Motorradtouren Rumänien Transsilvanien Bran | Törzburg

Bran | Törzburg

Blick auf die mächtige Burg Bran

Vom siebenbürgischen Cisnădioara / Michelsberg ausgehend haben wir uns tagsüber mit der gigantischen Transfăgărășan vergnügt. Nächstes Ziel ist Bran, das legendäre Städtchen mit angeblicher Draculavergangenheit. Dorthin gelangen wir über kleine Straßen im Hinterland. Vor allem die Strecke, die aus Richtung Braşov nach Bran führt, ist wunderschön zu fahren. Hoch auf einem steilen Felsen wacht die im 14. Jahrhundert gebaute Burg Bran schließlich über die zu ihren Füßen liegende Schlucht. Der erste Eindruck von der Landschaft ist vielversprechend. Die Souvenirbuden um die Burg denken wir uns einfach mal weg. Und die zahlreichen Touristen und Gruppen auch. Die Burg Bran (auch als Törzburg bezeichnet) ist als das Sinnbild des Draculaschlosses bekannt geworden und wurde zur Abwehr gegen die Türken erbaut. Auch wir wollen uns diese umstrittene Touristenattraktion nicht entgehen lassen – und sei es auch nur, um uns über den Souvenirkitsch aufzuregen.

"Hai cu mine!"

Wir sondieren die Bettenlage in Bran. Ein Zimmer in Laufweite zur Burg wäre nach unserem Geschmack. Das Angebot ist riesig: von drei Kilometern bis dreihundert Metern Entfernung zur Burg ist alles möglich. Wir fahren eine breite Auffahrt zur Pension „Popasul Reginei“ hinein und nehmen das Zimmer mit einem fahnengeschmückten Balkon, von dem aus noch ein kleines Zipfelchen Burg zu sehen ist. Inmitten einer Pensions- und Restaurantmannschaft, die vorwiegend rumänisch und nur ganz wenig englisch spricht, schlagen wir uns mehr oder weniger wacker.

Die wichtigsten Floskeln habe ich auf einem Zettel in rumänisch, in deutsch sowie – ganz wichtig – in der korrekten rumänischen Aussprache notiert und versuche mich damit gelegentlich in rumänisch verständlich zu machen. Es gelingt nur mit wechselndem Erfolg. Die ältere Angestellte, die uns das Zimmer zeigt, ist eine ganz Nette. Sie packt mich am Arm, als ich sie mit aufgerissenen Augen und leicht dümmlichem Gesichtsausdruck anschaue. Und leider nichts verstehe. „Hai cu mine!“ Danke, Kollegin Elisabeth! Dank dir verstehe ich, was sie sagt: „Komm mit mir!“ Wer übrigens in einem Hotel mit WLAN nach dem WLAN-Schlüssel fragen will – das heißt „Parola“!

Verkäuferin steht vor einer Holzhütte in Bran

Bei der Besichtigung des Zimmers hat die "Führerin" wohl die Eigenarten der Türen gekonnt überspielt. So merken wir erst während unserer Wohnphase, dass die Schreiner in diesem Zimmer wohl gerade noch zu Beginn der Umschulungsphase vom Metzger zum Schreiner waren. Die Balkontür lässt sich nur mit einem die ganze Pension weckenden Kraaatsch-Schepper-Krawumm öffnen und schließen. Die Zimmertür kann nur geschlossen werden, wenn man die Klinke während des Schließvorgangs dauerhaft gedrückt hält (weil sonst der Schnapper den Türrahmen aushöhlt), doch den Vogel schießt die Badtür ab.

Jochen bricht nach einem ersten Badezimmerbesuch weinend hinter der Tür zusammen, weil er sie nicht wieder aufbekommt. (Natürlich hat er nicht geweint, aber eine Ewigkeit mit der sich wehrenden Tür gekämpft...) Er gibt nach seinem glorreichen Sieg die schizophrene Parole aus: Man muss die Klinke runterdrücken und gleichzeitig hochziehen ... Männliche Parolen. Rumänische Türen. Beide zusammen sind der reinste Wahnsinn. Aber es funktioniert. Aber jederzeit gerne wieder. Hier hat man wenigstens danach was zu erzählen!

