Motorradtouren Marokko Mittlerer Atlas Midelt | Kältestarr über den Mittleren Atlas

Midelt | Kältestarr über den Mittleren Atlas

Zwei Motorräder fahren auf Straße im Mittleren Atlas Richtung Midelt

Am Morgen weckt uns in dem Riad in der Medina von Fes recht lautes Regengeprassel. Aprilwetter in Marokko! Nachdem an beiden Vortagen über 30°C herrschten, hat es nachts gewittert und empfindlich abgekühlt. Der hohe Innenhof des Riad Baba* wird bei Regenwetter mit einem lichtdurchlässigem Plastikdach abgedeckt - auf diesem klingt der prasselnde Regen viel stärker als er eh’ schon ist.

Als typisch marokkanisches Frühstück, welches gestern aus einer Grießsuppe mit Anis, gebackenen Donuts, Brot, Marmelade und dem obligatorischen Minztee bestand, serviert uns Hatice heute zur Abwechslung eine Pilzsuppe und den Rest wie gehabt (vor allem die in Fett gebackenen Donuts sind wieder sehr, sehr lecker, aber nichts für Weight Watcher.

Zieh dich warm an | es geht über den mittleren atlas

Es regnet Bindfäden bei 13 °C! Vier ganzkörperkondomte Kuhtreiber und einer, der sich sicher ist, dass seine Kombi den afrikanischen Regen aushält, starten eine Fahrt über den Mittleren Atlas. Die Stadt Midelt peilen wir vorsichtig als Tagesziel an, bis dorthin sind es etwas mehr als zweihundert Kilometer. Aus Fes sind wir ruckzuck draußen. Die Straße ist gut zu fahren.

Nach einiger Zeit verfranzen wir uns in Richtung Ifrane. Auf einer kurvigen, breit ausgebauten Bergstraße sind außer uns nur Kipper und LKWs unterwegs. Eigenartig. Irgendwann landen wir vermutlich in einem Steinbruch oder inmitten einer Großbaustelle?! Kilometerweit nur Kipper. Wir drehen lieber um. Die Temperaturen fallen noch mehr in den Keller. Es heißt weiter Kopf einziehen, Schultern hoch und durch. Hab ich schon erwähnt, dass es in Afrika kalt ist?

Zwei Motorradfahrer am Straßenrand bei einer Pause

Über eine weitläufig kurvige Straße kämpfen wir uns über eine Kuppe. Vor uns liegt ein großes Hochplateau, über das der Regen horizontal gegen unsere Motorräder peitscht. Wir werden ganz schön herum geschüttelt, der Wind hat eine große Kraft. Das muss das Stück Route sein, von dem Karl-Heinz, der fünf Wochen vor uns im März hier war, berichtete, dass so ein arger Seitenwind herrschte, dass er kaum aufrecht fahren konnte. Wenig später mussten er und seine zwei Begleiter umkehren, weil sie bei Schneesturm auf festgefahrener Schneedecke mehrmals quer standen. Aber das war vor fünf Wochen – so schlimm wird's bei uns ja nicht kommen ... Oder?

Wir entern eine tankstelle
und bringen den Wasserkocher zum glühen

Nach Ifrane führt der Weg durch einen Zedernwald. Hier wäre normalerweise ein kleiner Abstecher auf dem Programm gestanden, um die größte, mittlerweile allerdings abgestorbene Zeder Marokkos zu sehen und um die Berberaffen zu besuchen, die im Zedernwald leben. Bei einstelligen Temperaturen jedoch, bei teilweise dichtem Nebel und peitschendem, waagerechtem Regen haben wir lassen wir die Affen Affen sein und auch keiner unserer Mitreisenden protestiert, dass wir das Zwischenziel auslassen. Wir entern wenig später den Aufenthaltsraum einer Tankstelle und bringen den Wasserkocher zum Glühen.

Lange gerade Straße in flacher kaum bewachsener Ebene mit blauem Himmel und weißen Wolken

Josef und Jochen entledigen sich ihrer durchnässten Stiefel und Socken und versuchen mit den heißen Teegläsern, die sie an ihre Füße pressen, diese gefühllosen Körperteile wieder zum Leben zu erwecken. Ein Bild für die Götter!

Die Stiefel haben vermutlich bei den zahlreichen, tiefen Pfützendurchfahrten und der Sintflut von oben die Segel gestrichen und ihre jahrelange Wasserdichtheit aufgegeben. Und das Ganze bei Temperaturen von 3°C - bei Thomas meldete das Bordsystem Glatteisgefahr.

