Motorradtouren Spanien An-/Rückreise Durch die Schweiz

Durch die Schweiz | Alte St.-Gotthard-Straße | Rheinschlucht

Motorrad fährt auf Kopfsteinpflaster auf der alten St.Gotthard-Straße / Tremolastraße
Motorrad steht neben alter Postkutzsche mit Pferden an der St.Gotthard-Straße
Zwei Postkutscher machen sich bereit für die Abfahrt

Von unserem unsäglichen Hotel (oder sollte man sagen: sagenhaften, denn wir haben ja einiges zu erzählen über dieses Haus?) bis zum ersten Schweizer Pass ist es nur ein Katzensprung: den Oberalppass. Und nach kurzer, weiterer Fahrt haben wir die alte Gotthardstraße im Schweizer Tessin erreicht. Sie erhebt sich in kühnen Schleifen hoch auf den Sankt-Gotthard-Pass.

In heutiger Zeit gibt es drei Wege zur Auswahl, um auf den Sankt Gotthard zu gelangen: auf der neuen Gotthardstraße als Bundesstraße, durch den Tunnel auf der noch neueren Autobahn oder in zahlreichen Windungen auf der alten Straße, auch Tremolastraße genannt.

Den Einstieg muss man etwas suchen. Sehr viele Kehren (wir zählen ungefähr 25 davon) sind in kurzen Abständen übereinander geschachtelt in den steilen Hang gebaut. Meist sind die Stützwände an den gepflasterten Serpentinen gemauert. Sie steht unter Denkmalschutz, weswegen die Pflasterung erhalten bleiben wird.

Die andere, neue Gotthardstraße verläuft dagegen in sanften Kurven durch die Landschaft und verlangt keinerlei fahrerisches Können, was man von der Tremolastraße nicht behaupten kann. Was das fahrerische Können betrifft, ist der Unterschied zwischen beiden nicht geringer als der zwischen Schwarz und Weiß. Eine absolut geile Strecke.

Mann steht auf Gedenkstein an der Passhöhe des Sankt Gotthard

Auf der Tremolastraße verkehren als Touristenattraktion alte gelb-schwarze Postkutschen und wir haben es gerade richtig erwischt, dass eine startet. Es ist garantiert ein Erlebnis, auf dieser alten traditionsreichen Straße mit der alten Postkutsche zu fahren. Ein Ticket für so eine Fahrt ist allerdings nichts für Geringverdiener: 680 CHF für eine Tagesfahrt mit einer Nettofahrtzeit von 5 Stunden.

Schließlich erreichen wir die Passhöhe Sankt Gotthard und den Lago della Piazza und einige kleinere Gebirgsseen. Hier auf der Passhöhe trifft die alte Straße mit der neuen zusammen. Hier treffen Autofahrer, die neue Straße benutzten und Motorrad- und Radfahrer, die von der alten Strecke kommen, aufeinander. Wir fahren weiterhin die alte, wobei die hier ziemlich gemäßigt und in sehr sanften Schwüngen ins Hospental hinunterführt. Die alte Streckenführung, falls es hier noch eine andere gibt, suchen wir umsonst.

Hatte hier der Teufel die hand im spiel?
Die Teufelsbrücke in der Göschenenschlucht lässt es vermuten.
Die enge Schöllenenschlucht und die sagenbehaftete aus Stein in Kurven gewundene Teufelsbrücke

Die Gotthardstraße führt in kühner Bauweise durch die enge Schöllenenschlucht, vorbei an der sagenbehafteten Teufelsbrücke über den Fluss Reuss, in mehreren Serpentinen und durch langgestreckte Galerien nach Göschenen. Zwischen Andermatt und Göschenen liegt die Schöllenenschlucht. Sie führte früher wesentlich mehr Wasser. Da seit Anfang des 19. Jahrhunderts an verschiedenen Orten am Gotthardmassiv das Wasser gestaut oder umgeleitet wird, kann man sich das Gefährliche der gefürchteten Schöllenenschlucht nur noch mit genügend Phantasie vorstellen.

Diese enge Schlucht mit dem ungebändigten Fluss war lange ein grosses Hindernis auf der Route von Uri über den Gotthard nach Italien. Erst um das Jahr 1200 wurde sie mit dem Bau der Teufelsbrücke für den Verkehr erschlossen. Wie die Sage berichtet, war der Teufel der Erbauer der ersten Brücke in der Schöllenen. Unter anderem kommt in der Sage ein großer Stein vor, den der Teufel geworfen haben soll. Der 2000 Tonnen schwere Stein fiel die ganze Schöllenenschlucht hinab und blieb am Ende liegen – wo er jedoch beim Bau der Gotthardautobahn im Weg war. In einer teuren Versetzungsaktion wurde er 127 Meter verschoben und wird heute von Abergläubischen für die Unfallhäufung an Kilometer 17 im Gotthardstraßentunnel verantwortlich gemacht.

