Motorradtouren Griechenland Zagoria Kloster Agios-Paraskeví | Vikos-Schlucht

Kloster Agios-Paraskeví | Vikos-Schlucht

Stein gedecktes Kloster Agios Paraskeví
Steinmauer am Ausblick in die Vikos-Schlucht in 1000 Meter Tiefe

Nach einem üppigen Frühstück in unserer Unterkunft, dem kleinen, traditionellen Hotel Ladias* ziehen wir los. Ein in typisch "zagorianer" Art gepflasteter Weg führt von Monodendri hinunter zum Kloster Agios Paraskeví. Der Weg ist ausgeschildert und man sollte nicht gerade Stöckelschuhe tragen. Nicht ganz einen Kilometer geht es per pedes einen Pfad hinunter. Das Kloster wird nicht mehr bewohnt. Eine kleine Kapelle ist allerdings zugänglich. Wir betreten sie durch eine Tür, bei der wir auf Zwergengröße schrumpfen müssen, um uns nicht den Kopf anzuschlagen. Während wir in aller Ruhe das Gelände und die Gebäude besichtigen, die in traditioneller Steinbauweise errichtet wurden und dessen Dächer mit den typischen, schweren Steinplatten gedeckt sind, kommt ein schwarzgewandeter Mensch (sorry, wir sind nicht ganz sicher: ein Pope?) und schließt einen Raum auf.

Kurze Zeit später hören wir byzanthinische Gesänge aus diesem Raum. Schüchtern wie wir sind, trauen wir uns nicht gleich hinein in das Zimmer. Schüchternheit (na ja, wir übertreiben wieder mal) visa Neugier... Neugier siegt. An den Wänden hängen Ikonen verschiedener Größe und Ausführung. Wir könnten sie käuflich erwerben, wenn wir wollten. Der Pope sitzt hinter einer Staffelei und ist dabei, ein nächstes Kunstwerk zu schaffen. Neben ihm ein Knabe, vielleicht neun Jahre alt. Er schaut dem Meister seelenruhig und interessiert zu.

Griechen haben Zeit. Das wird ihnen offenbar schon in die Wiege gelegt. "Warten" ist keine lästige Begleiterscheinung und Zeitverschwendung, sondern kann ja auch zu einer angenehmen Tätigkeit genutzt werden: Überlegen, umschauen, vielleicht sogar mit einem anderen Menschen unterhalten. Was ist schöner als das? Die deutsche Lebensart hat uns eine andere Philosophie gelehrt, leider. Wir Deutschen sind ständig auf der Suche nach einer "Erledigung", quasi auf der Flucht.

Dieser weg ist nur was für Schwindelfreie!

Von einem Aussichtsbalkon hat man wenige Schritte später eine wunderschöne Aussicht auf die Vikos-Schlucht, die hier ihren Anfang nimmt. Unser kleines Müllerchen* hat uns schon vorgewarnt: Vom Kloster führt ein Weg zu einer Einsiedelei und mit einem dicken Ausrufezeichen findet sich der Hinweis: Wirklich NUR für Schwindelfreie! Wir sind also gespannt. Über einen schmalen Treppenweg gelangen wir hinauf zur Felswand und von da aus gehts immer an der Felswand entlang. Anfangs hält auch eine nicht ganz Schwindelfreie wie ich die Bedrohung durch die angrenzenden Tiefen der Schlucht aus. Eine zwei bis drei Meter breite, flache Böschung neben dem Pfad beruhigt etwas, bevor sich der Fels in die bis zu tausend Meter tiefe Schlucht stürzt.

Frau steht am Aussichtspunkt bei der Vikos-Schlucht
Sehr schmaler Weg entlang einer Steilwand führt zur Einsiedelei

Aber später wird es happig. Der Weg ist nur noch zwischen einen und anderhalben Meter breit, links neben uns die Felswand und auf der rechten Seite geht es steil in die Tiefe. Visionen bestürmen mich, wie ich das Gleichgewicht verliere. Jochen ist es auch nicht ganz geheuer, aber er geht den Weg noch fünfzig Meter weiter als ich (ich habe an der Stelle, wo das nebenstehende Foto geschossen ist, das Handtuch geschmissen).

Ich setze mich auf einen Felsvorsprung, der mit seiner planen Fläche zum Sitzen einlädt, und beobachte Jochen, wie er sogar die Holzplanken noch meistert, die wenige Meter vor uns über dem Abgrund liegen. Aber bis zur besagten Einsiedelei traut auch er sich nicht.

Je länger wir uns an diesem Ort aufhalten, desto mehr schlägt die Höhenangst zu. Ich hoffe, wenn man einfach nur dasitzt und die Aussicht genießt (die Schlucht ist einfach überwältigend in der Abendsonne), dann müsste ich entspannen. Denkste! Bei mir ist das Gegenteil der Fall. Auf dem Rückweg würde ich mich am liebsten an der Felswand anseilen. Erst als uns wieder die flache Böschung vom Abgrund trennt, wird mir wieder wohler.

