Motorradtouren Malta Anreise

Katamaran nach Malta | Achterbahnfahren ohne Ende

Katamaran Speed-Fähre steht fest verzurrt im Hafen

Anreise mit der Fähre????? Nein! Anreise mit der Achterbahn!

Es hätte uns zu denken geben müssen, dass die Schnell-Fähre ab Pozzallo/Sizilien gestern wegen Sturm ganz ausfiel und einmal schon um vierzehn Uhr ablegte statt spätabends, weil man befürchtete, wegen des Seegangs nicht mehr heil nach Malta rüberzukommen.

Aus diesem Grund bekamen wir beim ersten Anlauf in Pozzallo keine Tickets, sondern nur einen Platz auf der Waitinglist. Kurz nach einundzwanzig Uhr "freuten" wir uns zu hören, dass wir uns ein Zimmer suchen müssten. Als Passagiere ohne Fahrzeug wären wir mitgekommen, aber für Zweiräder gibt es nur drei Standplätze mit bombenfesten Befestigungsbügeln (deren Berechtigung wir noch erfahren sollten).

Die Fähre "San Gwann" der Fährgesellschaft Virtu Ferries ist ein Katamaran. Nach Eigenwerbung die schnellste Fähre der Welt. Sie schippert einmal täglich in aller Herrgottsfrüh in zwei Stunden von Valletta/Malta nach Pozzallo/Sizilien und am späten Abend wieder retour. Ein- bis zweimal die Woche nimmt sie Kurs auf Catania (statt Pozzallo). Die Fahrzeit für diese Strecke beträgt dann drei Stunden.

Also lösen wir im Fährbüro von Pozzallo Tickets für die nächste Fähre zwei Tage später, die dann allerdings von Catania abfährt. Im Hafen von Catania angekommen, sind wir froh, ein kleines Lokal mit Tischen im Freien vorzufinden, wo wir die restliche Zeit bis zur abendlichen Abfahrt verbringen können. Die Innenstadt von Catania ist uns suspekt. Mit vollbepacktem Motorrad – unmöglich! Unsere Bedenken werden von der Erzählung eines jungen Berliner befeuert, dessen Armbanduhr nach einem Besuch auf einem Markt nur noch an einem seidenen Faden baumelte – aufgeschnitten!

Die Check-In-Formalitäten sind englisch pedantisch. Im Fährbüro-Schalter müssen wir alle Papiere, Pässe, Tickets vorlegen und am Schiff ein zweites Mal. Auch Versicherungsunterlagen. Eigentlich will ich filmen, während Jochen auf das Schiff fährt, aber daraus wird nichts, da die Zollbeamten alle mögliche Unterlagen fordern. Schließlich nötigen sie mich in den Passagiereingang, während Jochen in den Frachtraum dirigiert wird, was zur Folge hat, dass er dort ohne seine Papiere steht. Meine Güte! Ein Zollbeamter muss bei mir Jochens Pass abholen, ihn Jochen bringen, dann erst darf er den Passagierraum betreten. Die Turtle wird von drei kleinen Helferlein bombenfest an der Bordwand befestigt.

Ein Bild für Götter: Jochen mit seinen fast zwei Metern umringt von drei kleinen, asiatischen Helfern, die ihm bis zum Oberarm reichen. Scheinbar sehen sie in ihm den Goliath: sie fragen ihn, ob er das Motorrad mal noch ein Stückchen rüberheben kann?! Ein dicker Schaumstoffkeil wird untergelegt und kräftige Stahlarme klammern die Turtle fest an die Bordwand. Kein Vergleich mit den Zurrgurten der großen Fähren. Die Turtle bewegt sich in diesem Schwitzkastengriff keinen Millimeter mehr.

Innenraum mit blauen Sitzen der Speed-Fähre nach Malta

Es gibt zwei geschlossene Decks mit Sitzen wie in einem Flugzeug. Wir steigen ins obere Deck hinauf und treffen unseren jungen Berliner aus dem Hafen wieder. Ich setze mich ans Fenster. Die Klimaanlage bläst eisige Luft auf meine Schulter, weswegen ich mir die Motorradjacke drüberlege. Endlich geht es los. Schön. Endlich! Aber die Freude währt nicht lange ...

Ohhh. Es schaukelt ja doch ganz schön. Aber was solls, ich bin immer noch seefest. Mir kann es nichts anhaben – und Jochen versinkt in autogenem Training. Unsere Turtle ist im Frachtraum bombenfest an die Wand gefesselt. Um uns herum werden die ersten Tüten benutzt. Wenn Passagiere durch das Schiff laufen, werden sie oft vom Servicepersonal gestützt oder aus den Sitzreihen herausgefischt, in die sie gefallen sind. Die Duty-Free-Bar ist wieder mit einem Gitter geschlossen. Und das ist gut so. (Wieso muss ich an dieser Stelle an Wowereit denken?) Nach anderthalber Stunde verlassen wir die einen Kilometer vom Schiff entfernte Küste von Sizilien. Der Vollmond begleitet uns ins offene Meer.

