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Schwarzmeerküste | Uzungöl und Soganli-Pass

Nächster Morgen. Vorhaben: Uzungöl und Soganli-Pass. Bisher war es in größeren Höhen immer frisch bis in den einstelligen Temperaturbereich und in 2330 Metern Höhe wird es bestimmt richtig knackig kalt werden! Denken wir. Das Thermofutter bleibt vorsorglich in der Hose.

Nicht umsonst habe ich den Beinamen "Frostsocke" von Leuten verpasst bekommen, die mich gut kennen. Strahlend blauer Himmel und einstellige Temperaturen schließen sich nicht gegenseitig aus. Wir haben uns heute einen Pass vorgenommen, der in Google Earth ziemlich wild aussieht.

Schwankende gefühle und schwindende Zuversicht

Der Pass rangiert zwischen "Verrückt, da müssen wir hinauf!" und "Oh Gott, nee, lieber nicht!" Auf unserer Türkei-Karte ist der Pass in gelb eingezeichnet, als landschaftlich besonders sehenswert gepunktet – er dürfte also kein Problem darstellen. Oder doch? Ähemmm, wieso schreibt der Reiseführer, dass man sich und seinem Fahrzeug diese fürchterliche Strecke nicht antun sollte?

Die Bergflanke, an der sich enge Spitzkehren bis in eine Höhe von über 2300 Metern hinaufwinden, könnte es in sich haben. Die ockergelbe Tönung der Straße auf dem Satellitenbild lässt eine Ahnung der Straßenbeschaffenheit aufkommen. Wir werden sehen ...

Die Auffahrt zum Soganli-Pass führt durch eine enge Schlucht mit Fluß

Vor dem Erklimmen des ostpontischen Gebirgszuges ertragen wir zähneknirschend die vierspurige Küstenstraße bis Of. Kein Schreibfehler! Die Stadt heißt wirklich kurz und prägnant "Of" und die Einwohner nennt man Ofer. Of ist ein sehr konservatives Städtchen.

In dem 20.000-Einwohner-Städtchen Alkohol aufzutreiben dürfte einem Sechser im Lotto gleichkommen. Die Ofer trieben ihre konservative Lebensweise bis vor wenigen Jahren so weit, dass sie ihre Bushäuschen in Männer- und Frauenabteile trennten. An den steilen Hängen ziehen sich zahlreiche Teefelder zwischen Nadelwäldern hinauf. Das anfänglich etwas breitere Fluss-Tal ist gepflastert mit Teefabriken, die vor allem in Caykara das Straßenbild dominieren. Der Ortsname sagt alles.

Die weiteren Kilometer zu dem Pass sind himmlisch. Ein weitgezogenes, gutausgebautes Kurvengeschlängel an einem Fluss, der hier oben noch in ein engeres Flussbett gezwängt wird und so in einer entsprechenden Wildheit auf uns zu schießt. Super griffiger Asphalt!

Angenehme Temperaturen. Noch ist mir das Thermofutter in der Hose angenehm. Die Betonung liegt auf "noch". Vor dem eigentlichen Soganli-Pass (wobei das "g" nicht mitgesprochen wird, also Soanli-Pass) verlockt uns noch ein Abstecher in ein Tal, in dem sich die Stadt Uzungöl befindet. Die mit dem Nieselregen. Dazu gleich mehr. Uzungöl ist eine Bilderbuchstadt an einem hochalpinen See in einer sattgrünen Landschaft aus Wäldern und steil aufragenden Bergen – in Südtirol, könnte man denken. Wäre da nicht die unübersehbare Moschee mit dem Minarett am Seeufer.

Uzungöl - alpenländisches naturfreibad mit Moschee
Panoramablick auf das Dorf Uzungöl mit einer Moschee in der Mitte

Uzungöl liegt achtzig Kilometer südlich von Trabzon und der Schwarzmeerküste an der Straße nach Bayburt und bedeutet sinngemäß "Langer See" – aber der glasklare und nicht besonders lange Hochgebirgssee sieht von oben eher wie ein südtiroler Naturfreibad mit Moschee aus.

