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Schwarzmeerküste | von Zonguldak nach Amasra

Motorrad steht vor grünem Geländer und im Hintergrund Amasra auf einer Insel liegend

Nach der feuchtfröhlichen Nacht sind wir relativ spät wieder auf den Beinen und frühstücken mit Nejla und Adnan zusammen. Obwohl Adnan heute morgen schon in die Arbeit gegangen ist. Aber zum Frühstück huscht er mal schnell nach Hause. Danach packen wir unsere Koffer und suchen unseren Weg an die Küstenstraße.

Wir nehmen die Straße, die unser Michael-Müller-Reiseführer Türkei als fürchterliche Holperstrecke beschreibt, die man sich sparen sollte. Aber das stört uns nicht. Teilweise ist sie auch sehr schlammig, so dass wir unserem Mopped bis zum Schnabel ein Offroad-Design verpassen. Unser Plan sieht vor, relativ bald ins Landesinnere abzubiegen und uns das neunzig Kilometer im Landesinneren liegende Safranbolu anzusehen. Safranbolu, die Stadt mit den vielen altehrwürdigen Konaks, wird von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützt, das zieht zwar auch einiges an Tourismus in diese Stadt, aber die alten Herrenhäuser sollten wir uns nicht ein zweites Mal entgehen lassen. Denken wir. Und tun es trotzdem. Auch nach Kastamonu hätten wir fahren können, wohin eine kurvenreiche Passstraße führt. Auch die Holzmoschee im Dörfchen Kasaba wär noch was gewesen. Aber am Ende unserer Reise werden wir uns die größte türkische Eşrefoğlu-Holzmoschee in Beyşehir anschauen.

Blick bei Amasra über die Dächer und das Meer

Weil uns das sonnige Wetter und der blaue Himmel in Verbindung mit der wunderschönen Küstenstraße so saugut gefallen, beschließen wir, alle im Landesinneren liegenden Städte auszulassen und an der Küste zu bleiben. Noch befürchten wir ja immer noch, Opfer des berühmtberüchtigten Schwarzmeerküstenregens zu werden und freuen uns über jeden Tag, der uns eines Besseren belehrt. Temperaturen über 20°C und trocken. Genau richtig zum Motorradfahren.

Jochen verlässt jäh die Straße und biegt in eine Nebenstraße mit einigen Alleebäumen ein. Die Flasche Wasser von vorhin muss wieder raus! Keine Chance mehr einen anderen Baum zu finden, meint er. Klar wie bei Murphys Law, dass in dem Moment ein vollbesetzter Dolmus in dreißig Meter Entfernung hält und ihm zwei pubertierende Buben und ein ebensolches Mädchen entsteigen und in unsere Nebenstraße abbiegen!

Oh, welche Schmach für das Mädchen und den Besten aller Fahrer! Das Mädchen hält den Blick verzweifelt nach links an den Wegesrand gerichtet und zieht ihr Kopftuch seitlich vors Gesicht, um ja keinen Blick auf den Mann bei peinlicher Tätigkeit erhaschen zu müssen. Ich stehe in geziemter Entfernung und beobachte mit Schmunzeln abwechselnd die Teenies und den sichtlich peinlich berührten Besten aller Kuhtreiber. Tzz. Tzz.

Hotel mit hauseigenem Poolreiher
Ein Reier stolziert über den Vorplatz einer Unterkunft in Amasra Blick entlang des Strandes auf Amasra Altes Holzhaus in den Gassen von Amasra Blick von oben auf den Strand von Amasra

Am Nachmittag nisten wir uns im Hotel Amastris* in Amasra ein, an dessen Pool ein hauseigener Reiher herumstolziert. Abends wird er aus einer Plastikschüssel mit Sardinen gefüttert.

Wir scheinen so ziemlich die einzigen Gäste im Hotel Amastris* zu sein, in der Stadt ist absolut tote Hose. Uns hat nur gewundert, dass in einem anderen Hotel unsere Nachfrage nach einem Zimmer für zwei Nächte nicht erfolgreich war. Eine Nacht statt zwei hätten wir bleiben können, aber ab Samstag sei es ausgebucht. Später werden wir auch sehen, warum ...

Links eine Bucht, rechts eine Bucht und dazwischen das herzige Städtchen Amasra mit Zitatellenhügel. Wir sind in der in unseren Augen schönsten Stadt der Schwarzmeerküste gelandet. Hier nehmen wir uns wieder zwei Tage Zeit, auch wenn wir meinen, hintenraus dann vielleicht mit unserem Zeitplan in die Bredouille zu geraten.

Man erreicht Amasra vom Landesinneren aus. Dann steht man einen Kilometer entfernt oben im hügeligen Hinterland am Straßenrand und schaut auf die Landzunge mit Amasra hinunter. WOW! Mehr hat man dazu nicht zu sagen. Den Tag verbringen wir per pedes in Amasra und schauen uns die Stadt an.