Wir ordern einen Tee nach dem anderen und die Männer versuchen ihre pitschnassen Füsse für die weitere Fahrt trockenzulegen, indem sie sie statt in Socken in Plastiktüten stecken. Nachdem wir uns eine halbe Stunde lang getrocknet und mit heißem Tee einigermaßen auf Betriebstemperatur gebracht haben, sind sämtliche Fenster der Tankstelle bis obenhin beschlagen. Ein anderer Kunde wischt sich gerade mit dem Ärmel ein Gucklock nach draußen trocken, als wir den Gastraum verlassen. Thomas meint später nach der Ankunft in Midelt, dass er in den letzten zwanzig Jahren nicht so gefroren hätte wie auf dieser Fahrt.

Über den pass Col du zad (2178 meter)
Parkendes Motorrad mit Panoramaaussicht über den Mittleren Atlas

Auf dem Pass Col du Zad (2178 Meter) überqueren wir den Mittleren Atlas und fahren danach schlagartig im Trockenen. Die Temperaturen klettern in zweistellige Bereiche. Vor uns liegt eine weite Landschaft mit hohen, schneebedeckten Bergketten im Hintergrund. Hinter uns sehen wir einen Bergrücken mit dicken, schwarzblauen Wolkenbänken darüber. Da sind wir durch! Brrrr!

Falls sich jemand wundert, dass das Wetter auf den Fotos doch ganz passabel aussieht: wir fotografierten erst wieder, als es nicht mehr regnete und stürmte! Vorher hatte keiner Bock, die Finger aus den Handschuhen zu nehmen.

Ein Motorradfahrer auf seinem Motorrad sitzend und mit Turban ausgestattet, daneben ein Beduine in tradtioneller Kleidung im Hotel Kasbah Asmaa
Motorradfahrer mit Turban auf Motorrad im Hotel Kasbah Asmaa

Im Hotel Kasbah Asmaa* in Midelt werden wir gleich beim ersten Anlauf fündig und erhalten im Nebengebäude vor dem Pool einige Zimmer. Die Moppeds dürfen beim Pool parken. Bei einem Rundgang um das Hotel erstehen wir beim Mineralienhändler eine nette kleine Stein-Schildkröte für unsere Maskottchen-Sammlung und bekommen noch vier kleine versteinerte Schnecken und Muscheln dazu geschenkt.

Wir schießen eine Menge Fotos vor der Kulisse des Hohen Atlas und Jochen wird von einem Berber, der aussieht wie Peter Maffay (und auch die passende Größe hat), in das Wickeln eines standesgemäßen Turbans unterwiesen. Bei dem Wind, der derzeit bläst, ist der Turban mit vor's Gesicht gezogener Staubbremse ein praktisches Kleidungsstück und das Blau und Gelb eine richtig schicke Farbkombination.

Stiefel und Handschuhe auf einem Heizkörper zum trocknen im Hotel Kasbah Asmaa

Als wir dem Peter Maffay für die launige Fotosession einige Dirham geben wollen, lehnt er mit der Begründung ab, dass er lieber ein Foto hätte. Wir sind erstaunt und positiv gerührt. Denn dies wird das einzige Mal bleiben, dass wir freiwillig etwas zahlen wollen und das Geld abgelehnt wird.

Trinkgelder werden immer gern angenommen und in der Regel auch erwartet. Aber wir werden oft angebettelt oder was besonders nervig ist: wir sollen für Dienstleistungen zahlen, die keiner bestellt hat (Guides!). Auf den Spruch „Gib, was Du willst!“ lassen wir uns nicht ein, denn das was wir geben wollen liegt immer weit unter den Vorstellungen des Marokkaners. In der Vorstellung von Marokkanern sind alle Touristen steinreich - da ist Ärger vorprogrammiert.

Im Restaurant des Hotel Kasbah Asmaa* wird der Kamin angeheizt, während draußen die Sonne versucht, die Fotos, die wir noch schießen, zu einer schönen Farbkomposition werden zu lassen. Aber es weht eine steife Brise und wenn wir zurück zum mittleren Atlas blicken, hängt eine fette, dunkle Wolkenwand darüber. Gottseidank hat jeder von uns einen Elektroheizofen im Zimmer, auf dem wir alle die nassen Stiefel und Handschuhe trocknen.

Erg Chebbi | Fahrt in die Wüste
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