Wir erleben ein Uzungöl wie im Bilderbuch. Nein, stopp, wir erleben das Gegenteil! Denn in den meisten Reiseberichten und in Reiseführern, auch in unserem, wird von immerwährenden Nieselregen und tiefhängendem Nebel berichtet.

Apropos Regen. Wir haben die Regenkombis noch kein einziges Mal hervorholen müssen. Den berühmtberüchtigten Schwarzmeerregen haben wir bisher nicht erleben müssen. Dabei hat gerade dieser uns bei unserer Tourplanung am meisten Magengrummeln bereitet! Wow! Was sind wir nur für Glückspilze, diese hochalpine Landschaft im strahlenden Sonnenschein erleben zu dürfen!

Junge vor Motorrad und im Hintergrund eine große türkische Fahne in Uzungöl Blick auf eine Nebenstrecke des Soganli-Pass

Bemerkenswert sind die hölzernen Bauernhäuser. Mit den langen Balkonen an der Frontseite würden sie perfekt in eine Alpen-Landschaft, nach Südtirol oder ins Wallis, passen.

Wir befinden uns in erzkonservativen Kreisen. Internationale Urlauber verirren sich nur selten hierher. So erregen wir auch sofort wieder Aufsehen und müssen Fragen von zwei jungen Burschen beantworten, als wir an einem Speiselokal zu einer kurzen Fotosession anhalten. Ja, ja, unser Pappschild mit den vorgefertigten Antworten malen wir bald!

Uzungöl liegt in einem Seitental, das eine Sackgasse darstellt. Um es zu verlassen, müssen wir zurückfahren zur Staatsstraße D915. Die gut ausgebaute Straße geht in eine Baustelle und der Asphalt schließlich in Naturbelag über. Kein Problem. Wozu hat man denn eine Q? Also wieder mal Offroad. Ohne Gepäck sollte das gehen. Der Weg zieht sich stetig höher am ostseitigen Hang entlang. Jochen als Fahrer und die BIG TURTLE als fahrbarer Untersatz haben schon ganz schön zu kurbeln.

Soganli-pass – verrückt und anziehend
Unbefestigtes Teilstück auf dem Soganli-Pass

Die Straße ist von tiefen Spurrillen gefurcht, Gesteinsbrocken erzwingen Ausweichmanöver, Rinnsale überqueren die Straße und machen den lehmigen Untergrund zur Rutschbahn.

Man soll die Hoffnung auf bessere Straßenverhältnisse nicht aufgeben. Wir durchqueren kleine Dörfer, wo getrockneter Kuhdung an der Hauswand gestapelt wird und Frauen große schwere Bündel aus dürren Ästen den Berg hinaufschleppen. Der Länge nach zu urteilen werden die Stecken zum Anbinden von Bohnen oder anderen Rankpflanzen gebraucht.

Die Piste ist unter aller Sau. Selten sind wir so eine fürchterliche Piste gefahren. Na, vielleicht einmal bei unserer ersten Türkeitour in Westanatolien, aber da ging es neben uns maximal zehn Meter hinunter in einen Fluss.

Hier sieht es anders aus: wir haben rechts neben uns nach der nichtvorhandenen Straßenbegrenzung einen steilen Hang mit einer Luftsäule von hundert bis zweihundert Metern nach unten in das Hochtal. Viel Luft, um ein leichtes Unbehagen zu erzeugen.

Motorradfahrer schaut auf Karte kurz vor der im Hintergrund Auffahrt zum Soganli-Pass Blick zurück auf die Auffahrt des Soganli-Pass

Auf halber Strecke weist ein Schild darauf hin, dass hier ein Abzweig zu einer Yayla – einer Alm – ist, aber wir nehmen uns nicht die Zeit, um diesen Abzweig zu erkunden.

Die Piste wird immer ungeheuerlicher. Jochen arbeitet wie ein Berserker, um die Karre nicht in den Dreck zu schmeißen. Die kindskopfgroßen Gesteinsbrocken, Spurrillen und lehmigen, nassen Abschnitte sind halsbrecherisch. In 1700 Metern Höhe wird mir langsam mulmig und das Gefühl "Nee-lieber-nicht" nimmt immer mehr überhand.

