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Anreise: Autoreisezug "Optima-Express"

Schild zum Eingang des Autoresezuges Mitarbeiter beim Verzurren des Motorrades im Autoreisezug

(Red. Elke) Verladung in Villach/Österreich. Pünktlich um 21:00 Uhr stehen wir am Ost-Bahnhof. Um 22:15 Uhr soll es für die Autos losgehen, für uns schon eher. Wir vertreiben uns die Zeit bei einer Unterhaltung mit dem Check-In-Personal an der Einfahrt zur Verladestation, die unsere neugierigen Fragen gerne beantworten.

Hier warten achtzehn Autos und ein Motorrad. Wir sind die einzigen Deutschen. Beim Checkin schiele ich neugierig in dem Schalterbüro zum Monitor im Hintergrund. In einer Tabelle entdecke ich Jochens Namen und unsere Abteil-Nummer. Darunter noch zwei weitere Namen. Freudig schließe ich: Wir sind nur zu dritt im Abteil, genial! Genug Platz!

Fünf Minuten später die enttäuschende Erkenntnis: In der Tabelle stehen jeweils nur die männlichen Fahrzeugbesitzer ... *shit!* Jochen überlegt noch, ob er ein wenig "vorschlafen" soll. Eine so gemütliche Holzbank wie hier im Bahnhof wäre doch regelrecht einladend ... Er ahnt nicht, dass das eine weise Entscheidung gewesen wäre.

Wir fahren in die Autowaggons von hinten hinein und durchqueren mehrere hintereinander, wobei die Fahrerei nicht ohne ist. Zwischen den Waggons liegen nur Brücken über die zwei Fahrspuren, somit können wir es uns heraussuchen, an welcher Wand wir knapp vorbeischrammen! Ein Ausbalancieren ist schwierig, da an den Seiten jeweils Vorrichtungen zum Angurten der Fahrzeuge befestigt sind. Kommt man da beim Balancieren mit dem Fuß hinein, fädelt man unausweichlich ein. Und in der Mitte klafft ein breites Loch mit Blick auf die Schienen.

Auf den Brücken heisst es Kopf einziehen. Einmal ducken wir uns zu wenig und rumsen mit unseren Helmen an's Dach. Aber die Helme kriegen erstaunlicherweise wenig Kratzer ab. Nach dem Abpacken und Verzurren des Moppeds durch einen sehr freundlichen Mitarbeiter verlassen wir den Waggon über eine seitliche Außentür und schleppen unsere Gepäckstücke zu den Personenwagen.

Unser abteil oder: Die quadratur des kreises

Wenig später stehen wir als Erste im Abteil Nr. 5. Man stelle sich vor: ein normales Abteil mit sechs Sitz- bzw- aufklappbaren Liegeplätzen. Darüber hinaus sind außer einer kleinen Ablage über der Tür keine Unterbringungsmöglichkeiten für Gepäck zu sehen.

Die obere Ablage für Gepäck in einem Abteil vom Optima-Express

Wir stehen also mittendrin und nach dem Umziehen wollen wir unterbringen:
· 1 Topcase (passt gerade so in den Fußraum zwischen den Sitzen)
· 1 Tankrucksack mit Fresserei
· 2 Helme
· 2 Paar Stiefel
· 2 Jacken
· 2 Motorradhosen
· und zwei Beutel mit Wasser und Kleinzeug.

Da stehen wir nun und bestaunen ratlos unser Chaos. Und draussen auf dem Gang schauen vier türkische Augenpaare noch ratloser, ja, fast mitleidig auf uns und unser Chaos. Die türkischen Mitreisenden schleppen große Lebensmittelpakete und würden gern "ihr" Abteil mit "unserem" teilen. Gepäck auf den Gang stellen? No way! Der Gang ist schulterbreit und wer in die Toilette oder ins Waschabteil will, muss da durch. Unglaublich, aber wahr – wir haben es schließlich geschafft! Die Decken und Kopfkissen runter und draufgesetzt – und ein oberes Bett als weitere Gepäckablage benutzt. Ein türkischer Mitbewohner bringt sich lachend aus dem Weg, in dem er sofort ins oberste Bett klettert, das mit 1.60 m Länge (max!) + einem dreißig Zentimeter breiten, aufklappbarem Kopfteil für einen normalgroßen Menschen etwas minderbemaßt ist. Damit sind unten nur noch fünf Menschlein zu verräumen.

Sechs reisende in einem abteil sind zwei zuviel
Das obere Stockbett im Optima-Express

Eine kleine ältere Türkin sitzt am Fenster und beäugt unsere Versuche, das Gepäck unterzubringen. Sie spricht kein Deutsch, aber wenn sie was will, zupft sie mich hinten am Kittel und versucht mir zu verklickern, dass die Männer da hoch in die obersten Betten sollen. Meiner vor allem. Wie? Der mit seinen fast zwei Metern? Und über hundert Kilogramm? Da hoch? Halten die Bretter das überhaupt aus?