Blick in den Innenhof von Schloss Bran

Es gewittert! Wenn uns bisher der liebe Petrus aus einer Gieskanne betröppelt hatte – heute schüttet er Badewannen über uns aus! Vermutlich können wir unsere geplante Vormittagstour canceln.

Unser Frühstück fällt etwas eintönig aus. Wir bekommen Butter, Brot, pro Person zwei Scheiben Käse und ein Schälchen mit eigenartiger, aber sehr leckerer Konfitüre vorgesetzt. Die Konfitüre besteht aus ganzen Früchten in einem dicken Sirup und sie schmeckt wie eine Mischung aus Pflaumenmus und kandierten Kirschen. Da die junge Dame im Restaurant nur Rumänisch spricht und wir das Wörterbuch nicht parat haben, fragen wir nicht nach weiteren Frühstückszutaten, nur nach dem Namen der leckeren Konfitüre. Irgendwas mit Visnica, gesprochen Wischnitza. Unser Wörterbuch gibt zwar zu diesem Namen nichts her, nur einen Weichselkirschschnaps mit phonetischer Ähnlichkeit. So vermuten wir eine Weichselkirschkonfitüre.

Rumänisches frühstück? Auflösung folgt

Wir wundern uns etwas über dieses doch recht karge Frühstück. Zwei Scheiben Käse pro Person finden wir arg knausrig. Viele Tage später werden wir dann hinter die Systematik und unsere Verfahrensfehler kommen, weswegen wir mit so spärlicher Kost bedient wurden...

Bei dem Wort Transsilvanien, wie diese Region offiziell heißt, ist sofort die Assoziation mit Graf Dracula präsent. Jeder Durchschnittsgebildete kann damit etwas anfangen. Ein steingewordenes Klischee. Bran ist das beste Beispiel von perfekt genutztem und gewinnbringend ausgebautem Touristeninteresse. Die schaudernden Draculaliebhaber pilgern in Scharen nach Transsilvanien.

Portraitzeichnung von Vlad Tepes auf Burg Bran
Kreuz am Eingang zur Burg Bran

Seit Bram Stokers Roman „Dracula“ ist die transilvanische Törzburg (oder Burg Bran) das Sinnbild für alle Dracula-Schlösser schlechthin. Wenn man etwas so oft beschreibt, zitiert, verfilmt, wird es für die Menschen Wahrheit. Mitte des 20. Jahrhunderts brachte noch niemand die Burg mit Vampiren in Verbindung, dabei lag Bram Stokers berühmter Roman damals schon lange in den Buchläden. Der Schriftsteller war nie in Transsilvanien gewesen, er nennt keine Ortsnamen und die schaurige Burg, die er schildert, entsprang einzig seiner Phantasie.

Als das Land sich in den siebziger Jahren für westliche Touristen öffnete, bemerkten Ceaușescus Kulturfunktionäre, dass Touristen vor allem eines anziehend fanden: den Dracula-Mythos. Und weil die herrlich verwinkelte Burg auf ihrem steilen Felsen Stokers Phantasieschloss ähnelte, wurde sie kurzerhand zur devisenbringenden »Original-Dracula-Burg« erklärt. Wenn man etwas so oft beschreibt, zitiert, verfilmt, wird es für die Menschen Wahrheit. Die Menschen glauben an diese Burg und alle Dracula- und Finsterne-Welten-Fans pilgern im Sommer zu Hunderten und Tausenden zu der kleinen Karpatenburg.

