizvolle an einer Erzgebirgstour.
behm'sche luft im Arzgebarg
Nicht immer war die Natur so unberührt, wie sie es heute ist. Zu DDR-Zeiten machte die Umweltverschmutzung, speziell der saure Regen, dem Waldbestand sehr zu schaffen. Zahlreiche Wälder musste man damals der sprichwörtlichen "böhmischen Luft" opfern: nach jahrelangem Einfluss der schadstoffreichen Brise wurden manche Bergkuppen nur noch von Baumgerippen gekrönt. In meiner Kindheit sagte meine Mutter, wenn es nach Katzenpisse roch: "Wir haben wieder böhmische Luft." Immer wenn der Wind von Süden her über den Kamm ins Westerzgebirge wehte, brachte er solche Gerüche aus Tschechien mit. Es roch, als wenn ein Kater markiert hätte. Vermutlich waren die tschechischen Kohlekraftwerke die Verursacher. Von behördlicher Seite gab es nie eine Verlautbarung darüber, der Umstand wurde wie so vieles totgeschwiegen. Für uns war es eben einfach die "behm'sche Luft"...
Bücher Erzgebirge Seiffen – Wu's Raachermannel nabelt ...