Blick in den beleuchteten naturbelassenen 63 m langen Fußgänger-Tunnel durch den Fels

Wenn man von der Teufelsbrücke in Richtung Andermatt fährt, durchquert man das Urnerloch, einen 70 Meter langen Straßentunnel. 1708 wurde dieser Tunnel fertiggestellt und gehörte in dieser Zeit zu den längsten Europas. Der Tunnel war gerade so hoch, dass ein Reiter ihn auf dem Pferd durchqueren konnte. Wenn aber jemand entgegen kam, wurde es bereits eng. Mit den Jahren wurde der Tunnel immer wieder vergrössert und dem heutigen Verkehr angepasst. In der Nähe der Brücke befindet sich ein Fussgängerstollen (Foto), den man heute noch begehen kann. Dieser 63 Meter lange Stollen soll die Schlucht für Fußgänger begehbar machen, selbst wenn die Auto-Brücke mal unpassierbar würde.

Die Vorgängerin der heutigen Teufelsbrücke stürzte im Jahr 1888 wegen eines mächtigen Unwetters ein. Aber da hatte man schon eine weitere Brücke gebaut. Die zweitjüngste Teufelsbrücke wurde im Zug der ersten Gotthardstrasse 1830 erbaut. Heute wird sie von der neuen Autostrassenbrücke von 1955 überwölbt, von der man zu Fuß auf die alte Brücke gelangt. Wenn man hinuntersteigt, passiert man unweigerlich das Denkmal für die gefallene Soldaten. Es erinnert an die Schlacht von 1799, als an diesem Nadelöhr russische Truppen gegen die Franzosen kämpften.

Das hotel des Mister Wasserfall
Wir sind hin und wollen weg.

Wir wenden uns Richtung Andermatt. Als wir das Hotel in Göschenen sehen, frage ich mich, ob es diesmal wirklich gut war, das Zimmer vorzubuchen. Das alte Haus an der Hauptstraße im 400-Seelen-Dorf Göschenen wirkt abgewirtschaftet. Jochen beschwichtigt mich: Komm, ist doch nur für eine Nacht. Kaum stehen wir auf der Treppe, öffnet uns ein Mann mittleren Alters die Tür.

Der Hotelbesitzer riecht nach Zigaretten und Alkohol und redet wie ein Wasserfall. Seine Worte prasseln beständig auf uns nieder, während er uns das Zimmer zeigt. Er schwadroniert, dass er uns ein besseres Zimmer als das Gebuchte geben wird. Nämlich eins mit eigenem Bad. Hä? Ich könnte schwören, mit Bad gebucht zu haben! Der uralte Teppich, die alten Gänge, das Mobilar – das ist vielleicht ein Gemäuer!

Wir brauchen bei jeder Begegnung mit ihm eine Viertelstunde, bis wir uns wieder losgeeist haben. Er ist sehr freundlich, aber nervt irgendwie. Unser Zimmer ist in Ordnung, sofern man den Maßstab für ein Jugendherbergszimmer anlegt. Genauer hingucken darf man nirgends.

An der Wand hängt ein fürchterlich verrostetes, kleines Elektro-Heizöfchen. Der Fenstersims wird durch ein naturbelassenes Brett zusammengehalten. Ist die Bettwäsche frisch gewaschen? Ich traue dem Hotelbesitzer eigentlich nicht zu, hier großartig was zu putzen. Er rennt außerdem mit dem EC-Gerät hinter uns her und bittet, gleich bei Ankunft zu zahlen. Zähneknirschend erfüllen wir ihm den Wunsch. Was haben wir für eine Wahl? Das Zimmer ist mit Hinterlegung der Kreditkartendaten gebucht... Und wegen der einen Nacht einen Streit vom Zaun brechen? Da wir dieses Etablissement ganz schnell wieder vergessen wollen, schossen wir kein einziges Foto in und von diesem Hotel.

Doch nun treibt uns der Hunger hoch nach Andermatt. Dort löhnen wir für eine leckere Pizza je 18 Euro – ein Schnäppchen, gell? Der schwache Wechselkurs Euro – Schweizer Franken ist schuld an der Besucherflaute in der Schweiz, wie uns der Kellner in einem netten Schwatz bestätigt.

Göscheneralp
Lohnenswerter Abstecher über schwindlighohe Strassen

Es ist noch früh am Abend. Was sollen wir denn jetzt schon im Norman-Bates-Hotel? Mister Wasserfall erzählte uns doch was von der Göscheneralp da hinten im Tal... Die ersten vier Kilometer führt uns die gerade Straße am Talboden entlang ins Göschenertal. Nur einzelne Häuser stehen am Wegesrand. In Wiggen jedoch, auf reichlich 1300 Metern Höhe, steigt die Straße in Serpentinen inmitten einer senkrecht abfallenden Felswand 200 Meter nach oben. Und die Straße ist einspurig – Gegenverkehr wird zum Abenteuer! Insgesamt überwindet die Strecke 700 Höhenmeter.