Aber Jochen möchte sich offensichtlich nicht so leicht geschlagen geben. Es müssen erst Baufahrzeuge unseren Weg kreuzen. Sie kommen uns entgegen, so dass wir ohnehin Mühe hätten, an dem schweren Gerät vorbeizukommen. Die Fahrer machen uns klar, dass hier kein Weiterkommen ist. Sie erklären uns wort- und gestenreich, wie wir auf anderem Weg nach Bayburt gelangen.

Aber eigentlich möchten wir ja nicht nach Bayburt, sondern nur diesen verrückten Pass bezwingen. Die Bergflanke mit den Spitzkehren liegt direkt vor uns. In den Kehren liegt noch eine Menge Schnee. Dieser Schnee in Verbindung mit dem Straßenzustand und der steilen Bergflanke – die Vernunft siegt!

Und wenn wir wüssten, welch hervorragende Arbeit unsere Schutzengel während dieser ganzen Zeit geleistet haben, hätten wir uns vermutlich heulend an den unbefestigten Pistenrand gesetzt und gewartet, dass ein großer LKW uns und unsere BIG TURTLE auflädt. Aber wir wissen nichts von den "überengelichen" Anstrengungen – dazu später mehr – und so heißt es "alles retour".

Während der Abfahrt fragt der Weltbeste aller Fahrer unsicher: "Sag mal, ging das bei der Auffahrt neben uns auch so steil in die Tiefe???"

Die Einwohner der Dörfer schauen uns neugierig und freundlich an, wobei die kopftuchverhüllten Frauen eher scheu das Gesicht abwenden, um keinen Blick von den Fremden erhaschen zu müssen.

Eine Fußgängerbrücke aus Holz geht über Fluß ans andere Ufer Dreckige BMW GS Adventure steht auf Wiese nach dem Soganli-Pass

Dass es in den Bergen abseits der Schwarzmeerküste immer etwas frischer ist als am Meer hat sich Fehlinterpretation herausgestellt. Mein Thermofutter in der Hose macht mich fertig! Ich muss raus aus dem Ding! Nur wo? Hier geht es links steil den Hang hinunter und rechts steil hinauf. Und die paar Büsche taugen nicht als Sichtschutz. Generell habe ich keine Probleme mit diesem kurzen Striptease, aber natürlich möchte ich als Frau in Unterhosen bei eventuell vorbeikommenden Einheimischen keinen sittlichen Anstoß erregen.

Es ist zwar keiner zu sehen, aber irgendwo müssen die Straßenarbeiter sein und das nächste Dorf ist auch nicht so weit. Ich bin absolut in Nöten. Schließlich entdecken wir einen Abzweig mit einigen Bäumen und Büschen, die einen leidlichen Sichtschutz bieten. Ich, raus aus der Hose, das Thermofutter rausgeknöpft und gezippt, und schnell wieder rein in die Buxen. Uff, geschafft.

Die ganze Zeit riefen sich irgendwelche, für uns unsichtbare, anatolische Bauern in der Nähe lautstark etwas zu. Wir erinnern uns an einen Ausspruch eines anderen Türkeireisenden, den er uns vor zwei Jahren mit auf den Weg gab: "Denkt daran, egal hinter welchem Stein, Baum oder Busch ihr euch verstecken mögt: es wird immer ein Hirte auftauchen." Und so ist es wirklich: wir fuhren manchmal ewige Zeiten durch die Landschaft und sahen dabei keinen Menschen. Aber wehe, es packt einen ein allzu menschliches Bedürfnis und sucht den nächsten Busch auf!

Die Bauarbeiter hatten uns zwar erklärt, dass irgendwo ein Abzweig sei, der uns in Richtung Bayburt bringt, aber da A) dieser Abzweig in unserer Straßenkarte nicht eingezeichnet ist und uns B) die mistige Piste noch in den Knochen steckt, machen wir keine Experimente mehr. Lieber pilgern wir auf dem gleichen Weg wieder gemütlich bis zu unserem Berghüttchen bei Maçka. So können wir zumindest die Hängebrücken etwas näher betrachten, die wir bei der Herfahrt zwischen Of und Caykara schon entdeckt hatten.

Morgen früh brechen wir beizeiten auf, denn die Fahrt nach Kappadokien erfordert Ausdauer – vor uns liegen annähernd 800 Kilometer.

Kappadokien