Motorradtouren Spanien Pyrenäen Torla

663 Kilometer von Murcia bis Torla

Blick in die Gassen mit teilweise unverputzten Wänden in Torla

Zweiter Tourtag unserer Überfahrt von Andalusien zu den Pyrenäen. Vorausgesetzt, wir schaffen es, die Strecke von Murcia bis zu den Pyrenäen in einem Tag zurückzulegen, liegen heute mehr als 600 Kilometer vor uns. Aber da wir auch gestern schon 633 Kilometer abgesessen haben, die durch sehr interessante und sehenswerte Gebiete führten, werden wir sicher auch die heutige Strecke ohne große Wehwehchen meistern.

Panorama mit Bergen im Hintergrund in der kargen Sierra del Carche

Guten Morgen, Murcia! Wir haben schlecht geschlafen. Die Klimaanlage lief zwar, aber irgendwie war es trotzdem stickig und schwül im Zimmer. Das Frühstück haben wir im Ibis auch schon mal besser erlebt. Das Mopped durfte in die abgeschlossene Tiefgarage. Dort unten beträgt die Luftfeuchtigkeit geschätzte 100% (gefühlt aber 150% ;-)). Als wir am Morgen das Motorrad aufpacken, kriegen wir einen Schweißausbruch nach dem anderen und Jochen zudem nervöse Zuckungen, als er meinen über die Navihalterung gestülpten Helm nicht gleich herunterkriegt. Alte Männerweisheit: Schweißausbrüche und Geduld treten nie zusammen auf! Als er mit ungeduldigen Bewegungen den Helm von der Halterung reißt, fetzt es die Kabel der Gegensprechanlage aus dem Helm. Hätte er mal lieber die Frau rangelassen ... dann müsste er jetzt nicht den Ibisfrühstückstisch als Basteltisch mißbrauchen und lose Kabel befestigen.

Wenig später rollen wir auf einer vierspurig ausgebauten Straße dahin. Die Straße ist leer und wir kommen recht zügig voran. Das Landschaftsbild wechselt ständig. Wir sind jetzt in Kastilien – La Mancha und durchqueren breite Ebenen, die sich mit bergigem Gelände abwechseln.

Anhöhe, die den weg versperrt
Perfekte Namensgebung für andalusische Berge

Gleich am Anfang unserer Tagestour liegt die Sierra del Carche vor uns: ein 1371 Meter hoher Bergrücken. Die Griechen nannten das Gebirge „die Anhöhe, die den Weg versperrt“. Mit einer vier Kilometer breiten Ebene dazwischen schließt sich die Sierra de Salinas im Nordosten an. Mit „Anhöhe, die den Weg versperrt“ hatten die Griechen nicht ganz unrecht, denn von der Sierra del Carche erstreckt sich ein zwölf Kilometer langer und 900 Meter hoher Ausläufergrat weit in das Umland und zwingt die Straße kilometerlang in nordöstliche Richtung.

Motorradfahrer blickt auf das hochstrebene Castillo de Almansa
Motorrad steht vor einer alten Brücke mit Metallgeländer bei einer Pause

Haupterwerbszweig dieser Region ist die Landwirtschaft: allen voran der Weinanbau, aber auch Olivenbäume sehen wir sehr viele. In Almansa am Rande der zentralspanischen Hochebene erhebt sich in einer ansonsten topfebenen Landschaft ein spitzer Fels.

Darauf thront unübersehbar das Castillo de Almansa, das von den Mauren im 14. Jahrhundert als Militäranlage gebaut und nach der Rückeroberung zu ihrem heutigen Aussehen umgebaut wurde. Die Straße führt in geringer Entfernung daran vorbei.

Mir tut heute relativ schnell der Hintern weh. Gestern bei den 600 Kilometern war das kein Thema – heute aber schmerzt er schon nach kurzer Zeit. Die ausgiebigen Kurven fehlen! Es gibt zwar welche, aber nicht in dem Maße wie bisher. Die N330 ist trotzdem landschaftlich schön gelegen und angenehm zu fahren. Abgetragene Hänge mit roter Erde begrenzen die Straße. Rot ist die vorherrschende Farbe in der Landschaft, selbst der Fluss vor Teruel besteht aus einer dickflüssigen, roten Suppe.

