Motorradtouren Spanien Andalusien Antequera und "El Torcal"

Antequera und "El Torcal" | Wie geil ist das denn?

Am nächsten Morgen starten wir Richtung Ronda. Von der Sierra Nevada nach Ronda sind es ungefähr 400 Kilometer – diese Distanz an einem Tag zu fahren wäre zwar locker zu schaffen, aber dann würden wir etwas verpassen.

Motorradfahrer blickt in die bergige Landschaft auf dem Weg nach Antequera.

Denn nach 260 Kilometern liegt Antequera und der Naturpark „El Torcal“ auf unserer Route. An diesem einzigartigen Naturpark ungesehen vorbeizufahren wäre ein Frevel. Dort heißt es dann wieder einmal die Wanderschuhe schnüren. In unserem Fall tun es allerdings auch Motorradstiefel. Ursprünglich wollten wir die Strecke nach Ronda an der Küste entlang fahren und das Gebiet nördlich von Malaga etwas näher unter die Lupe nehmen. Wir haben uns jedoch angesichts der nervigen Ortsdurchfahrten und den höheren Temperaturen an der Küste entschlossen, uns durch die inländischen Sierras zu schlängeln. Es ist zwar durchaus fraglich, ob die Temperaturen dort wirklich so viel niedriger sind, aber zumindest stören uns kaum andere Verkehrsteilnehmer bei unserer Fahrt.

Blick auf den See Embalse de los Bermejales

Am Vormittag erreichen wir den Stausee Embalse de los Bermejales. Kraniche stochern im Uferbereich, Frösche bringen uns ein Quakkonzert dar und unterarmgroße Fische schwimmen träge durch das türkisfarbene Wasser. Wir sind wieder mal fast allein auf den Straßen unterwegs. Es gibt zwar am Stausee einige Unterkünfte und auch einen Campingplatz, trotzdem kann man den See nicht als touristisch erschlossen bezeichnen.

Danach ändert sich die Szenerie insofern, dass die Hänge fast ausschließlich dem Olivenanbau dienen. Olivenbäume stehen ordentlich in Reih' und Glied soweit das Auge schaut. Schließlich wird die Landschaft flacher und wir erreichen eine Ebene, die an einen mächtigen Felsen grenzt.

Hier sieht es nach viel Arbeit aus: wir fahren durch Felder, auf denen in Freilandkultur verschiedenes Gemüse angebaut wird. Besonders die Artischocken stechen ins Auge. Bei Zafarraya ändert sich die Landschaft noch einmal. Jetzt werden die Berge wieder höher und von Tälern scharf durchschnitten. Felsbrocken auf den Hängen wirken wie hingewürfelt. Ein kleiner Abstecher zum „Mirador Alto“ verschafft uns einen herrlichen Ausblick auf die Gebirgsmassive der Sierras Gorda und San Jorge. „Mirador“, haben wir gelernt, heißt Aussichtspunkt, so dass wir jedem Hinweisschild zu einem „Mirador“ neugierig folgen.

Schließlich erreichen wir ca. 40 Kilometer nördlich von Malaga Antequera und quartieren uns in einem Hotel am Stadtrand ein.
Panoramablick auf die Dächer von Antequera

Schließlich erreichen wir fünfzig Kilometer nördlich von Malaga die 45.000-Einwohner-Antequera und quartieren uns in einem Hotel am Stadtrand ein. Vom Hotelzimmer aus fällt der Blick auf den Pena de los Enamorados, dem Fels der Verliebten, das Wahrzeichen der Stadt Antequera. Die Stadt bietet sich laut d en Tourismusbehörden als Basis für Andalusienreisen an, da von hier aus sowohl Granada, als auch Sevilla und Cordoba bequem zu erreichen wären. Die Stadt wirkt aufgeräumt und die Häuser kommen mit einem maurischen Charme daher. Die Straßen sind eng, gepflastert und glattpoliert. Unser Reiseführer berichtet von einer angespannten Parkplatzsituation, was uns als Zweiradfahrer jedoch nur tangential berührt.

Bekannter als der sich neigende Felsen ist der Naturpark „El Torcal“: wegen ihm sind wir gekommen. „El Torcal“ ist ein in Höhen zwischen 1100 und 1400 Metern aufragendes Felsmassiv aus Kalkstein. Über Jahrmillionen wurde der Fels von der Erosion geformt und bildet kuriose Felshügel, Türme und aufgeschichtete Felsplatten. Es erwartet uns ein 17 Quadratkilometer großer Naturpark, den es zu erkunden gilt.

Blick auf das Felsgebiet El Torcal

Wir steigen in leichte Zip-Hosen und schnappen uns die ansonsten übliche Ausstattung Helm, Motorradjacke und Stiefel. Auch wenn es immer ein eigenartiges Gefühl ist, ohne Motorradhosen zu fahren, ist es doch der Situation angemessen, denn wir wollen auf dem kürzesten von drei verschiedenen Wanderrouten durch „El Torcal“ streifen. Dies bei 30°C in Motorradhosen zu tun – so verrückt sind wie dann doch nicht!

Eine schön kurvige, vier Kilometer lange Bergstraße führt bis zu einem Parkplatz. Hier befindet sich außer den Anfangspunkten der Wanderrouten ein Informationszentrum zur Geologie, Flora und Fauna des Felsgebiets. Die Jacken packen wir ins Topcase und fragen im Informationszentrum, ob wir die Helme zur Aufbewahrung abgeben können. Aber klar, das ist kein Problem. Wir ergattern vor der Cafeteria einen letzten freien Tisch, zusammen mit einem anderen Paar, das auch gerade eine Sitzgelegenheit sucht. Sie wollen schon wieder gehen, als wir alle vier gleichzeitig auf den Tisch zustechen. Ich spreche das Paar an, in Englisch, dass es ja kein Problem sei, es wären doch vier Stühle ...

