Motorradtouren Rumänien Wassertalbahn

Die Wassertalbahn in den Maramureş |
Ein Schmankerl für "Ferrosexuelle"

Wassertalbahn fährt entlang eines Flußes

Im Valea Vaser, dem Wassertal, existiert keine Straße – nur die Bahn teilt sich den Platz mit dem Flüsschen Vaser. Die Bahn mit einer Spurweite von 76 Zentimetern ist eine der letzten Waldbahnen Europas, eventuell sogar die letzte der Welt, die mit Dampf betrieben wird.

Ihr Zweck ist es, die Holzstämme aus den dichten Wäldern der nördlichen Maramureș, die auch Waldkarpaten genannt werden, abzutransportieren und zu den Sägewerken zu bringen. Der Bahnhof in Vişeu de Sus ist nicht einfach zu finden. Hinweisschilder existieren nicht. Wohl dem, der ein Navi besitzt: in Google Earth hatten wir uns vorher schlau gemacht und die GPS-Koordinaten gespeichert.

Kräftige Zugmaschinen ziehen Baumstämme aus dem Fluss

Die Nutzung des Holzreichtums im Wassertal begann Anfang des 18. Jahrhunderts unter der Herrschaft von Österreich-Ungarn. Damals wurde das Holz von deutschsprachigen Siedlern in den dichten Waldkarpaten geschlagen und hinunter nach Vișeu de Sus in die Sägewerke geflößt. 1932 begann man mit dem Bau der Waldbahn, die gegenüber der Flößerei einen enormen technischen Fortschritt bedeutete. Waldbahnen waren damals in Europa weit verbreitet, besonders im Karpatenraum. Man baute die Bahn mit sehr schmaler, in Österreich-Ungarn üblicher Schmalspurweite, um notfalls mit engen Kurvenradien den Wasserläufen folgen zu können.

Heizer der Wassertalbahn Mocanita legt Holz nach in die Lok

Seit dem Jahr 2000 bekommt die Wassertalbahn Hilfe aus dem Ausland: aus der Schweiz von Michael Schneeberger, der den Verein "Hilfe für die Wassertalbahn". Mit schweizerischer Hilfe wurden Dampfloks wieder zum Leben erweckt, neue (alte) Personenwagen angeschafft, das Lokomotivdepot und das historische Bahnhofsgebäude restauriert. Rund um den Bahnhof in Vișeu de Sus entsteht eine kleine touristische Infostruktur. Mittlerweile hat Michael Schneeberger Unterstützung bekommen, Brigitte und ihr Mann aus der Schweiz haben im Sommer ihren Wohnsitz nach Rumänien verlegt und helfen mit, den Tourismus anzukurbeln und damit die Bahn weiter restaurieren zu können.

Die Waldbahn ist bei den "Ferrosexuellen", wie Michael Schneeberger sich und die Liebhaber von dampfbetriebenen Zügen nennt, weithin berühmt. Stellt sie doch ein bedrohtes Denkmal in Europa dar, das unterzugehen droht, wenn nicht weiterhin Schützenhilfe geboten wird. Letztes Jahr drehte ARTE eine interessante Dokumentation und porträtierte darin auch Michael Schneeberger als einen äußerst zupackenden Helfer in der Not. Der Schweizer hatte seinen Wohnsitz schließlich ganz nach Rumänien verlegt (allerdings zog er sich aus dem Verein nun wieder zurück).

Das Bahnhofsgebäude der Wassertalbahn

Der Bahnhof in Vișeu de Sus ist nicht einfach zu finden. Hinweisschilder gibt es nicht. Wohl dem, der ein Navi hat: In Google Earth hatten wir uns vorher schlau gemacht und die GPS-Koordinaten gespeichert. Wer danach fragen will, wird mit dem Begriff "Mocanita" (gesprochen Mokanitza), wie man die Bahn hier nennt, wohl am ehesten eine Antwort bekommen.

Kleine Wohnhäuschen flankieren die Straße. Den obligatorischen, wassergefüllten Schlaglöchern ausweichend, an dem Betriebsgelände eines holzverarbeitenden Betriebs vorbei, erreichen wir schließlich eine Einfahrt, nach dessen Tor man sofort Gleise überquert und vor einem mit rumänischer und Schweizer Flagge geschmückten Gebäude landet, in dem sich ein Fahrkartenbüro befindet.

Blick auf Hängebrücke aus der Wassertalbahn im Tal der Vaser

Der Zug besteht aus einer Dampflok, einem Güterwaggon, in dem sich die Schweizer Aufbauhelferin Brigitte und ihr Grillzubehör für die Mittagspause befinden, zwei offenen Waggons (diese typischen Touristenschaukeln), zwei Waggons mit gepolsterten Sitzen und einem original rumänischem Waggon in der Holzklasse. Wir entscheiden uns für die originelle Holzklasse und teilen sie mit nur zehn anderen Reisenden.