Neuer Kurs – Sarragoza. Heute sind wir also von der Region Murcia durch Kastilien – La Mancha gefahren, haben die Valenciana noch einmal ein bisschen angekratzt und sind nun im Aragon gelandet. Klingt großartig, ist aber von der Entfernung her keine große Leistung. Um uns herum ausgewaschene, erodierte Felsen wie in Kappadokien. Hohe, rote Tafelberge vor uns, sie werden von tiefen, ausgetrockneten Flusstälern durchschnitten, manche der Barrancos genannten Schluchten ließen sich auch erwandern – wenn wir Zeit dazu hätten und keine wasserreichen Unwetter die Schluchten füllen. Aber wir sind nun mal nur auf der Durchreise.

Die Straße verläuft am Rande eines 500 Meter breiten Flusstals mit rechteckigen Feldern. In der Mitte des Tals winden sich im Zickzack immer wieder mal alte, ungeteerte Straßen durch die Felder, die bestimmt den alten Straßenverlauf darstellen. Diese fallen in Google Earth gleich ins Auge, da sie wie eine Autobahn mit zwei Fahrspuren ausgestattet sind, mit Büschen und Bäumen zwischen den Spuren.

Blick auf einen mächtig aufstrebenden Berg in Wolken in der Sierra de los Filabres
Motorrad steht vor dem begrünten Eingang zum Hotel Villa de Torla

Nach genau neun Stunden Fahrt und nur wenigen kurzen Pausen erreichen wir Torla in der Provinz Huesca, gelegen am Rande des Nationalparks Ordesa y Monte Perdido in den Pyrenäen, der von der UNESCO seit 1997 als Weltkulturerbe geführt wird.

Die letzten vierzig Kilometer der Tour haben wir schon einen kleinen Vorgeschmack bekommen, was uns hier erwartet. Schroffe Berghänge, in den Lüften Adler und Geier und in den Tälern Häuser, die auf uns in den ersten Momenten einen schwermütigen Eindruck machen, denn sie sind aus grauen Natursteinen gebaut, denen man keinen Farbtupfer gönnt, sondern auch die Fensterläden dunkelbraun streicht. Aber natürlich hat das auch einen praktischen Hintergrund: den Sonnenschutz. Denn wir sind zwar inmitten hoher Berge, jedoch immer noch in Spanien, mit den entsprechenden Temperaturen im Sommer.

Ortseinfahrt Torla. Direkt am Hauptplatz des Ortes befindet sich das Hotel Villa de Torla*. Sollen wir das Erstbeste nehmen? Trotz dass viele Autos und Motorräder davor stehen? Überlaufene Unterkünfte meiden wir in der Regel. Aber wir haben keine Lust, weiter herumzufahren und fragen deshalb nach einem Zimmer. Sie haben eins. Also gut.

Langwierige Nahrungsbeschaffung
und sport am abend

Bis das Restaurant um 21:00 Uhr öffnet, sind wir verhungert. Also suchen wir im Ort ein kleine Bar auf, in der es Tapas gibt. Das Lokal hat wahrscheinlich erst neu eröffnet und der junge Mann an der Theke ist noch in der Einarbeitungsphase. Er bringt uns die bestellten Getränke, auch einen Teil der Tapas, vergisst jedoch, dass wir auch Teller bräuchten. Teller haben wir dann, aber irgendwie ... Werkzeuge zum Essen wären jetzt nicht schlecht. Es dauert eine Zeitlang, bis wir alles Bestellte und alles Werkzeug beisammen haben.

Der Besuch dieser Bar war der zweite Schnitzer des Abends. Den ersten hatten wir schon begangen, als wir das Hotel Villa de Torla* verließen: wir ließen das Fenster sperrangelweit geöffnet, um das stickige Zimmer zu lüften. Als wir wiederkommen, ist das ganze Zimmer voller Stubenfliegen und ich hüpfe eine halbe Stunde lang – mit mäßigem Erfolg – mit einer Straßenkarte in der Hand auf Fliegenfang durch's Zimmer. Dummerweise sitzen die dussligen Viecher am liebsten an der Decke, die nur zu erreichen ist, wenn man die beiden getrennt stehenden Betten als Trampolin benutzt. Bißchen Sport am Abend ...

Wir schluch(t)zen durch den Canyon de Anisclo
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