Auf einer gerade mal 200 Meter breiten Landzunge sitzt eine wuchtige Zitadelle, im Westen durch den "Kleinen Hafen", im Osten durch den "Großen Hafen" begrenzt. Eine von den Römern erbaute Brücke führt auf ein Inselchen (namens Büyük Ada – zu deutsch "Große Insel"), dass der Zitadellenhalbinsel vorgelagert ist. Die bisherige Verdienstquelle der Amasraner (nennt man sie so?) – der Bootsbau und die Herstellung von Flechtwerk und Schnitzarbeiten – weicht nach und nach dem Tourismusgeschäft.

Die Bauten in der Stadt sind ein interessanter Mix aus Neu und Alt. Neben alten Konaks, die zusehends verfallen, stehen hübsche neugebaute oder alte, restaurierte Häuser. Als Konaks bezeichnet man die alten osmanischen Patrizierhäuser, Herrenhäuser, meist um die 100-200 Jahre alt und großteils aus Holz, die – restauriert man sie nicht – irgendwann nicht mehr bewohnbar sind.

Schöne alte Konaks in amasra

So langsam geht uns ein Lichtlein auf, warum wir im ersten angesteuerten Hotel kein Zimmer bekamen: am Wochenende – und heute ist Samstag – fallen hier die einheimischen Sommerfrischler ein. Unser Hotel füllt sich. Das wir uns etwas mehr im Tourismusstrom bewegen, merken wir schon daran, dass wir morgens beim Frühstück zwischen herkömmlichen schwarzen Tee und dem mit Instantpulver aufgerührten Nescafè wählen können.

Männer unterhalten sich auf Balkon in Amasra Mutter mit Tochter mit Smartphone in der Hand Ein Fischer repariert seine Netze im Hafen von Amasra

Die Balkone der Häuser sind bevölkert. Was macht Kienzle hier? Ulrich Kienzle oder einer, der aussieht wie Ulrich Kienzle sitzt mit zwei Freunden dort oben auf einem kleinen Balkon mit Schnellabgangshilfe und frönt seiner Lieblingsbeschäftigung: Abwarten und Teetrinken. Noch Fragen, Kienzle?

Die Stadt ist heute wie verwandelt. Die kleinen Läden mit typischen Souvenirkrimskrams werden umspült von Heerscharen Schnauzbarttragenden oder glattrasierten Türken, traditionell kopftuchtragenden (und natürlich mit Handy telefonierenden) oder sehr schick herausgeputzten Einheimischen. Auch Lasen treffen wir (haben aber keine fotografiert). Wir erkennen sie von weitem an der buntgemusterten Festtracht mit viel Schmuckgeklimper am Kopftuch. Sie unterscheiden sich sehr deutlich von den türkischen Frauen.

Natürlich haben wir nicht gefragt, ob sie wirklich dem kaukasischen Volksstamm der Lasen angehören, und eigentlich sind wir auch noch zu westlich, denn die meisten Lasen leben im Nordosten der Schwarzmeerküste, dem vormaligen Lazistan. Grob kann man die Region geographisch zwischen den Städten Batumi (Georgien) und Pazar (Türkei) einordnen.

Die Volksgruppe der Lasen ist ein kaukasisches Volk, mit einer eigenen Sprache, heller Haut und roten Haaren. Ein Händler auf dem Markt hat rote Haare, er ist vermutlich ein Lase. Die Türken anderer Regionen bezeichnen oft aus Unkenntnis der geschichtlichen Hintergründe alle Menschen der Schwarzmeerküste als Lasen. Nur dumm, dass die Lasen in der Türkei so einen ähnlichen Status haben wie bei uns die Ostfriesen.

Abends essen wir unter anderem Iskembe Corbasi. Beim Bestellen bilde ich mir ein, ein schadenfrohes Lächeln im Gesicht des Kellners zu entdecken. Bestimmt freut er sich auf das angeekelte Gesicht der Touristin, wenn sie feststellt, dass man ihr soeben Kuttelsuppe serviert hat. Ha, reingelegt! Er weiß ja nicht, dass ich Kuttelsuppe mag. Es ist noch sehr früher Abend.

Als wir nach dem Essen zum Hotel Amastris* kommen, gibt die Alarmanlage unserer BIG TURTLE beim Entsichern wieder einmal ein wohlvernehmliches, tiefes "Böööp" von sich gibt. Ein untrügliches Zeichen, dass die Alarmanlage angesprungen ist. Jetzt? Mitten am Nachmittag? Wieder mal wollte wohl einer "Nur mal draufsetzen". Nie kommen wir auf den Gedanken, dass jemand versucht hätte, sie zu stehlen.

Sinop