Motorradtouren Spanien Pyrenäen Canyon de Anisclo

Wir schluch(t)zen durch den Canyon de Anisclo

Eine kleine, gerade so zweispurige, holprige Strecke führt uns mehrere Kilometer in Richtung des Canyon de Anisclo. Anfangs ist die Streckenführung noch unspektakulär, weil Bäume meistens die Sicht behindern. Außerdem ist die Straße schlecht und auch Gegenverkehr sind wir ja aus Andalusien und aus der Sierra de los Filabres überhaupt nicht mehr gewöhnt.

Motorrad fährt unter Felsüberhängen auf schmaler Straße lang am Canyon de Anisclo
Gespräch mit mehreren Motorradfahrern bei Pause am Canyon de Anisclo

Am Eingang zur Schlucht treffen wir das Londoner Paar Jeff und Anne, das auf einer Pan European unterwegs ist und gerade die Treppen von einem unter uns liegenden „Mirador" wieder heraufsteigt. Die beiden sind etwa in unserem Alter und schwärmen in höchsten Tönen von dieser Landschaft. Sie zeigen uns Bilder auf dem Smartphone, die ihr Loblied untermalen sollen. Wir sehen wegen der Sonne kaum etwas auf dem Display, sind aber natürlich trotzdem tooootal begeistert.

Jeff hat einen Humor, der uns auf Anhieb zusagt. Als drei Motorradfahrer aus der Schlucht heraufkommen, anhalten, sich kurz umschauen, um sogleich wieder durchzustarten, schaut Jeff ihnen verständnislos hinterher, hebt seinen Arm, riecht unter seine Achseln und zuckt mit den Schultern... Herrlich. Die zehn Minuten Pause mit den Zweien waren sehr intensive und lustige Minuten.

Die Straßennummer muss man sich merken: HU-631, das ist die Strecke durch die Schlucht, die sich der Rio Vellos durch Hunderte von Metern Gestein geschnitten hat. Der Einstieg liegt bei Sarvise und endet bei Escalona.

Blick in die Felsenschlucht mit Fluß im Canyon de Anisclo
Einspurige direkt am Fels verlaufende Straße am Canyon de Anisclo

Sarvise ist ein verschlafenes Nest, durch das sich die Straße nach unten schraubt. Die HU-631 wird in diesem Bereich als die spektakulärste Straße der Pyrenäen bezeichnet.

Ab Mitte Juni bis August herrscht in der Schlucht eine Einbahnregelung, von der wir jedoch nichts mitkriegen. Glück gehabt – wir sind offensichtlich noch zu früh. Wir fahren also bei Sarvise in die Schlucht hinunter. Die Straße ist nur einspurig, aber es herrscht kaum Verkehr, so dass dieser Umstand kaum Mühe macht. Allerdings sind wir von den andalusischen Straßen doch sehr verwöhnt: die Flickschusterei auf den Pyrenäenstraßen sind manchmal etwas nervig. Wieso schaffen es die Andalusier, die Straßen so gut in Schuss zu halten und die Katalanen nicht?

Weiter geht die Fahrt auf einer Straße, die sehr weit oben, im oberen Drittel der Wand in den Fels gebaut ist. Hier sind gerade Teerarbeiten im Gange, allerdings füllen die Straßenarbeiter im Dreier-Team (drei Arbeiter mit drei Schaufeln) nur die Löcher mit Asphalt auf. Wir fahren Slalom um frischgeteerte Schlaglöcher.

Alte rote Tür in Nerin

Immer wieder mal folgen wir neugierig einer Straße und schauen, wo sie hinführt. Bei dem Schild „Nerin“ führt sie nach Nerin. Logisch. Und nicht daran vorbei, wie eigentlich die Route vorsieht. Irgendwann stehen wir inmitten eines Hinterhofs. Die Dörfer sind richtig kleine Verteidigungsbauwerke. Die Häuser sind dermaßen ineinander verschachtelt, dass das Dorf Nerin wie eine einzige Häusereinheit anmutet. Die Gebäude haben Jahrhunderte auf dem Buckel, wie man an den Jahreszahlen auf den Torbögen erkennen kann. Nur wenige Touristen werden sich hierher verirren.

Ein Mann winkt uns freundlich zu, nachdem wir im Hinterhof – der des anderen Hauses Vorderhof ist – wendeten und die steile Gasse, die wir herunterkamen wieder hineinfahren. Er schaut aus, als wäre er um einen Schwatz nicht böse. Aber Jochen bemerkt ihn nicht und gibt Gas. Unsere „Steffi“ lockt uns dann noch eine Schotterpassage hoch, aber leider ist nur wenige hundert Meter später an einem Schlagbaum Schluss. Nationalpark. Befahren nur für autorisierte Personen möglich. Wenn wir gedurft hätten, wären wir auf der anderen Seite am Großparkplatz von Ordesa rausgekommen.

Valle de Bujaruelo
kleiner Ausflug für Offroad-Liebhaber

An einem weiteren Abzweig biegen wir schließlich in einen Schotterweg ein, der ins Valle de Bujaruelo führt. Der Belag ist grob und löchrig. In drei Kilometer Entfernung ist ein Campingplatz ausgeschildert. Die Neugier treibt uns weiter. Das doch recht beeindruckende Flüsschen Ara sucht sich wild sprudelnd seinen Weg zwischen großen Steinen. Das ist wesentlich interessanter als die Straße zum Naturpark-Großparkplatz. Wir sind nicht die einzigen Verkehrsteilnehmer, denn auch ein paar Autos haben den Kampf mit der Holperpiste aufgenommen.

Schmale kaum gesicherte Straße im Valle de Bujaruelo

Erstaunlicherweise nehmen es die Wanderer, denen wir unterwegs begegnen, immer sehr gelassen, dass sie Gefahr laufen, von den Fahrzeugen eingestaubt zu werden. Jeder Wanderer, ohne Ausnahme, grüßt uns freundlich. Bei uns in deutschen Landen wäre garantiert jeder Zweite sauer, dass wir Staub aufwirbeln und die Stille mit unserem Auspuffgeräusch stören. Wir tun unser möglichstes, dass wir es nicht tun und tuckern langsam bis zum Campingplatz. Der Campingplatz liegt in einer Meereshöhe von 1338 Metern. An diesem machen wir kehrt. Alles in allem ein landschaftlich sehenswerter Abstecher! Mit ein wenig mehr Zeit und der richtigen Kleidung zum Wechseln hätten wir zu Fuß noch einige sehr schöne Abstecher in die Bergwelt der Zentralpyrenäen machen können.

La Seu d'Urgell | Wir ziehen weiter
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