Motorradtouren Albanien Albanische Riviera Radhime

Von Berat nach Radhime – und auf U-Boot-Suche

Männer vor Verkäufer von Gänsen auf dem Markt in Roskovec
Mann steht an Grill mit Fleischspießen
Ein angebundenes Pferd mit Geschirr steht am Straßenrand.

Da die Tages­tempe­raturen wieder klettern sollen, packen wir schon um halb acht unser Zeug zusammen. Unser Gastvater hilft uns, das Gepäck runter zum Motorrad zu bringen, das ja ein ganzes Stück weiter unten in den Gassen geparkt ist. Die BMW steht tief unter uns in einem Gassenwinkel, den wir auf normalen Weg nur mit Umwegen erreichen können. Aber es gibt Schleichwege durch tieferliegende Stockwerke, fremde Gärten und Gassen. Aber die muss man kennen und/oder den Schlüssel haben.

Als wir das Motorrad erreichen, reiben wir uns verwundert die Augen: Die winzige, bisher leere Fläche hinter unserem Motorradstellplatz wird heute von fünf Autos zugeparkt. Platz, um rauszufahren? Negativ! Jochen versucht, die BMW ein Stück nach vorn zu schieben. Wie viel wiegt eine BMW vollbepackt? Zu viel, um sie zu halten, wenn sie kippt. Die Q landet relativ sanft auf dem linken Koffer und der Seitentasche, aber Gott sei Dank nicht auf oder an dem Auto daneben. Ich sehe es Jochen an, dass er jetzt ein Programm abspult: nur keine Hektik! Er setzt den Helm ab, zieht die Jacke aus und versucht, das Adrenalin abklingen zu lassen. Ein Anwohner aus einem angrenzenden Haus will uns helfen, aber Jochen deutet ihm, dass er es allein schafft – so sind wir nur Assistenz, damit die BIG TURTLE nach dem Aufheben nicht gleich zur anderen Seite umkippt. Was sind wir froh, dass die Q nicht an das Auto geschrammt ist! Einem albanischen Autobesitzer den Schaden zu erklären und sich über die Reparaturkosten zu einigen, stellen wir uns nicht gerade lustig vor. Vor allem nicht mit unseren Sprachkenntnissen.

Als Nächstes entfernen wir sämtliches Gepäck und Jochen zirkelt Zentimeter für Zentimeter zwischen zwei Autos hindurch. Doch ... was heißt hier Zentimeter? Millimeter! Ich sehe Jochen schon die Autos verschrammen ... Ich kann meinen Mund nicht halten, gebe Anweisungen – bis er mir Redeverbot verpasst. Geschafft – die Koffer können wieder dran. Bravo, Gobi. Ihr seid zwar aus Plastik, aber wie oft lag jetzt schon die BMW auf euch und ihr habt es klaglos ertragen? Dass wenige Minuten vorher eines der zwei Topcaseschlösser zerbröselt ist und damit unser rückwärtiger Koffer angesichts des vorher schon altersschwachen zweiten Schlosses für ungeplantes Öffnen prädestiniert ist, berührt uns jetzt nur noch marginal. Auch, dass wir – wie wir eine Stunde später an einer Tankstelle feststellen – einen unseren hinteren Blinker baumelnd hinter uns herziehen, ist kein Aufreger. Albanien halt. Es gibt schlimmere Pannen.

Ein stau – wie geil!
Gänse sitzen an Straßenrand und warten auf einen Käufer auf dem Markt in Roskovec
Marktstraße mit Menschen

Kurze Zeit später hängen wir in einem ausnahmsweise willkommenen Stau fest. In der Stadt Roskovec findet der sonntägliche Markt statt, dafür wird die halbe Stadt gesperrt. Gänse liegen einfach so am Straßenrand, die Füße zusammengebunden. Dahinter stehen ihre Besitzer, die das Geflügel zum Kauf anbieten. Gegenüber werden andere Waren feilgeboten: Schuhe zum Beispiel, schön ordentlich auf dem Boden aufgereiht. Oder Möbel, Sofas, Stühle, Schränke – der Straßenrand wird zur staubigen Verkaufsfläche. Für das leibliche Wohl ist auch gesorgt: auf einem Grill liegen Şiş Kebap – die typischen Grillspieße. Der Möbelverkäufer war fünf Jahre in Stuttgart, seine Tochter und ein Teil seiner Familie ist heute noch dort. Sie sind dort geboren, aber ihn zog es wieder in die alte Heimat. Nur das Essen fehle ihm, erzählt er, die albanische Kost sei ihm zu fleischlastig.

