Motorradtouren Türkei Rundtour Kappadokien

Kappadokien | ein durchlöchertes Wunderwerk von Mutter Natur

Blick auf Wohntürme in Kappadokien

Abends treffen wir in Göreme ein. Als wir oberhalb Göremes in den Hügeln stehen und auf das Tal hinunterblicken – wie im Märchen! Diese Landschaft ist nicht wirklich! Wir fahren über zwei, drei gepflasterte Serpentinen hinunter ins zentralanatolische Märchen. An der Hauptstraße halten wir kurz an, um den Weg zu einer bestimmten Unterkunft zu erfragen.

Sofort kommen zwei Leute auf uns zu, die, jeder für sich, zu berichten wissen, welches Hotel hier das schönste wäre. Wir gehen nicht darauf ein. Wir wissen, wohin wir wollen. Und zwar zum Kemals Guesthouse*, in der eine Holländerin das Zepter und ein Türke den Kochlöffel schwingt. Reserviert haben wir nicht. Schau mer mal (würde der "Kaiser" sagen).

Kappadokien – unser traumziel seit jahren!
Blick auf Parkplatz mit Verkaufsständen dahinter Wohntürme in Kappadokien

Wir ergatterten ein Zimmerchen. Und machen es uns in einem Lokal zum Essen gemütlich. Die bestellte Fleischspeise wird in einem – oben geschlossenen – Tonkrug serviert. Der Kellner bedeutet Jochen, er solle den Tonkrug am oberen Rand mit dem Messer aufschlagen. Jochen dengelt vorsichtig mit dem Messer gegen das Tongefäß. Nichts rührt sich. Er klopft noch einmal an die Sollbruchstelle. Ein kleines Löchlein entsteht. Der Kellner nimmt ihm lachend das Messer aus der Hand und meint, dass so nur der Ton in sein Essen bröselt, haut einmal energisch dagegen und der Deckel ist ab.

Die Landschaft Kappadokiens ist ein verwunschenes Märchenland und liegt im zentralanatolischen Hochland etwa dreihundert Kilometer östlich der Hautstadt Ankara in einem fünfundzwanzig Quadratkilometer umfassenden Areal auf einer Meereshöhe von 1000 bis 1200 Metern. Lange zurückliegende Eruptionen des fast 4000 Meter hohen Vulkans Erciyes und die Arbeit von Wind und Wetter erschufen eine einzigartige Tuffkegel-Landschaft mit skurrilen Felsformationen und tief eingeschnittenen Flusstälern.

Motorrad steht vor Landschaft mit Wohntürmen in Kappadokien

Geographische Grenzen dieser Tuffregion bilden der Hasan Dag (3253 m) im Südwesten, der "Rote Fluß" Kizilirmak (Halys) im Norden, der Melendiz Suyu im Südwesten, der Mavruncan im Südosten und der erwähnte, mit 3916 Meter höchste zentralanatolische Vulkan Erciyas Dagi (Mons Argäus) im Osten nahe der Stadt Kayseri.

Seit etwa 9000 Jahren siedeln Menschen auf der kappadokischen Hochebene, Hethiter und Perser, Griechen und Römer, frühe Christen, Juden, Seldschuken, Osmanen. Viel wurde gekämpft um die fruchtbaren Felder entlang dem Fluss Kizilirmak, immer wieder zogen feindliche Heere plündernd durchs Land, weswegen sich in dieser Region, wie wir später noch sehen werden, eine ganz besondere Form der städtischen Architektur und Fluchtmöglichkeit entwickelt: die unterirdische Stadt.

Der mensch als maulwurf
Serpentinenstraße in Kappadokien

Die bemerkenswerten Tuffsteinkegel Kappadokiens wurden von der Erosion geformt. An einigen Stellen bilden sich durch Erosion mitunter besondere Strukturen heraus: die berühmten Feenkamine (peri bahcalari). Man kann sie mit den Erdpyramiden Südtirols vergleichen. Wenn der "Deckel" abrutscht, schmilzt der restliche Kegel, Wind und Wetter ausgesetzt, allerdings leider sehr schnell dahin.

Hinzu kommt die Erosionstätigkeit des Menschen, der viele der Tufformationen zu Wohnzwecken ausgehöhlt hat, die oftmals bis in die höchsten Spitzen der für Kappadokien so berühmten Tuffkegel reichen. Da Tuffstein die Eigenschaft besitzt, erst bei Kontakt mit Sauerstoff richtig fest zu werden, war es relativ einfach, die Felsen auszuhöhlen und als natürliche Unterkünfte zu benutzen. Negative Architektur sozusagen. Hinzu kommt, dass die Region im Sommer sehr heiß und im Winter sehr kalt werden kann, was den Drang der Menschen, sich in die klimatisierten Felsen zurückzuziehen, noch verstärkt.

Straßenverkauf von Wäscheklammern in Kappadokien Straßenhändler für Gemüse Straßenhändler mit Schermaschinen sitzt im Gespräch mit Kunden Etliche weiße Säcke mit Gewürzen zum Verkauf auf türkischen Basar

Man kann sich allerdings vorstellen, dass die rege Bautätigkeit in den Felsen nicht gerade der Stabiltät derselben dienlich ist, was die UNESCO veranlasste, für das als Weltkulturerbe eingestufte Gebiet ein Verbot der weiteren "Aushöhlung" auszusprechen, um die Erosion nicht unnötig zu forcieren.