Ein lautes Pfeifen ertönt. Ächzend, knarzend und hin und her schwankend nimmt er Fahrt auf. Die kleine Lok vollführt artistische Schaukelbewegungen auf den windschiefen Gleisen. Die schließlich auch wir im Waggon nachahmen. Kein Wunder: Die Gleise stammen zum großen Teil noch aus den Jahren 1886 bis 1898.

Blick auf Metallbrücke der Wassertalbahn

Nach drei Kilometern passieren wir das letzte Haus im Wassertal. Je weiter man ins Tal vordringt, um so kleiner werden die Häuschen. Autos sind meist nicht zu sehen, wir fragen uns, ob die Bewohner zu Fuß ihre Einkäufe erledigen. Ein vom Regen schmieriger, ausgewaschener Weg führt bis zum allerletzten Haus. Ein „Pensiune“-Schild verkündet, dass man in diesem Haus übernachten kann. Da sollte man aber ein geländegängiges Fahrzeug haben, um bis zu dieser Pension vorzudringen. Vorausgesetzt, dass man sie findet, dort draußen.

Die Lok stößt nicht nur eine Menge Rauch aus, sie versprüht auch wie ein kleiner Vulkan Tausende grobe Aschepartikelchen. Ehe wir uns versehen, haben wir Asche auf dem Haupt und schwarze Kriegsbemalung im Gesicht. Die kleinen Brücken, auf denen das Bähnchen die Vaser überquert, haben noch großen Reparaturbedarf, da werden die rumänischen Aufbauhelfer und Schlosser noch einiges tun müssen. Und bis dahin kommt der deutsche TÜV besser nicht vorbei.

Erst gestern ist der Touristenzug
wieder mal entgleist

Das Bähnchen hat die ersten drei Kilometer geschafft; nun besteht das Tal nur noch aus dem breiten Flussbett und einem winzigen Streifen, auf dem sich die Gleise befinden. Nach einer dreiviertel Stunde muss zum ersten Mal Holz nachgelegt werden. Zehn Minuten Füße vertreten. Besonders schlecht zu Fuß darf man nicht sein, denn es gibt nur zwei Stufen zum Ein- und Aussteigen: die unterste liegt 60 bis 70 Zentimeter über dem Boden.

Ein ehemaliger Polizeibus, dessen Unterbau wie bei einer Draisine für den Schienenbetrieb umgebaut wurde

In Paltin weitet sich das Tal zu einem gekiesten Platz. Hier wartet ein grün-weißer Kleinbus darauf, dass die eingleisige Strecke frei wird. Der Kleinbus hat keine luftbereifte Räder mehr, sondern Eisenbahnräder - er wurde zum originellen Schienenfahrzeug umgebaut und bringt als Schienentaxi einzelne Arbeiter ins Tal.

Brigitte ist vor vier Jahren zum ersten Mal hier gewesen. Weitere Besuche folgten. Mittlerweile hat sie sich jeweils für den Sommer mit ihrem Mann in Vişeu de Sus niedergelassen und ein Haus gemietet, um für die Wassertalbahn zu arbeiten und mitzuhelfen, sie zu erhalten.

Blick aus der Wassertalbahn Mocanita die entlang der Vaser fährt

„Erst gestern ist der Zug wieder mal entgleist“, erzählt Brigitte völlig unaufgeregt. Es hätte gequietscht, da hätte sie noch denken wollen, dass der Zug vielleicht ... aber da wäre es schon geschehen und zwei Waggons hoppelten neben den Schienen. Aber das wäre absolut kein Beinbruch, mit dem entsprechenden Werkzeug und Hilfsmitteln, die man immer dabei habe, wäre der Zug nach zwanzig Minuten wieder fahrbereit gewesen. Ach, deshalb hängt der Lokführer die ganze Zeit mit dem Oberkörper aus dem Fenster und beobachtet die Gleise ...

In der Nähe der Gleise hat man zahlreiche Picknickgarnituren aufgestellt, so dass alle Passagiere bequem Pause machen können. Zwei Plumpsklos sind vorhanden und für den, der keine Fliegen mag, genügend Bäume. Die aber dann in ziemlich steilen Terrain. Hier ist die Strecke ein kleines Stück zweigleisig und auf dem zweiten Gleis steht ein ehemaliger Polizeibus, dessen Unterbau wie bei einer Draisine für den Schienenbetrieb umgebaut wurde. Nach anderthalber Stunde brechen wir die Zelte wieder ab. Alle Passagiere werden durch heftiges Pfeifen wieder in den Zug befohlen.