Ein Autotransporter hat mit der Umleitung anlässlich des Marktes einige Mühe. Der Stau ist beträchtlich, weil er mit seinem langen Auflieger partout nicht um diese Kurve herum kommt. Aber irgendwann geht es weiter und wir verabschieden uns von unseren Gesprächspartnern. Die Straße ist saumiserabel. Die Schlaglöcher sind unbeschreiblich! Zwanzig Zentimeter für ein Schlagloch – wow! Und wegen dieser Löcher weicht der Gegenverkehr ganz plötzlich auf unserer Fahrbahnseite aus! Überraschungen inklusive.

Am rechten Straßenrand befindet sich ein ungesichertes, betoniertes Loch von 1 x 1,5 Metern und einem Meter Tiefe. Der Müll darin lässt darauf schließen, dass es schon etwas länger besteht. Wenn hier einer plötzlich auf den Gedanken käme, spontan rechts zu überholen ... Oder ein Fußgänger einfach mal nicht nach unten schaut ... Typisch Albanien – Sicherung kennt man nicht. Man hat aufgegeben, das Loch mit einem Gitter zu sichern. Weil das Gitter umgehend in einem Altmetallhandel landet.

Wir erreichen eine weite Ebene mit der Stadt Ballsh. Schwarze Behälter stehen wie hin gewürfelt bis an den Horizont einzeln oder in Gruppen in der Ebene und ein stechender Benzingeruch steigt uns in die Nase. Viele kleine Bohrtürme ragen in den Himmel, einige Spindeln drehen und bewegen sich noch, aber die meisten sind nicht in Betrieb. Um Ballsh liegen fünf Öllagerstätten und das größte Ölfeld Albaniens befindet sich nur wenige Kilometer nördlich der Stadt. Es wird noch einiges gefördert, aber die Umweltbelastung durch die Leckagen bei der Förderung sind immens.

Küstenstraße bei Radhime

Schließlich liegt Vlorë vor uns. Wir wussten schon vorher: die 120.000-Einwohner-Stadt wird garantiert nicht unser Quartier. Wir fahren auf jeden Fall ein Stückchen weiter, bis das Gewusel am Meer nicht mehr ganz so groß ist. Die Strände sind nicht der Hit, denn der Fluss Vjosa bringt einiges an Schadstoffen mit und bei den Stadtstränden nördlich spricht man sogar von Schwermetall- und Ölverschmutzung.

Ab Vlorë in Richtung Süden beginnt der schönste Teil der albanischen Küste. Die insgesamt dreißig Kilometer lange Bucht stellt eine gigantische Motorradtourkulisse dar. Zehn Kilometer danach erreichen wir das Dorf Radhime – hier soll die Wasserqualität in Ordnung sein. Ein Hotel zu finden ist nicht schwer, wie überall ist noch nicht wirklich was los. Das Hotel liegt direkt am Ionischen Meer, nur durch die Küstenstraße vom schmalen Strand getrennt. Aber eine praktische Fußgängerbrücke führt hinüber an den Strand.

Auf der suche nach Pasha liman
und den rostenden u-booten
Straße entlang der Küsten bei Radhime
Blick auf die im Hintergrund liegende Halbinsel Karaburun

Jährlich strömen zwei Millionen Urlauber aus dem Ausland nach Albanien – eine Zahl, die man kaum glauben mag. Die allermeisten Urlauber besuchen dabei die Riviera­küste, nur die wenigsten fahren ins Landesinnere in die Städte. An der Küste treffen wir am Meer vorwiegend Italiener, aber auch Familien aus anderen Balkanländern nutzen die preiswerten Urlaubsangebote. Deutsche dagegen trifft man eher selten, und wenn, dann an den neuralgischen Punkten wie in den UNESCO-geschützten Altstädten. Und immer sind sie individuell, mit dem eigenen Fahrzeug, per öffentliche Verkehrsmittel oder mit einem Mietwagen unterwegs.

Hier starten wir zu einer Bucht voller gestrandeter U-Boote. Dorthin soll es einen Feldweg geben ... Die Halbinsel Karaburun ist sechszehn Kilometer lang und erhebt sich mehr als 800 Meter aus dem Meer. Sie liegt als unüberwindbarer Felsklotz vor uns.