Achterbahn? gerne. aber nicht vier stunden lang!

Auweia! Jetzt geht der Spaß erst richtig los. Das Schiff wird wie in der Achterbahn nach oben gehoben, verharrt kurz (Luft anhalten!), um schließlich jäh nach unten zu sacken. Nur dumm, dass sich der Katamaran zeitgleich auch noch 30° auf die Seite legt und alle Flaschen in der Bar lautklirrend der Schwerkraft folgen. *** Je schräger das BRRRT, desto kürzer das SSST, desto eher das BMMS ...Zitat Otto Waalkes *** Dieses Geräusch der kullernden Flaschen – verbunden mit dem Absacken – wirkt wie ein verabredetes Zeichen für 80% der Passagiere – sie greifen zur Tüte. Anschließend hangelt sich das Servicepersonal durch die Gänge und verteilt neue Tüten und feuchte Tücher.

Den Vogel schießt der amerikanische Film mit Steve Martin ab, der in englischem Originalton über die Bildschirme flackert. Der Streifen handelt von einem vielfachen Familienvater, der mit seiner zehnköpfigen Rasselbande über längere Zeit allein zu Haus ist. Der animierende Höhepunkt: Einer der Jungen reihert sein ganzes Mittagessen auf den Küchenfußboden ... Sehr passend!

Der junge Berliner bekommt vom Servicepersonal regelmäßig die Tüten gewechselt, Jochen macht autogenes Training und ich beobachte den Mond, der wie wild von links oben nach rechts unten und wieder nach oben über mein Fenster tanzt. Ich finde den Tanz und den Weg, den der Mond über das Fenster beschreibt, amüsant. Aber nur ein bißchen.

Einer jungen Dame vom Servicepersonal wird es nun auch schlecht. Eine andere stürzt und muss verarztet werden. Wir bemerken, wie der Kapitän versucht, die Wellen, die wir im Mondlicht ahnen können, diagonal anzufahren. Er schlägt Haken wie ein Karnickel. Langsam wird mir klar, warum die Klimaanlage so eisern bläst: Wahrscheinlich würde mir statt vom Seegang von den Gerüchen ringsherum schlecht. Oooooh Gott! Achterbahnfahren ist was Herrliches. Aber nicht vier Stunden lang!

Als wir die Lichter von Valletta sehen, fällt uns ein Stein von Herzen. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen! Wobei es uns völlig wurscht ist, ob wir in unserem Guesthouse zu dieser nachtschlafenen Zeit noch jemanden antreffen! Hauptsache runter von dem Kahn! Im Frachtraum des Katamarans herrscht mächtiges Durcheinander. Die Gemüse-Kisten zweier nebeneinander geparkter Gemüselaster haben sich ineinander verschoben. Andere Gepäckstücke sind wild herumgepurzelt. Aber die Turtle steht heil an der Bordwand in ihrem Klammergriff. Nachdem man große Frachtsäcke zur Seite geräumt hat, verlassen wir die Fähre – um am Kai wieder von einem Zollbeamten kontrolliert zu werden. Der kontrolliert dann sogar TÜV und Profiltiefe der Reifen. Und hakt das Fahrzeug auf seiner Liste ab. Als ob sich unterwegs einer dazuschmuggeln könnte!!!

Wir verlassen den Hafen. Linksverkehr. Ich mahne wiederholt über die Gegensprechanlage: "Links fahren!" Es ist mittlerweile nach ein Uhr nachts. In einem Kreisverkehr hält uns ein Autofahrer an und fragt uns, ob wir ein Hotelzimmer brauchen. Aber wir suchen unser Guesthouse. Dieses befindet sich in einer steilen, kopfsteingepflasterten Straße, die in eine Treppenstraße übergeht.

Im Guesthouse ist zwar der Hausherr nicht mehr anwesend oder wach – mittlerweile ist es schließlich halb zwei in der Nacht – aber ein junger Australier hat von ihm die Aufgabe erhalten, auf unser Eintreffen zu warten. Er öffnet uns die Tür und hilft uns schließlich, unsere Koffer ins Haus zu tragen. Dabei wäre Jochen mit der ganzen Fuhre fast noch umgekippt. Die Straße ist sehr steil und das Kopfsteinpflaster glatt – irgendwann sinkt der Seitenständer ein und Jochen hat alle Mühe, die Kiste halten. Das wäre geschafft. Wir beziehen unser Zimmer.

Valletta