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Andorra | Zwerg-Staat und Riesen-Supermarkt

Auffahrt auf unbefestigter Straße mit dem Motorrad in das Skigebiet von Ordino-Arcalis in Andorra

Es folgt die südöstlichste Etappe in den Pyrenäen. Wir verschieben unsere Basis wieder zweihundert Kilometer nach Osten. Zum Frühstück gibt es wie so oft getoastetes Weißbrot. Tostada. Kein Buffet. Typisch spanisch eben. Als erstes steht Andorra auf dem Programm – es liegt quasi genau auf unserer Strecke. An der Grenze herrscht großes Durchwinken.

Der Zwergstaat Principat d'Andorra liegt am Südhang der Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich und misst nur 460 Quadratkilometer Fläche. Wir sind auf das Einkaufsparadies vorbereitet, möchten aber gern ein klein wenig das andere Andorra jenseits der Shoppingmeilen entdecken. Es herrscht dichter Städtebau inmitten enger Täler. Ein Drittel der Bevölkerung lebt in der Hauptstadt Andorra la Vella, die sich im größten Tal des Fürstentums schmiegt. Andorra besteht aus 1.) Supermärkten, 2.) Discountern, 3.) Factory-Outlets, 4.) Einkaufszentren. Und 5.) Tankstellen. Vielen Tankstellen. Ach ja, und ich vergaß 6.): die Hotels. Schließlich kann man hier preiswert „duty free“ tanken. Den Vogel schießt eine riesige Drive-In-Tankstelle ab. Zum Tanken muss man mit dem Auto in eine riesige Halle fahren, in der sich zwei Dutzend Tanksäulen befinden.

Zwei Motorräder und Fahrer im Gespräch in Andorra im Skigebiet von Ordino-Arcalis
Landschaftsaufnahme mit Bergen und Schneeresten vom Skigebiet von Ordino-Arcalis

Der höchste Berg in Andorra ist der Coma Pedrosa mit 2946 Metern. Da hinauf führt keine mit dem Motorrad fahrbare Straße, aber östlich davon liegt das weitläufige Skigebiet von Ordino-Arcalis. Bis zur zweiten Skistation schrauben wir uns ganz gemütlich auf einer Asphaltstraße nach oben. Vorbei an dunklen Nadelwäldern, saftigen Bergwiesen und schroffen Felsen. Gelegentlich liegen noch Schneereste am Wegesrand.

Aber es geht noch weiter. Wir sehen nach oben: da windet sich die jetzt nicht mehr asphaltierte, aber breite und gut zu fahrende Piste den Berg hinauf. Ein Dickschifffahrer in kurzen Hosen verfolgt, wie wir die Piste in langsamer Fahrt in Angriff nehmen und versucht es kurze Zeit später auch. In einer Höhe von ca. 2400 Metern mündet die Piste in einen weitläufigen Schotterplatz. Vor uns erstrecken sich hohe Berge, die die Grenze zu Frankreich darstellen. Eine nur kurze Wanderung und wir wären in Frankreich.

Port du Rat:
Spikes und Taschenlampe bitte!
Blick auf den Eingang zum Tunnel am Port du Rat
Blick in den Tunnel am Port du Rat

Ein glasklarer und eiskalter Gebirgsfluss plätschert vor sich hin und mäandert durch die Wiesen. Ein trulliartiger Natursteinbau steht am Rande der Wiese. Vermutlich eine kleine Schutzhütte. Im angrenzenden Fels klafft eine große Tunnelmündung. Ein Tunnel sollte hier unter dem Port de Rat hindurch führen, dem etwa 2540 Meter hohen Grenzpass nach Frankreich, der aktuell nur zu Fuß überquert werden kann.

Der Tunnel ist eine Sackgasse, war aber als Durchgang bis auf französisches Staatsgebiet geplant. Unter der Ägide von Bonaparte Napoleon wurde im 19. Jahrhundert ein Gesetz erlassen, das den Nachbarländern zusicherte, dass der französische Staat alle bis an die Grenze gebauten Straßen auf französischer Seite weiterführt. Die Andorraner bauten nun unter dem Port du Rat (Rattenloch) diesen Tunnel und pochten auf die Fortführung auf der anderen Seite. Aber sie hatten nicht mit den sturen Franzosen gerechnet, die erklärten, dass Andorra kein eigenständiges Land wäre, sondern territorial zu Frankreich gehöre. Der Bau des Rattenlochs war für die Katz'!

Auf den ersten Metern der Tunnelmündung befindet sich eine Metallplattform mit einem Steg. Jochen klettert hinein. Nach der Plattform, die zehn Meter in den Tunnel hineinreicht, zieht sich dickes Eis durch den Tunnel. Wuchtige Eisstlagmiten ragen aus der Eisfläche. Schließlich kommt Jochen nicht weiter. Eine Taschenlampe wäre hilfreich.

Motorradfahrer liegt aus Spaß auf Steinbogenbrücke

Wir unterhalten uns mit dem kurzhosigen Dickschifffahrer, einem Finnen, der die Gegend erkundet, während seine Frau beim Shoppen ist. Das Ehepaar macht eine Europatour und hat dafür vier Wochen Zeit. Wir verabschieden uns nach einem kurzen Small Talk von ihm und verlassen diese eindrucksvolle Bergkulisse, um sie nur wenige Kilometer weiter mit einer furchtbaren Kulisse zu tauschen: das Skigebiet El Tarter.

Vorher entdecken wir am Straßenrand bei Les Salines eine alte römische Brücke (Pont Romanic d'Ordino) über den Fluss Valira. Viel ist über diese nur noch als Fussgängerbrücke genutzte Bauwerk nicht herauszubekommen. Wenn wir die spärlichen Informationen richtig übersetzen, dann wurde die alte Brücke im Jahr 1980 vom ursprünglichen Standort hierher versetzt, vermutlich wegen des Straßenbaus. Übersetzungsmaschinen sind nicht immer hilfreich, denn bei dieser Brücke übersetzt sie mir einen Satz so: "Ihr Profil ist zurück Arsch hat gepflasterte Auffahrt und eine kleine Brüstung."

Das zweitgrößte Skigebiet Andorras El Tarter wirkt jetzt im Frühsommer überdimensioniert. Unsere Route führt uns durch den Ort Sant Pere del Tarter, wo Hotels mit hundert Zimmern und wuchtige Appartementhäuser die Straße säumen. Überall Hotels. Sie ziehen sich die Hänge hinauf. Aber die Stadt ist menschenleer, selbst die Supermärkte scheinen geschlossen zu sein. Bestimmt steppt hier im Winter der Bär, jetzt wirkt diese Architektur abschreckend und viel zu protzig. Nur einige Tankstellen und ein oder zwei Bars sind für die Transitgäste geöffnet. Nichts wie weg!

Motorräder auf der Passhöhe des Col de Puymorens

Am Col d'Envalira befindet sich die Passhöhe auf einer Höhe von 2407 Meter. Sie ist die höchstgelegene, ganzjährig befahrbare Straße Europas. Seit 2002 existiert auch ein mautpflichtiger Tunnel, der den Berg weit unterhalb der Passhöhe durchquert. Inmitten saftiger Bergwiesen schwingt sich die breit ausgebaute Passstraße ausladend durch das Hochtal. Alles ist etwas überdimensioniert. Wir halten erst wieder, als der etwas tiefer gelegenen Col de Puymorens (1920 Meter) erreicht ist. Fast unbemerkt sind wir nach Frankreich übergewechselt, aber wenig später verlassen wir es bei Bourg-Madam schon wieder.

Collada de Toses | 40 Kilometer KurvenKurvenKurven!
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