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Özkonak | mit dem Motorrad in Kappadokien

Motorrad steht vor einer Landschaft mit Felstürmen in Kappadokien Imam mit seiner Enkelin

Die Fahrt von Mustafapaşa nach Özkonak ist mit kappadokischen Felstürmen gespickt, die uns einige Zeit kosten bis wir unsere unvermeidlichen Foto- und Videosessions abgeschlossen haben. Auweia! Als wir in Özkonak ankommen, ergießt sich gerade eine Busladung in den Eingangsschacht! Da lassen wir lieber mal die Finger davon: die Horden als Gegenverkehr in nur für Zwerge geeigneten Gängen – das ist nichts für uns. Soll die Gruppe erst einmal wieder ans Tageslicht kommen! Solange schauen wir uns die vielen Souvenirs in einer angrenzenden Bude an.

Es stellt sich heraus, dass der Verkäufer der Sohn des Entdeckers dieser unterirdischen Stadt ist. Er erzählt uns, dass am Tag um die fünfzehn bis zwanzig Busse die Stadt besuchen. Auch der Vater, ein mittlerweile pensionierter Imam, ist in das Fremdenverkehrsgeschäft eingestiegen und verkauft Getränke. 1972 war es dieser Imam, der auf seinem Grundstück etwas zu tief herumstocherte und die unterirdische Stadt entdeckte. Mit Hilfe der örtlichen Gemeinde wurde die Gänge und Räume Mitte der 1980er Jahre teilweise ausgebuddelt.

Fünf Stockwerke tief kann man kraxeln, insgesamt spricht man von neunzehn Stockwerken, die mal insgesamt 60.000 Menschen hätten aufnehmen können. Man will diese Zahlen kaum glauben. Die spektakulärste These, warum sich die Menschen Kappadokiens einst in unterirdische Städte verkrochen haben, liefert der Alien-Forscher Erich von Däniken.

Der GS-fahrer als "gebückter"
Ein Mann geht gebückt durch einen Gang in der unterirdischen Stadt Derinkuyu

Derinkuyu, Kaymakli, Özkonak und die anderen unzähligen noch unentdeckten Behausungen, die viele Stockwerke ins Erdinnere reichen, seien Luftschutzbunker gegen die Invasoren aus dem All gewesen. Die Gänge sind mit ihrer lichten Höhe von 1,30 Metern eher ungeeignet für Zwei-Meter-Männer in protektorenbewaffneten Motorradjacken. Vor allem, wenn der Zwei-Meter-Mann rückwärts zum Videofilmen durch einen solchen Gang schrapt. Aber dank hohem Abriebwert hält das eine Motorradjacke ja locker aus.

Besonders eindrucksvoll gelingt das Gehen auf der Treppe, die auch nur 1,30 Meter Höhe aufweist und - taataaa! - nach unten führt. GS-Fahrer und Großgewachsene werden hier flugs zum "Gebückten": Gute Oberschenkelmuskulatur ist gefragt. Und die Antwort ist unter Umständen ein Muskelkater.

Motorrad mit tollem Panoramablick über Kappadokien

Bei der Rückfahrt nach Mustafapaşa verlockt uns ein Hügel mit einem Funkturm, auf den ein Schotterweg führt, zu einem Abstecher. Oben haben wir einen herrlichen Rundblick auf die kappadokischen Landschaft. In der Ferne leuchtet einer der erloschenen Vulkane mit Schneefeldern, der für diese Landschaft verantwortlich ist.

Beim Herunterfahren haben uns die tiefen Spurrillen bei zügiger Fahrweise noch ordentlich ins Schleudern gebracht und uns fast unseren einzigen Sturz dieser Tour beschert. Aber gerade noch ging alles gut. Die Dörfer, durch die wir fahren, sind meist sehr einfach. Es tut einem in der Seele weh, wenn man Häuser mit herrlichen griechischen Ornamenten an den Tür- und Fensterstöcken so verfallen sieht.