Vikos-Schlucht | 1000 meter luft unter uns
Blick in die Vikos-Schlucht

Der Vikos-Aóos-Nationalpark erstreckt sich etwa von Monodendri bis zum nördlichen Konitsa. Herzstück und Namensgeber ist die zehn Kilometer lange Vikos-Schlucht, die in der Nähe von Monodendri ihren Anfang nimmt.

Über die Tiefe streiten sich die Gelehrten. Gleich um 300 Meter differieren die Angaben. Unsere Quellen (Internet und Literatur) beginnen bei siebenhundert Meter und enden bei tausend Meter. Aber eins spricht für eine sehr große Tiefe: der Canyon ist im "Guinnessbuch der Rekorde" als die tiefste Schlucht der Welt eingetragen.

Man könnte die Schlucht mit dem Canyon du Verdon in Südfrankreich vergleichen, aber der Vergleich hinkt. Der südfranzösische Canyon du Verdon ist touristisch gut durch Strassen erschlossen, die uns eine Fahrt direkt an der Schlucht entlang ermöglichen. Natürlich sind die Tiefblicke an vielen Aussichtspunkten gigantisch und relativ oft ist dafür gesorgt, dass man ein paar hundert Meter Luft vor und unter sich hat. Soweit zum südfranzösischen Canyon. Zurück zur Vikos-Schlucht.

Lagekarte der Vikos-Schlucht im Holzrahmen

Hier ist von einer Strasse rund um die Schlucht nicht die Rede. An und in der Schlucht findet man noch absolut unberührte Natur. Man kann sie entweder erwandern, was – einfach – einen Fußmarsch von sieben bis acht Stunden erfordert (zurück mit dem Taxi). Möglich ist diese Wanderung nur im Sommer, weil dann der Voidomatis-Fluss im nördlichen Teil der Schlucht über eine Strecke von zwei Wegstunden versickert und erst kurz vor dem Ort Vikos wieder an die Oberfläche tritt. Oder man fährt so wie wir über eine sieben Kilometer lange Schotterpiste und spendiert sich danach noch einen netten Spaziergang zu dem Aussichtspunkt.

Diese hunde nehmen ihre aufgabe sehr ernst!

Aber mal j.v.v. – janz von vorn. Auf der Asphaltstraße geht's durch Monodendri hindurch. Kurz nach dem Ort geht die Asphaltstrasse in eine Schotterpiste über. Hier wird erstmal unser Adrenalinspiegel durch eine Ziegenherde gepusht. Aber nicht durch die Ziegen, die bekanntlich an Bikern wenig Interesse haben, sondern durch die begleitenden Hütehunde.

Ein Hirte ist weit und breit nicht zu sehen und die Hunde nehmen ihre Aufgabe mehr als ernst. Als wir anhalten müssen, weil die Ziegen auf der Straße herumlümmeln, gehen sie bellend und fletschend auf uns los. Uns bleibt nur, Fersengeld oder besser Reifengeld zu geben. Jochen ist zu seinem Glück vollauf damit beschäftigt, zu fahren und dabei die Ziegen am Leben zu lassen, während ich als Sozia die bedrohlichen Zähne einen halben Meter neben unseren Beinen studieren kann. Gottseidank haben die Biester diesen Sicherheitsabstand eingehalten!

In Scheiben geschichtet Gesteinsformation unweit der Vikos-Schlucht

Irgendwann gelangen wir in ein felsiges Gebiet. Hier ist die Strasse links und rechts von eigentümlichen Felsen gesäumt. Sie sehen aus, als hätte Goliath Riesen-Pfannkuchen meterhoch übereinander gestapelt. Überall in dieser Landschaft liegen unwirkliche, kleinere und größere Pfannkuchenberge herum.

Nach dem Schotterstück ist die Straße zu Ende. Ab hier ist noch ein kleiner Spaziergang durch einen angenehm schattigen Laubwald nötig. Schon nach wenigen Minuten tut sich ein grandioses Panorama auf. Dieses herrliche Fleckchen Erde ist auf manchen Karten mit dem Namen Oxia verzeichnet. Auf einem Felsvorsprung hat man ein kleines, halbrundes Mäuerchen errichtet. Schritt für Schritt tasten wir uns an den Abgrund.

Wenn man von dem Mäuerchen mal absieht, gibt es keine Sicherungen oder Geländer. Unsere Höhenangst wird an diesem Platz noch nicht allzusehr strapaziert. Der schwindelerregende Weg zu der Einsiedelei kurz nach dem Agios-Paraskeví-Kloster hat uns mehr zu schaffen gemacht. Übrigens sind wir an diesem Spätnachmittag im Mai die einzigen Besucher der Schlucht. Und ganz wichtig: bei unserer Rückfahrt sind die Ziegen und die garstigen Hunde verschwunden.

Monodendri | Konitsa
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