Steile Felsnadel und Steinquader im Felsengebiet El Torcal

Die Deutschen sind in dieser Hinsicht ja etwas eigenbrötlerisch, aber die Spanier offensichtlich noch um einiges mehr. Unter Spaniern ist es eine Todsünde, sich zu einem anderen Gast ungefragt an den Tisch zu setzen. Ein absolutes No-Go. Man wird also immer allein am Tisch bleiben. Außer man fordert einen anderen Gast auf, an dem eigenen Tisch Platz zu nehmen, wird sich das keiner eigenmächtig trauen. Wir setzen uns also nach einem kurzen Palaver in Englisch gemeinsam an einen 4er Tisch. Am Tresen der Cafeteria erstehe ich eine Flasche Wasser und zwei Eis. Am Tresen der Cafeteria erstehen wir eine Flasche Wasser und zwei Eis. Als ich wieder an unseren Tisch trete, komme ich mir erst einmal etwas vergackeiert vor. Wieso spreche ich mit dem Paar englisch, wenn sich Jochen jetzt in einwandfreiem Deutsch mit dem Mann unterhält? Es stellt sich heraus; dass das Paar aus den Niederlanden stammt und mehrere Sprachen sprechen, wobei die Frau des Deutschen nicht mächtig ist, er dagegen ganz gut.

Panoramablick vom Nationalpark El Torcal auf die anderen Berge

Während wir unser Eis verdrücken, unterhalten wir uns ein wenig mit dem Paar und machen uns kurz vor 18:00 Uhr auf die Socken. Vorhin war noch ein Bus mit dreißig Touristen angekommen, die nun laut schnatternd zu dem 150 Meter entfernten „Mirador" schlurfen. Okay, okay, den „Mirador" werden wir später besuchen. Dem offenen Schuhwerk nach zu urteilen werden diese Besucher den Naturpark sowieso nicht per pedes erkunden. Glück gehabt!

Weg mit Holzgeländer entlang von Felsengebiet zum Aussichtspunkt im El Torcal
Blick von oben auf Antequera

Der Einstieg zu zweien der genannten Wanderrouten ist schnell gefunden. Ein Schild erklärt den Unterschied: „Ruta verde“ ist der grüne, nur anderthalb Kilometer lange Weg. Ihn zu begehen soll 45 Minuten dauern. Es gibt als Alternative noch die „Ruta Amarillo“, den gelben Weg mit drei Kilometer Länge. Es ist gut, dass wir unsere doch recht wandertauglichen Motorradstiefel tragen. Wir sind offenbar die einzigen Wanderer. Es geht über Stock und Stein, die Höhenunterschiede sind zwar mit 76 Metern nicht erwähnenswert, aber man sollte trotzdem einigermaßen gut zu Fuß sein und keine Gehbehinderung haben.

Als dritte Variante gibt es noch einen roten Pfad, der sich über mehrere Kilometer zieht und der wegen der Gefahr, sich zu verirren, nur mit Führer begangen werden darf. Eine Orientierung ist wirklich schwierig, denn man erklimmt nicht Felsen, um sich einen Überblick zu verschaffen, sondern kraxelt zwischen den eigenartig geformten Felstürmchen hindurch und landet immer wieder in tiefen, felsbrockengespickten Senken mit niedrigem Buschbewuchs, um gleich wieder wieder um die nächste Felsnase herumzuklettern.

Und nur der Gamsbock schaut uns zu ...
Auf der Ruta verde durch den Nationalpark el torcal
Ein Gamsbock hoch oben auf einem Felsen liegen im Naturpark El Torcal

In einigen Senken treiben sich einzelne Kühe herum. Vor uns befindet sich eine ganze Reihe von verschieden geformten Felsen und – wir können es kaum glauben – auf dem höchsten Türmchen, dessen Abschlussstein vielleicht einen Meter lang ist, da thront ein Gamsbock! Majestätisch liegt er auf dem Stein, genießt die Aussicht und lässt die Abendsonne seinen Pelz erwärmen.

Unsere Route ist mit grünen Pfeilen markiert und meist ist es am Trampelpfad erkennbar, ob man auf dem richtigen Weg ist. Aber die Angabe von 45 Minuten Gehzeit kann man getrost als Wunschgedanken abtun – Rennläufer mögen das schaffen, aber wer etwas von der Landschaft sehen will, wird mindestens eine ganze Stunde brauchen. So wie wir. Um 19:00 Uhr schließt das Informationszentrum. Zehn Minuten zu spät erreichen wir es. Die Angestellte steht schon vor der Tür und zeigt auf unsere Helme, die sie gerade außen auf dem Fenstersims deponiert hat.

Abends, als wir auf dem Balkon unseres Zimmers im Hotel Los Dolmenes sitzen, können wir das vielstimmige Gemurmel unter uns auf dem Parkplatz erst nicht zuordnen. Wir stellen verwundert fest, dass sich vor dem Eingang eine hundertköpfige, elegant gekleidete Festgemeinde versammelt und mit Getränken in den Händen warten. Auf was? Das Brautpaar? Richtig! Eine Hochzeit. Wir befürchten eine schlaflose Nacht, doch das Zimmer ist gut schallgeschützt. Oder die Hochzeit nicht so temperamentvoll wie befürchtet.

Ronda
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