Parga | mit dem Motorrad im Epirus unterwegs
Die Region Epirus. Wie geschaffen für kleine und große Tagestouren. Die Eindrücke sind teilweise sehr unterschiedlich, da eine Tour im August stattfand, die zweite jedoch in der Vorsaison, im Mai. In der Stadt Parga tanzt in der Hauptsaison der Bär. Vor allem in der Stadt, das Umland ist ruhig und kann auch im Hochsommer während gelassener Touren schön gemächlich erkundet werden. Positiver Nebeneffekt: oben in den Bergen ist es kühler. Von da aus kann es weiter gehen in andere nordgriechische Regionen.
Parga. Enge, verwinkelte Gassen und Gäßchen mit schönen Torbögen und Durchgängen, einladende Badebuchten mit kristallklarem Wasser, kleine felsige Inselchen, zu denen man leicht hinüberschwimmen kann. Ein wirklich romantisches Städtchen, das uns als erste Station während der Griechenland-Tour dient. Wenn da nicht die Heerscharen von vorwiegend italienischen Touristen gewesen wären! Selbst in der Vorsaison wandeln hier schon viel zu viele Urlauber durch die Gassen. Außerdem kommt erschwerend dazu, dass an unserem letzten Tag in Parga der Feiertag Mariä Himmelfahrt ist. Unser Aufenthalt fällt genau mit einem dreitägigen Musikfest zusammen. Als krönender Abschluss findet an diesem Tag eine riesiges Feuerwerk statt.
Da werden fastfoodbuden zu restaurants
Im Frühjahr, wenn die Tourismus-Saison noch nicht begonnen hat, ist eine ruhiger Aufenthalt in Parga gut vorstellbar. Wir hatten die denkbar schlechteste Zeit für einen Bummel an der Hafenpromenade erwischt: jede Fast-Food-Bude stellt Stühle und Tische raus und nennt sich für drei Monate "Restaurant". Touristen drängeln sich um die Souvenir-Shops, um ihr sauer verdientes Geld zum Fenster rauszuschmeißen. Das klingt sehr zynisch, ist aber leider die Wahrheit. Da wir aber nicht zum Bummeln gekommen sind, sondern etwas von Land und Leuten sehen wollen, ärgern wir uns nicht lang und begeben uns drei Tage lang auf Tour in die reichlich vorhandenen Berge des Epirus und zu geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeiten im Umland. Wir steuern eine Adresse an, denn wir hatten ausnahmsweise mal vorher gebucht: ein Zimmer in der Villa Alexandros.
Parga blickt auf eine sehr wechselvolle Geschichte zurück. Aus der Zeit von 1320 bis 1200 v. Chr. stammt ein Kuppelgrab, das bei Ausgrabungen um Parga gefunden wurde. An diesem Ort lag in der Antike die Stadt Toryne. Zentrum dieser Stadt war der befestigte Hügel, auf dem sich noch heute die Reste einer Akropolis befinden. Die heutige Stadt, westlich von Toryne, wurde im 14. Jahrhundert besiedelt. Im 15. Jahrhundert herrschten die Venezianer, die eine heute noch heute erhaltene Festung erbauten. Das Jahr 1539 brachte die Türken in die Stadt, die danach keine mehr war. Viele der Einwohner verließen damals die Stadt.
Von 1797 bis 1800 und von 1807 bis 1815 herrschten die Franzosen über Parga. 1817 wurde die Stadt wiederum nach einem Abkommen den Türken überlassen, was zur Folge hatte, dass am 15. April 1819 sämtliche Einwohner nach Korfu auswanderten. Bis 1913 blieb die Stadt unter türkischer Herrschaft. Am 22. März 1930 wurden die heiligen Schätze, die Prozessionsfahne Pargas und die Überreste der Ahnen wieder nach Parga überführt. Wie in ganz Griechenland ist man in Parga auf die Türken nicht gut zu sprechen. In einer Taverne einen "türkischen" und keinen "griechischen" Kaffee zu bestellen, ist demzufolge ein ziemlicher Fauxpas. Bei der ortstypischen Musik, die wir bei dem Musikfest zu hören bekommen, läßt sich der türkische Einschlag jedoch nicht verleugnen. Psst, aber nur denken, nicht laut aussprechen!
