Motorradtouren Rumänien Vișeu de Sus

Vișeu de Sus | Tor zum Wassertal

Bushäuschen an der Straße weiß und rot lackiert mit goldenen Spitzen Gauben

Als wir aufpacken wollen, fängt es an zu schütten. Badewannenfüllungen über Durau. Petrus straft uns, weil wir zu laut kundtaten, dass uns 38°C während der ersten Tourtage viel zu viel wären. Uns kann man aber auch nix Recht machen.

Die Fahrt an der Bistrița ist wunderschön. Wir folgen dem Fluss und überqueren ihn viele Male. Gekachelte und mit Ornamenten bemalte, fröhlich bunte Häuser säumen die Straße. Selbst Bushäuschen zeugen von einer einmaligen Tradition Rumäniens.

Angler steht auf Hängebrücke über die Bistritz und angelt

Zahlreiche schmale Hängebrücken überspannen den Fluss. Nicht alle sind in einem Zustand, dass man beschwingten Fußes auf die andere Seite wandern möchte. Aber die Rumänen sind einiges gewöhnt, fehlende Bretter in der Lauffläche? Was soll’s, solange man die nächsten Bretter erreichen kann ... Für die ersten hundert Kilometer von Durau in Richtung Maramureș benötigen wir drei Stunden Fahrtzeit. Selbst wenn wir das Bistritz-Tal verlassen wollten – wir hätten laut unserer Karte nur dreimal auf holprigen Schotterpisten Gelegenheit dazu.

sechs stunden fahrtzeit für 240 Kilometer
incl. prislop-pass
Motorradfahrer mit gelber Warnweste steht an Leitplanke und blickt hinunter ins bewaldete Tal
Kaputte und verrostete Leitplanke im Detail

Die Straße von Campulung Moldovenesc bis Vișeu de Sus ist in einem miserablen Zustand. Aber das muss man eigentlich nicht erwähnen – wir sind in Romania! Heben wir also die drei Kilometer hervor, die frischgeteert und glatt wie ein Babypopo sind! Und autobahnbreit ausgebaut auf 40 km/h limitiert sind. Das versteh' wer wolle.

Nochmals drei Stunden Fahrtzeit benötigen wir für die restlichen hundertzwanzig Kilometer bis Vişeu de Sus. Dabei überqueren wir zum ersten Mal den Prislop-Pass. Wir hatten ihn uns anders vorgestellt. Großartiger. Der Pass ist 1416 Meter hoch und der Straßenbelag in keinem guten Zustand. Trotz des zweitausend Meter hohen Rodna-Gebirges erscheint uns der Pass nicht wie ein Highlight. Wobei es durchaus sein kann, dass das Ganze bei Sonnenschein freundlicher aussieht. Im Regen empfinden wir ihn ein wenig trostlos.

Schließlich erreichen wir Vişeu de Sus. Über Google Earth hatten wir uns die GPS-Koordinaten des Wassertalbahnhofs schon zu Hause herausgesucht. Vor drei Jahren sahen wir eine Fernsehreportage über die Wassertalbahn. Sie berichtete vom harten Leben im Wassertal, in das keine Straße führt; von dem Tal, das sich nur der Fluss Vaser mit der dampfbetriebenen Wassertalbahn teilt. Mit dieser Bahn wird Holz aus dem waldreichen Gebiet nach Vişeu de Sus gebracht.

Ein schmankerl für Ferrosexuelle
Lokführer schaut aus Führerhaus einer Lok im Bahnhof der Wassertalbahn

Auf jedem der Waggons gibt es einen Bremser, der bergab an einer Kurbel steht, mit der er die Bremsen bedient und damit seinen Waggon abbremst. Ein Knochenjob. Mit offenen Mündern saßen wir vor dem Fernsehgerät und bestaunten das Relikt aus dem vorletzten Jahrhundert. Wir hätten nie gedacht, dass wir einmal selbst an diesem Holzbahnhof stehen könnten. Umso erhebender ist das Gefühl, als wir das erste Mal die Gleise der Wassertalbahn überqueren und vor dem Bahnhofsgebäude unser Motorrad abstellen.

Holztransport auf Wagons im Bahnhof der Wassertalbahn

Am Bahnhof wird eine kleine Servicestation betrieben, wo man was zu trinken bekommt, und wir lassen uns kurz nieder. Eine große Wasserschlauchtrommel verleitet uns dazu, zu fragen, ob wir mit dem Gartenschlauch unsere Hosen und Koffer in einen gesellschaftsfähigen Zustand versetzen dürften. Wir dürfen. Eigentlich könnten wir den Bahnhof nun verlassen, wenn da nicht gerade einer der Holzzüge eingefahren wäre und die Ausfahrt blockiert. Die ersten Holzwaggonbremser live. Morgen früh werden wir erneut hier stehen und zwei Tickets für die Fahrt erstehen.

Motorrad fährt durch Vişeu de Sus

Wir suchen eine Pension Nagy*, die, wie wir wissen, im Zipser Viertel liegt. Das Zipser Viertel beginnt nach einer Brücke, das ist uns bekannt und macht unsere Suche einfacher. Lange müssen wir nicht suchen, denn schon auf der Hauptstraße sehen wir das erste Hinweisschild. Mit lückenloser, wir würden sagen, typisch deutscher Ausschilderung, finden wir die Pension ganz im letzten Winkel des Zipser Viertels. Dieses Haus auszuschildern ist die einzige Möglichkeit, dass jemand es findet. Vorher werden die Stoßdämpfer auf der ungeteerten Straße einer harten Prüfung unterzogen und neun von zehn Zimmersuchenden hätten vorher sicher gewendet.

Pension mit massageliege & Nasenkorrektur
Motorradfahrer steht im Hof der Pension Nagy im Zipser Viertel und unterhält sich mit Pensionsbesitzer

Die Pension Nagy* wirbt damit, dass sie auch Sauna und Massage anbietet. Da meine Rückenbeschwerden zwar besser, aber nicht verschwunden sind, ordern wir beides für den Abend. Perfekt. Nur die Selbstbau-Massageliege lässt dummerweise kein vollkommenes Abtauchen in Wellness-Sphären zu. Man nehme ein zwei Meter langes und sechzig Zentimeter breites Brett. In Kopfhöhe schneide man ein ovales Loch in die zukünftige Liege. Eine Polsterung um das Gesichts-oval ist nicht vorgesehen und wird also nicht angebracht. Man lege über das Brett einen Hauch Schaumstoff – für normal gebaute Menschen reichen fünf Millimeter – und beziehe das Ganze mit blauer Folie. Damit das Gesicht nicht zu entspannt in das Loch sackt, spanne man auf der Unterseite des Loches straff Mückengaze. Die Betonung liegt auf straff. So trainiert man gleichzeitig die Nackenmuskulatur, um den Kopf in der Schwebe zu halten. Andernfalls drückt man sich die Nase an der Gaze schief. Der Preis für eine Stunde Massage von einer professionellen Masseurin ist allerdings so unschlagbar, dass der deformierte Riechzinken gern in Kauf genommen wird.

Wassertalbahn
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