Nächster Tag. Wir gehen nach dem Frühstück einkaufen. Eine Straßenkarte finden wir nicht – die gibt es womöglich auch nicht oder nicht mehr. Unsere Pensionswirtin besitzt zwar eine antiquierte, aber der Ladenbesitzer meint, es gäbe keine mehr. Jedoch hat er eine kostenlose Karte im A4-Zettel-Format, die er uns in die Hand drückt.

Türkische Karten sind ja sowieso von nach Gefühl eingezeichneten Straßen, Bergen und Orten geprägt. Topographische (Militär)Karten sind ein rarer Schatz, für den Normalbürger nicht zu kriegen. Also geben wir die Suche nach einer Karte schnell wieder auf. Falls jemand wandern möchte, tut's zur Not auch die handgezeichnete Karte des Gebietes: Wanderkarte von www.göreme.net.

Ansichtskarten kaufen wir, bezahlen sie aber nicht, weil wir nur einen 100-YTL-Schein haben. Da die Dinger zusammen nur 0.80 YTL kosten, meint der Ladeninhaber, wir sollen sie abends bezahlen. Wir bezahlen sie abends, suchen aber ewig, bis wir den Laden wiederfinden ;-) Abends versuchen wir noch die überall angepriesenen "Stamps" zu erstehen – aber wo wir auch hinkommen, sie sind überall "finish".

Wir erkunden heute einfach mal mit dem Motorrad die Region. In Ürgüp ist Markt. Wir stürzen uns ins Getümmel und staunen über Farben und Gerüche von unbekannten Gewürzen, Kernen und Obst. Wenn wir packtechnisch Spielraum hätten, wir könnten den Händlern durchaus eine kleine Umsatzsteigerung verschaffen. Was es da nicht alles gibt!

Ein großer Teil des Marktes umfasst das Angebot von Lebensmitteln, die Händler übertreffen sich lautstark mit ihren Ausrufen, was sie anzubieten haben. Auch kleine Händler bieten ihre Waren feil. Sie besitzen nicht mal einen Tisch. Ein ausgebreitetes Tuch oder Folie auf dem Boden müssen reichen. Der eine verkauft diverse Rasierapparate und Schermaschinen (für Menschen und/oder Schafe?). Jeder potentielle Kunde hockt sich zu ihm auf den Boden – eine Körperstellung, die anscheinend auch älteren Türken keine Pein verursacht, denn in der Türkei wird offensichtlich am Boden sitzen dem Sitzen an einem Tisch vorgezogen.

Ausflug in den untergrund von derinkuyu – nichts für Klaustrophobiker

Das konnten wir später beobachten als wir in Pamukkale waren. Eine Hawaiianerin, ein Gast aus unserer Pension half der Köchin beim Erbsenpulen. Nachdem die Helferin weg war, verließ die Köchin den Tisch, breitete ihr Tuch am Boden aus und saß dort und pulte frohgemut weiter. Ein anderer bietet am Boden Plastikklammern an. Er hat Tausende davon auf einen riesigen Haufen geschüttet.

Männer sitzen in überdachter Holzhütte zusammen beim Teetrinken

Von vornherein stand fest, dass wir uns eine unterirdische Stadt anschauen werden und die größte ist Derinkuyu, vierzig Kilometer südlich von hier. Sie hat dreizehn Stockwerke – wohlgemerkt nach unten! Andere Quellen berichten sogar von zwanzig Etagen. Das muss man sich einfach antun, wenn man nicht gerade Klaustrophobiker ist. Allerdings sollte man über eine gute trainierte Beinmuskulatur verfügen, denn treppab im 1,30 Meter hohen Gang – das macht Muskelkater! Dieser Stadt widmeten wir einen eigenen Menüpunkt.

In Ortahisar mischen wir uns unauffällig (das soll jetzt ein Scherz sein ;-) unter das Cay-trinkende Männervolk unter einem schattenspendenden Dach am Marktplatz. Wieder einmal von einem interessierten Türken gefragt, wie schnell, von wo und wohin und diesmal noch mit dem Zusatz "Ich haben Restaurant und you are welcome ...", bestellen wir unsere türkischen Kaffees.

Fast alle Tische sind besetzt, wie überall ist dies hier eine hundertprozentig männliche Domäne. Am Nachbartisch sitzen ein paar Männer und spielen Backgammon. Da wir leider nur noch im Besitz eines 100-YTL-Scheines sind, kommen uns schon Zweifel, ob wir überhaupt bezahlen können, bzw. ob unser Kellner wechseln kann. Er kann. In Etappen: Der am Nachbartisch macht aus dem 100er zwei 50er.

Der im Nachbargeschäft macht aus dem einen 50er zwei 20er und einen 10er. Der Kellner macht dann 100 minus die 4.00 YTL für die beiden Kaffee und gibt uns das Wechselgeld haargenau heraus. Perfekt!

Göreme