Hochwasserkatastrophe im Wassertal

Bei dieser Gelegenheit erzählt uns Brigitte von der Hochwasserkatastrophe im Wassertal, bei der Gleisabschnitte ganz unter Wasser gesetzt wurde und ein Teil der Gleise fortgespült wurden. Am 26.07.2008 stieg die Vaser durch sintflutartigen Regen, der mehrere Stunden anhielt, dramatisch an und zerstörte sechzig Prozent der Wassertalbahnstrecke.

Von den Wassern eingeschlossen wurde ein Touristenzug, der unterwegs in Wasser und Geröll steckenblieb. Man evakuierte die Touristen und brachte sie in umliegende Cabanas (Berghütten). Man erinnere sich – Straßen führen aus diesem Gebiet nicht heraus. Drei Züge sind unterwegs eingeschlossen worden und verbleiben wegen der zahlreichen Streckenunterbrüchen in den Bergen. Es hat sich ein Schweizer Verein gegründet, ursprünglich zum Erhalt der Wassertalbahn. Heute kümmert sich der Verein auch um andere Dampfzüge in verschiedenen Ländern Osteuropas: www.ostgleis.ch.

Zwei mit Kopftuch gekleidete Frauen winken den Fahrgästen zu
Marktfrau zeigt zwei Finger in die Höhe im Markt in Vișeu de Sus
Fischer mit Angel auf dem Markt in Vișeu de Sus

Bei einem weiteren Halt stellen sich alle Passagiere an einer Holzhütte an. Dort verkaufen zwei Frauen köstliche, schmalzgebackene Gebäckteilchen mit oder ohne Käsefüllung (ähnlich Papanash). Beim Bergabfahren benötigt unser Waggon einen Bremser, wie es ihn auf den Holztransporten auf jedem Waggon gibt. Der uniformierte Zugbegleiter steht auf der Plattform an einer Kurbel und folgt einem unergründlichen System. Vermutlich weiß er, an welcher Stelle er wieviele Umdrehungen zudrehen muss, wenn die Abfahrt steiler wird.

Nach Ankunft in Viseu hätten wir noch Bildungsbedarf und würden uns gern etwas mit der Geschichte der Zipser beschäftigen. Das „Deutsche Forum“ bietet Informationen über diese Volksgruppe an. Es soll da ein Café geben. Also fahren wir hin, finden eine „Begegnungsstätte“ mit Café. Die Kellnerin spricht jedoch nicht mit uns. Sie blickt uns mit großen Augen an, während wir vor ihren Augen Fruchtbarkeitstänze aufführen ... unsere Kontaktaufnahmen fruchten in keiner Sprache. Ist wohl die Schwester der jungen Kellnerin in unserer Pension. Wie diese bringt sie kein Lächeln über die Lippen. Kuckt mit großen Augen. Spricht kein einziges Wort. Nicht mal in Rumänisch. Begegnungsstätte der Zipser – die Deutsch sprechen. Aber nicht mit uns?

Pope sitzt auf Geländer und schaut auf sein Smartphone in Vișeu de Sus

Wir schlendern über den Markt, dessen Stände jetzt schon großteils wieder leergeräumt sind. Nachdem an einem Stand eine große Tüte Walnüsse auf dem Tisch steht, versuche ich der alten Frau mit zwei aufgehaltenen Händen zu erklären, dass ich gern zwei Handvoll Nüsse kaufen möchte. Sie offeriert mir erst eine Riesentüte, wohl ein ganzes Kilo. Meine pantomimischen Einlagen werden einigermaßen ratlos beobachtet. Vermutlich kauft man Nüsse hier nur in Kilo-Portionen. Schließlich erinnert sie sich dann aber noch an einen schon eingepackten Rest und verkauft mir diesen für zwei Lei. Ihre zwei hochgereckten Finger deuten mir den Kaufpreis. Das ist fast geschenkt.

An einem anderen Stand werden Musik-CDs verkauft. Die Kartons, in denen die CDs stecken, sind gewiss schon zwanzig Jahre alt und sehen ordentlich zerknautscht aus. Ob die CDs gebraucht sind? Die Cover-Hüllen sehen schon ziemlich mitgenommen aus. Ein Rumäne mit Reitgerte und typischer Kopfbedeckung, dem Strohhut der Waldkarpaten, besucht seinen Freund am Verkaufsstand und posiert bereitwillig vor unserer Kamera. Ein stattlicher Mann ganz in Schwarz mit einem breitkrempigen schwarzen Hut schlendert an den Ständen entlang. Ist es ein Zigeuner? Oder eher ein Ungarischstämmiger? Wir wissen es nicht, aber letzteres erscheint uns naheliegender. An der Brücke sitzt ein Pope in schwarzer Kluft. Er segnet die Vorbeigehenden. Gelegentlich greift er in seine Kutte und checkt sein Handy.

Fahrt durch das Iza-Tal
detailansicht