Eine Tour von Parga aus führt hoch in einsame Berge. Die Straßenkarte verheißt einige interessante Strecken. Der Weg über einen Gebirgszug ist auf unserer Karte in weiss eingezeichnet, also Schotter. Aber vorher wollen wir noch den Fluß Acheron (Ahérondas) anschauen. Dieser Fluß gräbt sich durch eine tiefe Schlucht und eine Flußwanderung soll spektakulär sein. Wir wollen allerdings auf unseren zwei Rädern bleiben, sodass die Weiterfahrt bald durch ein Fahrverbotsschild gestoppt wird. Aber das eiskalte Flußwasser ist eine willkommene Erfrischung.
Erst im Laufe der folgenden Tage sollte uns bewusst werden, welche Sensation wir bestaunt haben. Der Acheron ist in Folge das einzige Flußbett, das wirklich Wasser führt, alle anderen sind ausgetrocknet. Die Fahrt über den Gebirgszug beginnt mit einer frisch geteerten Serpentinenstraße, zwar mit faust- bis kindskopfgroßem Steinschlag und Steigungen von >20%, aber super zu fahren. Hier sind wir mutterseelenallein. Danach: grober, gelber Schotter, sechs Kilometer lang.
Bei Touren durch Region Epirus hat man meist die Landschaft und die Straßen ganz für sich allein. Wir unternehmen herrliche Bergtouren, bei denen man von Meereshöhe bis zweitausend Meter hinauffahren kann, wo als kleiner und willkommener Nebeneffekt die Temperatur im Sommer angenehmer ist. Manche Straßen sind allerdings fein- bis grobschotterige Naturstraßen.
"Die bin vor zwanzig Jahren nur einmal gefahren – und nie wieder!!!"
Nachdem wir von der Schotterpiste genug durchgeschüttelt worden sind, erreichen wir das kleine, verschlafene Bergnest Zotiko, wo uns eine Familie mit Kindern nett zuwinkt und alte, schwarz gekleidete Mütterchen argwöhnisch beäugen. Vor dem Dorf Pardalitsa stehen wir wieder einmal ratlos vor einem Straßenschild und vergleichen die kryptischen Zeichen mit denen der Karte. Keine Ahnung, in welche Richtung der Weg weiterführen soll.
Wir fahren in das Bergdorf und fragen dort. In den ansonsten menschenleeren Straßen finden wir dann drei Männer, die vor einer tavernenähnlichen Baracke sitzen. Einer, Kostas, spricht zum Glück etwas englisch. Beim Nach-dem-Weg-fragen bleibt es nicht, wir bekommen Eiskaffee spendiert und nippen auch am selbstgemachten Wein.
Nach der Frage, welche Strecke wir gefahren sind, zeigen wir ihnen auf der Karte die sechs Kilometer lange Schotterstrecke. Da bekommt Kostas sooolche Augen und meint, die sei er vor zwanzig Jahren nur einmal gefahren – und nie wieder!!!
Später legen wir auf der malerischen Bergstrecke nach Paramithia einen Stopp ein, als wir einer großen Ziegenherde begegnen. Das Bimmeln der kleinen Glöckchen der Ziegen sind die einzigen Geräusche, die weit und breit zu hören sind.
Die sache mit den hütehunden
Befindet sich eine Ziegenherde auf oder an der Straße, ist von Haus aus Vorsicht geboten. Schwierig wird es, wenn kein Hirte dabei ist. Die Herden werden meist von mindestens zwei großen Hütehunden begleitet. Ein garstiges Knurren in respektvollem Abstand – das geht ja noch.
Aber in abgelegenen Gegenden im Norden haben wir Hunde erlebt, die fletschend und bellend auf uns losgegangen sind. Da heißt es dann: Reifengeld geben. Nicht zu langsam, um weg von den Biestern zu kommen. Nicht zu schnell, um die Ziegen am Leben zu lassen. Gelegentlich liegt auch ein vielleicht gerade arbeitsloser Hütehund gelangweilt neben der Straße und spielt beim Anblick des herannahenden Jagdobjekts "Fang den Reifen".
Eine andere Spezies sind die zahmen Dorfhunde. Sie sonnen sich schon mal mitten auf der Straße. Manche bequemen sich nicht mal, aufzustehen, wenn ein Fahrzeug naht. Schließlich ist die Straße breit genug – das Auto kann ja einen Bogen fahren.
