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Motorradtouren Rumänien Transsilvanien Transfăgărășan

Transfăgărășan-Hochstraße

Motorrad fährt zwischen Schneebergen talwärts in einer Kurve auf der Transfăgărășan-Hochstraße

Heute nehmen wir die höchste Straße Rumäniens unter die Räder! Am nächsten Morgen sind wir schon früh abfahrtsbereit, um einen kleinen Temperaturvorsprung zu haben. Es erfordert zwar mehr Ausdauer, doch wir werden versuchen, kleinere Straßen zu fahren, auch mit der Gefahr, dass wir dort ab und zu in badewannengroßen Schlaglöchern versacken, wie auf einem Waschbrett durchgeschüttelt werden oder sogar einen U-Turn vollführen müssen.

Vier meter schnee im Juni

Die kleinen Straßen und kleinen Dörfer abseits der Hauptrouten bieten Einblicke in die ursprüngliche Lebensart der Menschen. An den meisten Ortseingängen ist die Geschwindigkeit auf vierzig Stundenkilometer reduziert.

Wir folgen spontan einem Hinweisschild für ein Kloster in in anderthalb Kilometer Entfernung und folgen der Schotterpiste. Mitten in der Pampa steht eine wunderschön renovierte Kirche. Aber wir stören nicht weiter, denn wir sind nicht die einzigen Besucher. Offensichtlich findet gerade eine Messe statt, aus der Kirche ertönt Gesang und in einem Pavillon trommelt eine schwarz verhüllte Gläubige auf drei aufgehängten Klangbrettern einen wilden Stakkato.

Schließlich biegen wir auf die Transfăgărășan-Straße ein. Endlich. Der Straßenbelag ist anfangs manchmal ziemlich geflickt. In der Ferne schimmern die Karpatengebirgszüge. In Serpentinen windet sich die jetzt glatt asphaltierte Straße den Berg hinauf und erreicht schließlich ein Hochtal oberhalb der Baumgrenze.

Motorrad in Schräglage in einer Kehre der Transfăgărășan

Die längste und höchste Bergkette der Karpaten mit seinen acht Gipfeln über zweitausend Metern Höhe erhebt sich im nördlichen Transilvanien. Die Fogarascher Berge werden sie von den Siebenbürgern genannt. Die spektakuläre Hochgebirgsstraße Transfăgăraşan mit der Straßennummer DN7C wurde in den siebziger Jahren in Angriff genommen. Unter Ceaușescu als Prestigeobjekt von Zwangsarbeitern in Rekordzeit gebaut, verbindet sie nun Transsilvanien im Norden mit der Walachei im Süden. Sie misst neunzig Kilometer, wird im Winter nicht geräumt und ist deshalb oft bis in den Juni hinein gesperrt. In dieser Zeit benutzt man die Straße am Olt entlang, die nur wenige Kilometer weiter westlich dem Flussbett folgt.

Transsilvanische mini-Vampire!
Motorradfahrer steht und wird umschwirrt von Fliegen auf der Transfăgărășan
Am Scheitelpunkt der Transfagarasan beim Gletschersee Balea Lac mit Schnee

Fahrradfahrer quälen sich den Berg hinauf und werden von Heerscharen kleiner, schwarzer Monster verfolgt. Die Armen fahren in einer schwarzen Wolke, die um ihren Oberkörper und den Kopf schwirrt. Auch wir werden von den fliegenden Monsterchen sofort okkupiert, als wir langsam fahren und schließlich anhalten. Es sind vermutlich (Ach was – ganz sicher!!!) diese transilvanischen Mini-Vampire. Die werden nur drei Millimeter groß. Noch nie was davon gehört? Wer's nicht glaubt – wir haben den Fotobeweis!

Vor dem achthundert Meter langen, unbeleuchteten Scheiteltunnel befindet sich der Gletschersee Balea Lac. Er ist einer von insgesamt fünfzig Gletscherseen hier oben. An dieser Stelle Souvenir- und Imbissbuden. Es gibt diesen in Rinden eingewickelten Käse, der eine Spezialität sein soll und den wir gern einmal kosten würden, aber die Laibe sind uns zu riesig. Es ist zehn Uhr und der Rummel hält sich – noch – in Grenzen.