Seitdem ist die transilvanische Törzburg (oder Burg Bran) das Sinnbild für alle Dracula-Schlösser schlechthin. Das Dumme ist nur: die siebenundzwanzig Kilometer südlich von Brașov liegende Burg kann weder mit der Romanfigur Dracula noch mit dem historisch belegten Vlad Țepeș (sprich: Vlad Zepesch, oder auch Vlad der Pfähler) in Verbindung gebracht werden. Ob die 1377 erstmals erwähnte Burg den grausamen Herrscher Vlad Țepeș jemals beherbergte ist ungewiss. Von "nie" bis "maximal drei Tage" reichen die Aussagen der Geschichtsschreiber.

Dracula lebt. in den verkaufsbuden.

Nichtsdestotrotz ist die verwinkelte Burg eine Besichtigung wert. Allerdings muss man sich damit abfinden, dass man auf verwinkelten Pfaden in die Wohnwelt der rumänischen Königin Maria eindringt und nicht mit grausligen Details aus der Historie Vlad Țepeș' geschreckt wird.

Innenhof mit Ziehbrunnen und Touristen von Burg Bran

1920 wurde die Burg der rumänischen Königin Maria geschenkt und heute besitzt sie einer ihrer Enkel, nachdem sie zwischendurch von Ceaușescu enteignet und 2006 wieder in Adelsbesitz an den in New York lebenden Dominic Habsburg, einem Sohn der rumänischen Königstochter Ileana und des österreichischen Erzherzogs Anton Habsburg-Lothringen, zurückgegeben wurde. Der Habsburger wollte das Gemäuer jedoch 2007 wieder loswerden und das Gefeilsche ging durch alle Gazetten. Er soll es dem rumänischen Staat für 60 bis 70 Millionen Euro angeboten haben. Aber der Staat will es nicht. Schon seit Jahren nicht. Im Jahr 2015 berichtete die Financial Times, dass das Schloss wohl nun für fünfzehn Millionen Euro zu haben wäre.

Gruselkabinetts und Folterkammern sucht man in der Burg vergebens. Allerdings ist unweit der Burg sowas wie ein Gruselkabinett für Touristen installiert, aus dem die spitzen Schreie der pubertierenden Besucherinnen bis in die Burg herüberschallen. Wem dieser Grusel nicht reicht, kann sich an den Souvenirbuden mit Draculabierkrügen und ebensolchen T-Shirts weitere Gänsehaut verschaffen.

Blick auf Kirche in den Straßen von Bran und Tagelöhner sitzen am Straßenrand

Wenn man sich die Souvenirbuden wegdenkt, herrscht in der Stadt jedoch ein normales Alltagsleben. Pferdewagen bremsen die Autofahrer aus. Alte Omas schleppen ihre Einkäufe nach Hause. Junge Männer holen in der ortansässigen Kneipe Nachschub an selbstgebrannten Țuică in Zweiliterflaschen, nicht ohne bei der Übergabe vor der Kneipe einen kräftigen Schluck zur Qualitätskontrolle zu nehmen. An einer Kreuzung langweilen sich eine Menge Männer im arbeitsfähigen Alter. Sie sitzen auf der Straße, mit den Beinen im betonierten Straßengraben. Erst dachten wir, sie möchten ihre Sensen verkaufen, die hinter ihnen am Zaun lehnen. Aber dann wird uns klar, dass es sich um die rumänische Variante eines Jobcenters handeln muss: die Männer bieten sich inclusive ihres Arbeitswerkzeugs als Hilfe bei der Heuernte an.

Frau steht vor altem Holzhaus mit Treppen vor der Tür im Freiluftmuseum in Bran

In direkter Nachbarschaft zur Burg befindet sich ein Freilichtmuseum mit alten rumänischen Holzhäusern. Die Häuser machen einen lieblosen, dahingepflasterten Eindruck. Hier setzte man ein paar alte Holzhäuser in die Landschaft, stellte in die letzten zwei Häuser des Rundgangs je ein Bett und ein paar Alltagsgegenstände hinein und verkauft das zu acht Lei pro Person als Freilichtmuseum. Solche Häuser sehen wir auf unserer Rumänienrundtour zu Hunderten – warum zahlen wir hier Eintritt?

Bran-Pass
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