In der nordwärts gewandten Bucht Pasha Liman befand sich im kalten Krieg ein wichtiger militärischer Stützpunkt, hier hatte die Sowjetunion zwölf U-Boote und mehrere Kriegsschiffe stationiert. Nachdem sich der Diktator Hoxha und Chruschtschow 1961 entzweit hatten, ließen die Russen die Boote zurück. Heute sollen die 18 sowjetischen U-Boote traurig rostend in der abgeschiedenen Bucht vor sich hin dümpeln. Nachdem wir das Städtchen Orikum passiert haben, sollte laut Karte eine Piste beginnen, die an der Nordseite der Halbinsel entlang führt und nach einiger Zeit müsste man von oben hinunter zur Bucht sehen können.

Leerer Hotelstrand mit vielen zusammen geklappten Sonnenschirmen und Liegen

Unser erster Versuch geht in die richtige Richtung, endet jedoch an dem Tor einer Marinebasis. Kehrtwende. In Orikum passieren wir viele Appartementhäuser, kleine Hotels, die Küste ist ziemlich zugepflastert. Hier haben die Investoren wie in so vielen Küstenstädtchen ohne Rücksicht auf Verluste vier- bis fünfstöckige Bauten an den Strand gesetzt. Sogar einen Yachthafen gibt es – den einzigen in ganz Albanien. Er ist bewacht und verfügt über internationalen Standard, wird aber nur wenig genutzt, wohl auch wegen des für albanische Staatsbürger geltenden Motorbootverbotes. Zwei riesige, relativ neue Appartementblöcke schirmen den Hafen gegen die Straße hin ab. Diese Blöcke, sicher auch nach Plänen von Investoren entstanden, sind nicht in Betrieb. Welche Verschwendung!

Komm'se rüber – komm'se ran...

Das Hinterland besteht aus Sumpfland, der 1000 Hektar großen Lagune von Orikum, durch die keine Straße führt. Also wieder zurück und den Bogen größer fahren. Aber auch dieser Weg führt uns nicht zum Ziel, wir holpern noch einige Zeit auf fürchterlichen Pisten durch ödes Gelände und geben irgendwann auf. Als wir später die Kartenausschnitte im Reiseführer noch mal studieren, sehen wir: Unser Zielgebiet ist alles militärisches Sperrgebiet. In der Karte von Freytag & Berndt ist das jedoch nicht eingezeichnet. Wir wären zu den Booten gekommen, und zwar durch die Marinebasis hindurch: aber wir bräuchten von der Behörde eine Sondergenehmigung, die zwar vielleicht machbar, aber uns definitiv zu viel Aufwand ist. Schade.

Vorderfront eines Hotels in Radhime
Kellner steht auf Straße und begüßt seine Gäste in Radhime

Benachbart zum Hotel Regina* liegt eine einfache Grillkneipe, wo sich Lämmer und Zicklein über dem Grill drehen – das macht uns mehr an als die sterile albanisch-italienische Küche im Hotel. Auch Lammkopf dreht sich über der Grillkohle. Aber wir bestellen Kokorec. Wir kennen es nun schon, hätten aber nicht gedacht, dass so ein Riesenberg Fleisch beziehungsweise Leber kommt. Nach der Hälfte sind wir satt.

Während wir essen, springen die Delfine durch das Meer, auf der Uferstraße lassen sportliche Fahrer ihren hochpotenten Autos freien Lauf (mal keine Mercedes) und der "Reinschmeißer" unseres Lokals versucht fleißig neue Gäste ins Lokal zu lotsen. Fotogen ist er und weiß sich zu präsentieren, der junge Bursche in seiner fantasievollen Hirtentracht und dem albanischen Staatssymbol, einem Doppelkopfadler, vorne und hinten auf der Weste!

Stöhn. Ich kann es nicht lassen, zum Essen bestelle ich ein Glas Rotwein. Der Wein aus Dukat soll gar nicht so schlecht sein – aber dieses Glas Rotwein zum Essen ist das Schrecklichste, das ich in Sachen Wein je trank. Die albanischen Weine sind – wir wissen es mittlerweile – schon sehr gewöhnungsbedürftig.

Auf dem Meer kreuzen noch eine ganze Weile kleine Boote mit Fischern und Anglern. Als es schon dunkel ist, sehen wir suchende Lampen durch das Wasser streifen. Angler? Fischer? Irgendwann kriegen wir mit: Das sind Taucher! Nachttauchen soll ein besonderes Erlebnis sein.

Albanische Riviera | Himara
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