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Mustafapaşa | mit dem Motorrad in Kappadokien

Ortsansicht über die Dächer von Mustafapasa

Nach elf Stunden reiner Fahrzeit treffen wir dann endlich in Mustafapaşa ein. Dieser kleine Ort wurde bis 1923 vorwiegend von Griechen bewohnt. So ist es kein Wunder, dass es im Ort viele typisch griechische Häuser gibt: Die Ornamente über Türen und Fenster sind sehr kunstvoll gearbeitet und auch griechische Schriftzeichen entdeckt man oft. Leider sieht man in den gepflasterten Gassen oft auch sehr verfallene, kleine Häuser, für die es ein Frevel wäre, wenn man sie abreißen würde. Aber ein Wiederaufbau kostet ein Heidengeld.

Das jedoch können sich die Bewohner nur in den seltensten Fällen leisten. In der Mitte des Ortes steht so ein griechisches Landhaus: ein Prachtstück, allein schon die Fenster! Aber abgestützt, einsturzgefährdet, unter Denkmalschutz und zu verkaufen. Gerade diese Mischung macht den Reiz des Ortes aus. Über Jahrhunderte lebten Moslems und Christen in dieser Region recht einträchtig miteinander. Erst der Bevölkerungsaustausch 1923/24, nach Beendigung des griechisch-türkischen Krieges, ließ die Dorfgemeinschaft auseinanderbrechen. Griechischstämmige mussten ihre Heimat, Kleinasien, verlassen und den Neutürken, die bisher Griechenland ihre Heimat nannten, ihren Grund und Boden überlassen.

Der verzierte Eingang zur Moschee in Mustafapasa Zwei Männer sitzen beim Gespräch auf kleinen Holzhockern in Mustafapasa

Die sakral anmutenden Ornamente an den Türbögen und die Schriftzüge an den Häusern zeugen heute noch von der griechischen Vergangenheit. Mustafapasa (früher hieß es Sinasos) ist ein Paradebeispiel für griechische Schönheit.

Hier hat der Fremdenverkehr gemäßigt Einzug gehalten und einige Hotels und Zimmervermieter bieten vor allem Individualreisenden in schön wiederhergestellten griechischen Häusern eine stilvolle Herberge. Bustourismus findet man bevorzugt im fünf Kilometer entfernten Ürgüp, in dem sich ein Hotel ans andere reiht. Im Tourismus verdienen in diesem Ort noch nicht so viele Menschen. Klar, es gibt einen Souvenirladen und ein, zwei Restaurants (meist verköstigen die Hotels jedoch ihre Gäste selbst), aber wenn wir wählen können zwischen Mustafapasa und Göreme vom letzten Mal, dann würden wir uns wieder für Mustafapaşa entscheiden – es herrscht hier einfach die authentischere Atmosphäre und mehr Ruhe.

Zwei Frauen sitzten vor dem Pasha Hotel an einem Tisch

Das Old-Greek-House* finden wir erst nach einiger Sucherei. Im Hotel selber ist kein Zimmer mehr frei, der Besitzer bringt uns jedoch weiter oben im Ort in seiner Dependance unter. Im Haus selbst gäbe es zwar keine Möglichkeit für das Abendessen, aber wir könnten herunter kommen und er, der Besitzer, würde uns abholen. Okay, wir schauen uns also das andere oben mal an. Uiii, nobel geht die Welt zu Grunde. Wir können wählen zwischen einem traditionellem Höhlenzimmer oder einem neu gebauten. Wir entscheiden uns für die neuere Variante, die alte Höhle ist uns doch zu klamm, kalt und duster. Der Winter ist ja noch nicht so lang vergangen und wie uns später erzählt wird, hat es in Kappadokien noch vor ein paar Tagen bei 10°C in Strömen geregnet.

Was haben wir bloß für ein Glück? In der ersten Maiwoche sind wir bei Sonnenschein am Schwarzen Meer entlang gefahren und sahen zwar Wolken, aber keinen Regen. Also nehmen wir das neuere, aber auch kühle Zimmer und bekommen einen großen Heizstrahler hineingestellt. Am nächsten Tag wird ein Zimmer im Haupthaus des Old-Greek-House frei.

Blick auf Häuserfront in Mustafapasa

Wir dürfen noch kurz den PC des Hauses benutzen, um unsere Mails zu checken. Wenn wir nur auch mal das Handy angeschaltet hätten!!!! Dann hätten wir gesehen, dass die anderen Türkei/Syrienfahrer Detlev & Rendel und Sigi & Petra auch noch in Mustafapaşa sind und schon Wetten abgeschlossen haben, ob wir es noch an diesem Abend schaffen.

Aber nein, das Handy bleibt aus und wir beißen uns in den nächsten Tagen in den derzeit eh' gestressten Popo, dass wir den im "Boxer-Forum" angezettelten Stammtisch mit dem Motto "Um sechs in Kappadokien" geschafft hätten, aber einfach aus Urlaubsverplantheit nicht mehr dran dachten, welcher Tag heut' ist. Grrrr!

Wir essen der Einfachheit halber an diesem Abend im Old-Greek-House*. Am nächsten Tag werden wir uns das Zimmer hier ansehen und uns entscheiden, ob wir umziehen. Das Frühstück in der Dependance des Old-Greek-House ist das fürstlichste Frühstück, das wir auf türkischen Boden je genossen haben. Wir sitzen mitten im sonnigen Innenhof. Der Tisch ist gedeckt mit zahlreichen Köstlichkeiten: verschiedene Oliven, Gurken, Tomaten, Schafskäse, Schnittkäse, diversen Marmeladesorten, Honig, eingelegte Orangenschalen – eine sehr leckere Angelegenheit! – jeweils ein Pfännchen mit einem Spiegelei, dazu wird Brot gereicht.