Fahre nie nachts!
Motorrad fährt auf Straße durch die hügelige Landschaft in Kappadokien Eine Frau im Markt in Ürgüp

Die Straßen sind mit tiefen Schlaglöchern übersäht. Hier gilt wie in vielen türkischen Regionen: fahre nie nachts! Und wenn, dann nur, wenn Du vorher geübt hast! Falls ein ungewöhnlicher Gegenstand aus der Straße ragen sollte, vielleicht eine Bananenkiste oder ähnliches: Vorsicht, das könnte das Warnschild für ein sehr tiefes Schlagloch sein!

Und immer dran denken: Nicht nur defekte Rücklichter haben kein Licht, auch Esel haben keine Rücklichter! Die Menschen leben offensichtlich von dem, was sie auf ihren Äckern und Gärten selbst anbauen. Von Fremdenverkehr ist in vielen Dörfern keine Spur, obwohl wir uns in Kappadokien befinden. Viele weibliche Einwohner schauen demonstrativ weg und ziehen ihr Kopftuch tiefer ins Gesicht, während wir vorbeifahren.

Das Kopftuch der kappadokischen Frauen ist oft zweiteilig: das untere ist farbig, während eines in weiß auf dem Oberkopf getragen wird. Meist trägt es eine lockere Zierborte am Gesichtsrand. Manchmal sieht man auch ein großes weißes Tuch – es liegt locker auf dem Kopf und reicht bis zu den Hüften. Keine Ahnung, wie das Tuch befestigt wird. Oft wird es bei der Fahrt auf dem Traktor oder Eselskarren vor Mund und Nase gebunden, was wohl ein Staubschutz ist, aber vielleicht auch der Religion geschuldet ist, wir wissen es nicht.

Ürgüp und die Holzstecken-moschee

Am nächsten Morgen beschließen wir zuerst den Wochenmarkt in Ürgüp zu besuchen. Die üblichen Markthändler preisen hier ihre Ware an. Das Angebot reicht vom T-Shirt über Gemüse, Obst, Gartenschaufeln, Gummistiefeln und -latschen, Ketten, Spaten, Unkrautvernichter, Wäscheklammern, gebrauchten Rasierapparaten und Schermaschinen und alle dem, was ein Einheimischer so zum Überleben benötigt.

Gerüst für den Bau einer Moschee in Ürgüp

Um's Eck wird eine neue Moschee gebaut. Die türkische Bauweise erstaunt und belustigt uns ein um's andere Mal! Wir stellen während des Aufenthalts eine Theorie auf. Wir kommen öfters an lichten Wäldern vorbei, die ausschließlich aus akkurat angepflanzten Pappeln bestehen. Da Pappeln bekannterweise sehr schnellwüchsig sind, baut man sie entweder an, um schnell eine Fläche mit Baumholz zu füllen oder, was uns einleuchtender erscheint, um schnelles und billiges Baumaterial zu erhalten.

Viele Häuser haben ein Obergeschoss, das sich gerade im Bau befindet. Die letzte Deckenplatte liegt manchmal schon oben und wird von einem Gerüst gestützt, das im besten Fall aus zahlreichen Kanthölzern besteht. Immer wieder wurden statt der Latten Dutzende von windschiefen "Stecken" verwendet. Stecken – entrindete Pappelstämme, armdick und 2,5 Meter hoch. Kein Wunder, dass so mancher Bau etwas windschief daherkommt. Aber den Vogel schießt eine in Bau befindliche Moschee ab! Die Kuppel der Moschee wird mit diesen Stecken geformt! Unglaublich!

Die weltbeste aller Sozias hätte gern Galips Haarmuseum in Avanos besucht – auf dem Weg nach Özkonak hätte sich das angeboten. 1979 hatte der Töpfer Galip die Idee, jede Frau, die seine Töpferei betritt, um eine Haarsträhne zu bitten. Seitdem haben ca. 16.000 Frauen Haare gelassen. Die Strähnen hängen an der Decke und den Wänden der Höhlentöpferei und da an jeder Strähne die Adresse der Spenderin hängt, lässt sich jederzeit die weitgereiste Kundschaft identifizieren. Jochen vertritt leider vehement die Meinung, die Kürze meiner Haarpracht, die ohnehin nicht seiner Vorstellung einer Haarpracht entspricht, vertrüge keinen Besuch der Töpferei. Also: nix Töpferei Galip.

Tuz Gölü