Ich bin der Meinung, dass wir leichten und gelenkigen Mädels da hoch sollten (ich opfere mich gern!), aber Kavalier Jochen lenkt ein, man könne doch nicht die Frauen da hoch schicken ...

Das ältere türkische Paar streicht schließlich die Segel. Mit etwas Bakschisch für den Zugbegleiter sind sie in ein leeres Abteil umgezogen. Wie bei den zehn Negerlein geht's hier zu, es werden immer weniger. Man muss es eben nur erwarten können. Zu viert geht das schon besser und die oberen Bretter werden zum Gepäckbrett degradiert. Wenn nur die mittlerweile heruntergeklappten Liegen nicht so bretthart wären!

Der Zug fährt um 0:15 Uhr ab. Die erste Grenzkontrolle folgt nach Slowenien schon um 1:00 Uhr, die nächste nach Kroatien um 4:00 Uhr und um 10:00 Uhr befahren wir serbischen Boden. Die serbisch/bulgarische Grenze passieren wir ca. zwischen 19:00 und 20:00 Uhr. Die Reisepässe werden von den Polizeibeamten zur Kontrolle eingesammelt. Zu viert haben wir alles Gepäck so verräumen können, dass keiner eine Tasche mit ins Bett nehmen muss.

Abteil mit frühstücks-bügel-brett

Der Zug schaukelt, ächzt, knarrt, quietscht und ruckelt, was das Zeug hergibt. Oft fährt er knapp hundert Stundenkilometer, wie uns unsere "Steffi" bestätigt. Mein lieber Scholli! Es haut uns ganz schön auf dem Folterbrett hin und her. Jochen gibt mir eine seiner Decken, damit ich sie mir unter die Hüfte stopfen kann – meine Hüftknochen und das Folterbrett sind offensichtlich inkompatibel. Hoffentlich ist unsere "Big Turtle" fest angegurtet.

Im Servicewagen mit blauen Sitzen

Vormittags holen wir dieses Frühstücks-Bügel-Brett vom Gang des Waggons und frühstücken im Abteil. Wir schmeißen unser Mitgebrachtes zusammen. Somit kommen auch wir in den Genuß von frischen Tomaten mit Ziegenkäse. Unser türkischen Schlafnachbarn haben einen ganzen Bund Zwiebeln dabei, die das ganze Abteil ausdünsten.

Schließlich setzen wir uns zum Lesen, Schreiben und einen Kaffee in den Servicewagen. Dies wird unser bevorzugter Sitzplatz während dieses Tages. Im Servicewagen gibt es eine einzige Steckdose, die Strom führt. Alle anderen sind tot, wie wir betrübt feststellen. Der Strom wird von einem Generator in der Lok produziert. Allerdings reicht der Strom gerade mal für Handy-Ladegeräte. Unserem Laptop funktioniert damit nicht. Von den Leuten im Zug hat ständig einer sein Handy dort am Aufladen.

Zwiebeldunst kontra fahrtlärm

Wir haben einigermaßen gewusst, was uns erwartet, so nehmen wir die Umstände mit Humor und machen das Beste daraus. Noch eine zweite Nacht, dann sind wir auf türkischem Boden. Ich wuchte den Topcase von der oberen Schlafstätte (oder sollte ich sagen: vom Schlafbrett?) und wuchte ihn wieder hinauf. Unser türkischer Mitreisender bemerkt anerkennend: "Frau – aber stark Frau!". Mich wundert, wie immun die beiden gegen die warme, stickige Luft im Abteil sind. Die Ehefrau unseres Mitreisenden hat eine langärmlige Bluse an, eine gesteppte Weste drüber und eine Jacke drüber. Und das bei geschätzen 26°C im Abteil! Und dann wird sich noch mit der Decke zugedeckt!

Frau liegt im Stockbett des Optima-Express

Gegen 23:00 Uhr gehen wir in Bulgarien, kurz nach Sofia, ins Bett. Eigentlich ist es erst 22:00 Uhr. In der Türkei und auch in Bulgarien wird die Uhr (zusätzlich zu unserer Sommerzeit) 1 Stunde vorgestellt. Wir öffnen wegen dem Zwiebeldunst das Fenster einen Spaltbreit, aber es dauert nur zwei bis drei Minuten, bis es durch das Geruckele wieder geschlossen ist.

Dann steckt unser Mitreisender eine zusammengedrückte Plastikflasche als Abstandhalter hinein, aber die schlechten Gleisanlagen in Bulgarien machen da draußen so einen Heidenlärm, dass wir sie irgendwann wieder entfernen. Soll uns eben der Zwiebeldunst einschläfern!