Familienzusammenführung auf kappadokisch

Am Morgen besichtigen wir das freie Zimmer im Haupthaus des Old-Greek-House und sind sehr enttäuscht. Ein winziges Zimmerlein, kaum dass man sich rühren kann, mit einem Bett, das schon von weitem irgendwie nach "Familienzusammenführung" aussieht. Wir führen eine kurze Diskussion, weil wir eigentlich ungern noch mal einen Morgen mit der Zimmersuche verplempern wollten. Aber diese Kemenate für die nächsten drei Tage? Wir gehen auf die Suche und landen im Pacha Hotel*. Hier gibt es einen wunderschönen Innenhof, in dem auch die BIG TURTLE inmitten von mediterranen Blumen, unter wunderschönen Torbögen und Steinmetzarbeiten parken darf. Das Zimmer passt. Der Inhaber, Ismail, ist zwar selbst nicht da, aber ein Freund aus Genf, der unter anderem auch deutsch spricht, zeigt uns nach tel. Absprache mit Ismail alle freien Zimmer.

Vier Personen auf einer Bergstation in Mustafapasa

Am Sonntag treffen wir uns mit Freunden, die zufällig auch gerade in Kappadokien Urlaub machen. Gemeinsam schlendern wir mit Christiane und Kalli durch Mustafapaşa und klettern auf die Hügel, um von oben auf Mustafapasa hinunterzuschauen.

Ein netter Herr im Anzug erzählt Christiane in zwei Minuten seine Lebensgeschichte und führt uns dabei eine steile Abkürzung hinauf auf den von uns so getauften Atatürk-Berg. Diesen Weg hätten wir uns ohne den netten Kappadokier nie hinaufgetraut, denn wir trampeln durch die privaten Vorgärtchen der Anwohner.

Oben lassen wir uns von einem Lehrer, der mit einigen Schülerinnen da ist, unter der Leuchtreklame von Atatürk fotografieren. Als wir wieder runterlaufen, kommt unser Fotograf mit dem Auto gefahren und hält neben uns, um uns mitzuteilen, dass unsere Rücksäcke noch dort oben stünden. Hätte es eine Zeitwertung gegeben, wir hätten den Sprintrekord von Usain Bolt gebrochen! Aber natürlich: die Rucksäcke standen noch dort. Christiane zählte gänsehautfröstelnd auf, was alles drin gewesen wäre.

In der weinkellerei von Mustafapaşa
Gesicht einer alten Frau mit Kopftuch im Markt von Mustafapasa

Auf den Schreck müssen wir einen heben! In der Weinkellerei, einem Familienbetrieb mit zwanzig Angestellten, der seit fünfzig Jahren besteht, ordern wir den hiesigen Wein. 1,8 Mio. Liter Wein werden jährlich gekeltert. Eine Spezialität ist der Kirschlikörwein, wobei uns dieser nicht schmeckt – Jochen bezeichnet ihn als Gummibärchenwein. Die Angestellte erzählt uns, dass sie bisher die LKWs mit den Lieferungen für die südliche Mittelmeerküste gar nicht schnell genug füllen konnten.

In der Weinkellerei in Mustafapaşa brach der Umsatz mit der Wirtschaftskrise so ein, dass sie echte Absatzprobleme haben. Eine alte Frau betritt mit einem galgenartigen Holzgebilde, an dem verschiedene Strickwaren hängen, die Winzerei. Sie hat wohl die Touristen gerochen. Aufdringlich ist sie nicht, aber sie weicht uns wortlos auch nicht von der Seite. Mein Gott, wir haben eigentlich keinen Platz und uns gefällt auch keines der guten Stücke so richtig. Aber wir kaufen der Guten aus Gefälligkeit ein paar bunte, selbstgestrickte Kindersöckchen ab.

Der ganze stolz des imams
Zwei Frauen vor einem Laden der Tücher verkauft in Mustafapasa Glaskasten mit Suren in der Moschee von Mustafapasa

Neben dem kleinen Laden von Ismail befindet sich eine Moschee. Bald ist Gebetszeit, weswegen der Imam gerade gekommen ist und uns einlässt. Vorher hat uns der Verkäufer aus dem Laden leihweise mit Kopftüchern versorgt und sie uns sogar auf türkische Art um den Kopf geschlungen.

Der Imam ist begeistert, uns seine Moschee zeigen zu dürfen. Voller Stolz erklärt er uns die kunstvoll gemalten Schilder mit den Prophetennamen. Eine Uhr mit Digitalanzeige gibt die exakten Gebetszeiten an. Außerdem präsentiert er uns ein neumodisches Gerät, das die Suren fortlaufend in einem kleinen Kasten auf dem Glas darstellt. Keine Ahnung, wie das ganze funktioniert. Aber es ist der allergrößte Stolz des Imams. Auch zerstört er endgültig unser Bild von dem im Minarett sitzenden Muezzin, der fünfmal am Tag zum Gebet ruft. Den Büchern wollten wir nicht glauben, nun müssen wir uns mit eigenen Ohren davon überzeugen: der Ruf wird zentral von Kayseri in alle Minarette und dessen Lautsprecher eingespeist. Wieder ein Mythos getilgt.

Özkonak Jetzt Warnweste mit eigenem Text