Wir sind gespannt, was uns erwartet, denn auf diesen Ausflug hatten wir uns nicht vorbereitet. Wir durchqueren Gwuest, einen Weiler mit vielleicht zwanzig Häusern. Wir stellen uns vor, hier oben zu wohnen. Im Sommer kein Problem, aber im Winter? Auf dieser Straße runter zum Einkaufen fahren zu müssen. Bei Glatteis? Schwer vorzustellen, aber wohl alles eine Frage der Gewöhnung.

Motorradfahrerin steht auf der Göscheneralp und blickt auf schneebedeckte Berge

Auf 1790 Metern Seehöhe stehen wir dann vor der Göscheneralp und am Rand des Göscheneralpsees. Das ist ein Stausee, in dessen Fluten die alte Siedlung Göschener Alp im Jahr 1962 versank und dessen Bewohner alle in den Weiler Gwuest umsiedelten.

Leider hängen die Wolken sehr tief und der Dammagletscher hinter dem Stausee ist zwar zu sehen, aber die Gipfel der dazugehörigen Berge verschwinden in den tiefhängenden Wolken. Theoretisch wäre es auch möglich gewesen, hier am Berggasthaus Dammagletscher zu übernachten. Vielleicht wäre das Gasthaus die bessere Wahl gewesen?

Mister Wasserfall begegnet uns wieder im Hotelflur. Gott, er hätte ganz vergessen, die Wirtschaft zu öffnen, die sonst schon seit einer Stunde geöffnet sein müsste ... Eigentlich öffnete er ja immer schon um 20:00 Uhr und da käme schon mal der eine oder andere Einheimische auf ein Bier vorbei ..., aber nun sei es schon nach 21:00 Uhr. Er hätte ganz die Zeit vergessen. So etwas aber auch. Wer weiß, welches Getränk ihn ablenkte.

Als wir im Bett liegen, fällt mir auf, dass jeder Mensch im gegenüberliegenden Haus direkt durch das offene Fenster bis in unser Bett schauen kann. Ich will ein Stückchen Vorhang zuziehen. Dies ist zu viel für die Gardinenstange. Krawummmmm! Sie kracht auf dem Boden. Schweizer Slapstick, ich kringele mich vor Lachen.

Mit viel Galgenhumor gelingt es, das labile Teil wieder zu befestigen. Vielleicht hätten wir doch etwas mehr in ein Zimmer investieren sollen? Aber 125 Euro für ein einfaches Zimmer wie man sie bei uns oder in Österreich vielleicht in Pensionen findet, das ist schon sehr viel Geld für eine Nacht Schlaf. Aber wir können von Glück sagen, denn wir erhielten rechtzeitig ein Frühstück. Denn in Bewertungen im Internet taucht oft auf, dass die Gäste den Hotelwirt am Morgen nicht antrafen und sie ohne Frühstück abreisen mussten. Hätte ich mal besser vor dem Buchen die Bewertungen gelesen.

Durch die rheinschlucht
Leider nach hause – Leider nicht geil

Wir sind ja nicht abergläubisch. Gar nicht. Aber wenn wir es wären, dann wüssten wir jetzt, warum das Hotel in Göschenen so sch...e war. Weil es die 13. Unterkunft während dieser Tour war!

Zwerge mit Lampe stehen auf einem Geländer an einem Gebäude in Sumvitg

Am nächsten Morgen wenden wir uns ostwärts. Oberalppass. Ein Pass wie jeder Alpenpass. Wir tuckern durch Graubünden. Schade, eigentlich wäre es schön, hier ein wenig länger auszuharren, aber nein, so langsam ruft die Heimat. Wir folgen dem Ruf halt nur gaaanz langsam.

Wir bleiben nur selten auf der Hauptstraße oder den Ortsumfahrungen, sondern versuchen immer die Nebenstraßen zu erwischen, um ein bisschen was von der Landschaft und der bäuerlichen Architektur zu sehen.

Motorräder fahren auf der Versamerstraße / Rheinschlucht am Fels entlang

Als wir in Sumvitg stimmungsvolle, alte Gebäude fotografieren, gesellt sich gleich ein gesprächiger Graubündner zu uns, der ein bisschen über sein Haus und die Umgegend erzählt. Nach einem angeregten Schwatz verabschieden wir uns von ihm und fahren weiter am Vorderrhein entlang gen Heimat. Der schönste Teil unserer Heimfahrt ist die Rheinschlucht bzw. die Fahrt durch diese auf der Versamerstraße. Der zweitschönste Teil kommt später in Österreich: das italienische Eis in Prutz. Aber die abendliche Überraschung zu Hause toppt das Ganze.

Unsere Küche ist eine Crimezone!

Als wir am Abend unsere Wohnung betreten, hat ein Freund die Wohnung umdekoriert: An der Küchentür klebt ein Siegel „Crimezone“ und auf einem USB-Stick müssen wir uns ein Erpresservideo anschauen. Ein Schuft mit Sonnenbrille und vermummtem Gesicht droht uns, dass wir erst den gefüllten Kühlschrank und den mit Köstlichkeiten gedeckten Tisch überfallen dürften, wenn wir mit ihm zusammen ein Lied gesungen hätten. Wir haben einen Mordshunger. Also singen wir ... Viva España!

Valencia
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