Motorradtouren Rumänien Sighetu Marmației

Sighetu Marmației

Blick auf ein Denkmal mit stehenden, die Arme in den Himmel streckende Statuen im Museum Sighetu Marmatiei

Unser heutiges Tagesziel ist Sighetu Marmației, oder einfach nur kurz Sighet. Diese Stadt liegt am Grenzfluss Tisa (Theiss) zur Ukraine. Eine Brücke dient als Grenzübergang.

Sighet war früher die Hauptstadt der Maramureş, bevor die Nord-Maramureş 1939 der Sowjetunion und damit der heutigen Ukraine zugesprochen wurden. Hier suchen wir das ehemalige Gefängnis. Dieses ist heutzutage eine Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und des antikommunistischen Widerstands in Rumänien. Es ist mit dem Begriff "Memorialul Victimelor Comunismului si al Rezistentei" ausgeschildert.

Museum mit Lindwurmnamen

Als wir uns trotzdem verfranzt haben (weil es noch andere "Memorials" gibt ...) und anhalten, spricht uns ein alter Mann an. Ich halte ihm den Reiseführer mit der Lindwurm-Bezeichnung des Gefängnisses unter die Nase, denn auszusprechen traue ich mich dieses Wortkonstrukt nicht. Wir erfassen seine Ausführungen insoweit, dass wir rechts abbiegen müssen und es danach geradeaus weitergeht.

Mit erwartungsvollem Blick hält für seine Dienstleistung die Hand auf, wir geben ihm einen Obulus und er ist zufrieden. Hinter einer kleinen, blauen, unscheinbaren Eingangstür in einem riesigen Gebäude erwartet uns eine ältliche Mitarbeiterin mit kräftigen Augenbrauen und dunkel gefärbten Haaren, die wir uns in entsprechend strenger Kluft gut als Wärterin dieses Hauses vorstellen können.

Schwere Holztür mit Schloss im Gefängnis von Sighetu Marmatiei

Das 1897 von den österreichisch-ungarischen Behörden als Gefängnis erbaute Gebäude wurde 1948 vom kommunistischen Regime zum politischen Gefängnis umgewandelt. Bis zum Ende des kommunistischen Regimes 1989 war es wegen der besonders strengen Haftbedingungen gefürchtet.

Alle Zellen des Gefängnisses enthalten Ausstellungsstücke zu den politischen Geschehnissen der Zeit nach 1945, als man unliebsame Bürger und politisch Andersdenkende unter unmenschlichen Bedingungen hinter Gittern verschwinden ließ. Keine Heizung, so gut wie nichts zu essen (wenn ich mich nicht verlesen habe, lag die Tagesration teilweise bei nur 150 kcal) und eine schikanöse Behandlung durch das Wachpersonal – kein Wunder, dass ein Viertel der Insassen während der Haft starben.

Metall-Bettgestelle ohne Matratzen im Schlafsaal im Gefängnis Sighetu Marmatiei

Wer nicht parierte, wurde in die Dunkelzelle gesperrt oder stehend in einer leeren Zelle angekettet. Die Eisenbetten mit Strohmatratzen, die ärmlichen Utensilien, die tausendfach gestopften, genähten Kleidungsstücke zeugen von unmenschlichen Haftbedingungen. Neben uns steht ein sichtlich ergriffenes Paar. Dem jungen Mann laufen beim Betrachten dieser entsetzlichen Zeugnisse Tränen über die Wangen.

Die Haftanstalt galt als "spezielle Arbeitseinheit", bekannt unter dem Namen "Donaukolonie". Aber in Wirklichkeit war sie ein Ausrottungslager der "Elite des Landes", liest man auf der offiziellen Website der Gedenkstätte in Sighet. Hier internierte man Bischöfe, Parteiführer, Andersdenkende oder mutmaßlich Andersdenkende. Für den Rundgang erhält man ein Arbeitsheft in Deutsch, das die einzelnen Ausstellungsräume einzeln erklärt. Jede Zelle ist einem bestimmten Thema der kommunistischen Ära gewidmet – und es gibt sehr viele auf drei Stockwerken! An einer Rampe im Hof sind achttausend Namen eingraviert, alle, die hier in Haft umkamen.

Săpânța | Der Fröhliche Friedhof
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