Auf dem Gang stehen immer wieder Mitreisende beim Rauchen oder einfach nur beim Luftschnappen. Ein Vorbeikommen wird immer mit einem freundlichen Lächeln quittiert. Ein Mann belehrt seinen Sohn in einem relativ sauberen Deutsch: "Der Mann möchte hier vorbei". Auch der Zugbegleiter, der zuerst durch seinen grimmigen Gesichtausdruck auffällt, stellt sich nach und nach als freundlicher Zeitgenosse heraus. Man sollte halt nicht immer nach dem ersten Eindruck gehen.

Wir werden immer wieder angesprochen, wo wir herkommen und wo wir hinfahren. Ein kölnischer Türke vertieft sich mit uns in ein Gespräch. Jeder freut sich über die Abwechslung und somit die gefühlte Zeitverkürzung. Denn unumstritten steht fest, dass es durchaus eine langwierige Geschichte ist, von Villach nach Edirne mit dem Reisezug zu fahren. Die Nacht wird wieder von zwei Grenzkontrollen durchbrochen. Verrückt, so langsam sehen wir nicht mehr durch, welche Nationalität in Uniform diesmal die Pässe sehen will. Passaporta! Das klingt bei allen gleich!

Alle männer aussteigen!
Fang mit hellblauen Vorhängen im Optima-Express

Vor allem ist es beunruhigend, wenn sie die Pässe einsammeln und ewig nicht (bange Frage: "Oder nie?") wieder zurückbringen. Noch eine Nacht auf dem Brett, aber die letzte. Ab 4:00 Uhr gehen irgendwelche Grenzer im Abteil ein und aus.

Da sich in den anderen Abteilen schon einige fertig machen, stehen wir um 5:00 Uhr fertig zur Abreise im Gang. Man weiß ja nicht genau, wann Edirne erreicht ist. An der türkischen Grenze beginnt diesmal ein neues Spiel. Die Männer müssen aussteigen und auf dem Bahnhofsplatz warten, bis ihnen ein Beamter die richtigen Pässe in die Hände drückt. Alle gestikulieren wie wild und wedeln mit ihren Kopfbedeckungen: türkische Mücken freuen sich auf das Frischblut.

Wenig später erreichen wir Edirne – sämtliche Personen raus aus dem Zug. Alle streben sie zu Bierbänken am Rande eines mit Parkmarkierungen versehenen Platzes. Wir hinterher. Irgendwann werden die Waggons mit den Autos abgekoppelt und vor eine Rampe geschubbst. Rumms – das war aber eine harte Landung! Die Big Turtle steht an zweiter Stelle und wir erhalten einen Zettel mit der Nummer 2. Nach dem Parken der Fahrzeuge im Gelände marschieren die Männer mit den Zetteln zum Zollbüro. Jetzt wird auch der Sinn der Nummern klar. Wir stehen an zweiter Stelle der Bearbeitungsreihenfolge. Zwei Schalter und wir haben es fast geschafft. Nur die obligatorische Frage des Zöllners, ob wir was zu verzollen hätten, steht uns am Ausgang noch bevor.

Unweit Edirne schwingen wir uns auf die Autobahn. Die Bedienung des Autobahnmaut-Ticket-Automaten gibt uns Rätsel auf. "Drücken" steht da. Tun wir doch! Aber es kommt kein "Bilet". Irgendwas machen wir falsch! Ein LKW-Fahrer ruft etwas auf türkisch. Häh? Auch der deutschsprachige Türke hinter uns versteht nix. Der LKW-Fahrer deutet uns, wir sollen rückwärts rangieren und in die andere Spur fahren. Schließlich wedelt ein LKW-Fahrer mit einem Kärtchen, ich klettere über einige Leitplanken und hole das Ticket bei ihm ab. Nett, sehr nett!

Motorradfahrer schläft auf Bank mit Tisch am Parkplatz an der Autobahn

Allerdings kommen mir unterwegs auf der Autobahn unanständige Zweifel. Hat er uns vielleicht ein entwertetes Ticket gegeben, oder eins für LKWs, mit dem wir uns totblechen? Jedoch stellt sich heraus, dass er einfach nur ein netter und hilfsbereiter LKW-Fahrer war. An diese ungewohnte und uneigennützige Hilfsbereitschaft werden wir uns noch gewöhnen müssen.

Maximal-Geschwindigkeit auf der türkischen Autobahn: 90 km/h. Zusammen mit dem Schlafentzug eine äußerst unangenehme Kombination. Als wir endlich hundert Kilometer vor Istanbul eine kleine Raststätte finden, welche nicht wie zwei Raststätten zuvor mangels Besuchern geschlossen hat, machen wir uns auf zwei Picknickbänken aus Beton für einen Notschlaf lang.

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