Motorrad fährt unterhalb eines kleinen Wasserfalls bergwärts der Transfăgărășan

Die Straße steigt wieder hinab in den Süden. Nicht mehr so spektakulär und mit weniger Serpintinen als auf der Nordseite aber immer noch herrlich anzuschauen und zu fahren. Zahlreiche Autofahrer sind einfach rausgefahren und machen in der reinen Höhenluft Picknick. Picknicks sind augenscheinlich eines der Hauptfreilufthobbys der Rumänen. Egal, in welchem Landstrich wir uns befinden – wir sehen überall zahlreiche Straßenrandcamper. Die Rumänen parken, wo ein Auto an den Wald- oder Wiesenrand passt und packen eine Decke, Liegestühle und vor allem einen Grill aus. Da stört es nicht, dass die Autos in zwei Meter Entfernung am Grill vorbeirauschen. Nur das Umweltbewusstsein ist dringend verbesserungswürdig. Leere Dosen und Plastikflaschen werden einfach am Straßenrand zurückgelassen.

Ungewöhnliche Verkehrsteilnehmer

Auf der Südseite liegt der Lacul Vidruru, ein dreißig Kilometer langer See. Wir hatten uns eine aussichtsreiche Strecke an diesem See versprochen, bekamen auch eine zwar kurvige Strecke mit mäßigem, weil schon etwas geflickten Asphalt, aber den blaugrünen See ahnt man hinter den Bäumen oft nur. So sparen wir uns den restlichen Weg nach Curtea de Argeş. Wir machen kehrt und fahren die Transfăgăraşan wieder hinauf, um uns im Norden Richtung Braşov und Bran zu wenden. Wo wir nach einem Zimmer schauen wollen.

Motorrad überholt zwei Esel auf der Transfăgărășan

Als wir den Tunnel dann ein zweites Mal durchquert haben und die Passhöhe von 2034 Metern erreichen, ist schon wesentlich mehr los. Überall wild parkende Autos. Auch ein paar Motorradfahrer sind mittlerweile wachgeworden und fanden den Weg nach oben. Besonders bemerkenswert: bei der Abfahrt begegnen uns auf der Fahrbahn drei mutterseelenallein herumspazierende Esel und später noch eine Herde Schafe, die allerdings von einem Schäfer und mehreren Hunden begleitet wird.

"Of course. Romania is a dangerous country."

Unterwegs treffen wir eine Gruppe Braşover Motorradfahrer mit den unterschiedlichsten Motorrädern. Als wir eine kurze Rast machen und sie auch alle auf dem schmalen Parkstreifen stoppen, unterhalten wir uns mit einigen Fahrern. Alle sind perfekt mit Motorradkleidung ausgestattet. Zwei Fahrer tragen zusätzlich eine gelbe Warnweste über die Jacke. Wir fragen einen der Fahrer, ob er immer mit Warnweste fahre. Da meint er: „Of Course. Romania is a dangerous country.“

Auto fährt auf Schneefeld links der Straße zu auf der Transfăgărășan

Ein Autofahrer, der auf diesem Parkplatz gleichfalls eine Pause macht, ist begeistert, Deutsche zutreffen und verwickelt uns in ein Gespräch. Er schwadroniert, wie perfekt es in Deutschland zugehe. Alle Menschen würden fleißig arbeiten oder zur Schule gehen, würden ihren Hof und das Umfeld sauber halten, keiner schmisse seinen Müll in die Wälder. Alles wäre so sauber und geregelt. Und in Rumänien gäbe es nichts davon. Sein Großvater wäre ein Deutscher gewesen und er hätte wohl einiges von dem Reinlichkeitsgenen des Deutschen geerbt.

Zugegeben: den Müll kann man nirgends übersehen. Leere Verpackungen, Coladosen, Flaschen – was man nicht mehr braucht, wirft man weg. Einfach in die Botanik. Grundstückbesitzer betreiben oft eine eigene kleine Müllverbrennungsanlage. Wir sind während unserer Rumänienreise einmal ein bisschen neugierig und schauen nach, wohin eine Dame mit der Schubkarre verschwindet, in der ein grauer Müllsack liegt. Der Trampelpfad führt zu einem Feuerplatz außerhalb des Grundstücks, drei Säcke warten dort schon wieder auf die Müllbeseitigung ...

Bran | Trötzburg
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