Aber zurück zu unserer Ziegenherde. Wir stehen also inmitten einer Ziegenherde auf der Straße. Nach kurzer Zeit gesellt sich zu dem Bimmeln der Glocken noch das Knurren der Hütehunde, die die Herde begleiten. Ihnen passt unsere Anwesenheit überhaupt nicht und vor allem ein weißer Bewacher umkreist Jochen in gebührendem Abstand mit einem tiefen Knurren. Er droht, aber greift nicht an. Ich filme. Durch den Sucher der Videokamera sieht es aus, als wäre Jochen auf dem Motorrad zu Stein erstarrt. Jochen meint später, ich müsste mich geirrt haben.
Bei weiteren Touren durch Nordgriechenland sind die Hütehunde wesentlich garstiger. Ein in respektvollem Abstand knurrender Hund ist ja gut kalkulierbar. In einsamen Gegenden sind die Hunde aber jedesmal fletschend und bellend auf uns losgegangen, das war dann immer eine Zitterpartie, wenn man eine Ziegenherde passieren musste. Hinterher haben wir ganz tief durchgeatmet, wenn unsere Beine die Gefahr wieder einmal heil überstanden hatten.
Nekromanteion von Ephira | das totenorakel
Etwa 30 km südöstlich von Parga, unweit des Dörfchens Mesopótamos, befinden sich die Ruinen des Totenorakels Nekromanteion von Ephira. Gerade noch rechtzeitig vor Torschluß stoßen wir bei einer unserer Erkundungstouren auf diese Stätte.
Bevor wir die eigentlichen Räume des Totenorakels besichtigen, sehen wir die Reste von verschiedenen Räumen, die in der Antike von den Priestern als Wohnräume genutzt wurden. Über ein Labyrinth, naja, eher ein Labyrinthchen, gelangt man in einen Raum, in dem eine eindeutig neuzeitliche, steile Stahltreppe den interessierten Besucher in die Tiefe des Orakels führt. Eine Etage tiefer erwartet einen ein spärlich beleuchtetes Gewölbe.
Homer beschrieb den Ort des Nekromanteion so genau, dass man 1956 mit den Ausgrabungen begann und tatsächlich fündig wurde. Die Ruinen stammen großteils aus dem 3. bis 4. Jahrhundert v. Chr. In diese düsteren Räume sollen vor mehr als 2000 Jahre Lebende geführt worden sein, die in Kontakt mit den toten Seelen ihrer Angehörigen treten wollten. Über dem Gewölbe steht die kleine St. John Kirche aus dem 18. Jh., dessen Inneres zwar reichlich mitgenommen aussieht, doch zahlreiches Inventar zeugt von der fortwährenden Nutzung.
Kokoretzi – Tipp: essen und nicht fragen, was drin ist!
Bei der Rückfahrt Richtung Parga entdecken wir am Ortseingang von Morfi ein nettes Gartenlokal, oder richtiger: eine Psitaria, zu deutsch Grillrestaurant. Dort, anders als am Vorabend in Parga, gibt es sehr gutes und preiswertes Essen. Hier werden wir, wie in Griechenland üblich, in die Küche bzw. in das "Hüttchen" mit dem Grill gebeten und gefragt, ob uns der Wirt das, was auf dem großen Spieß steckt, servieren dürfte. Dieses Topfgucken findet man in den touristischen Lokalen nicht mehr.
Wir erfragen nach dem köstlichen Mahl, was wir gegessen hatten. Es ist eine Spezialität und nannte sich Kokoretzi. Kokoretzi besteht aus einer mit Leber und anderen Lamm-Innereien gefüllten Riesenroulade, die auf dem Spieß gegrillt wird. Die genauen Zutaten bekommen wir wegen unserer bescheidenen Sprachkenntnisse nicht heraus, aber es schmeckte vorzüglich. Das Beste und Originellste, das wir während unserer Griechenland-Reise essen. In der Türkei gibt es dieses Gericht natürlich auch, dort heißt es Kokorec und wird heiß geliebt. Aber Psst, nicht weitersagen ...
Wie überall in Griechenland ist eine forsche, aus der Heimat gewohnten Fahrweise mit entsprechenden Schräglagen nicht drin. Gegen eine rasante Fahrweise spricht als Erstes der in der Hitze "schwimmende" Asphalt. Außerdem können die Straßen mit Schlaglöchern, Split oder Steinschlag gespickt sein. Auch Hunde nehmen manchmal ein Sonnenbad mitten auf der Straße. Oder eine Herde Ziegen lagert an und auf der Straße. Im Vergleich zu anderen Gegenden Griechenlands waren die Straßen in und um Parga allerdings recht gut.
Zagoria