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Schwarzmeerküste | von Amasra nach Sinop

Motorrad fährt auf Küstenstraße vom schwarzen Meer Richtung Sinop

Amasra hüllt sich wieder in eine lockere Schäfchenwolkendecke, als wir morgens das Motorrad packen und uns in Richtung Sinop aufmachen.

Die ersten 170 Kilometer bis Inebolu kennen wir von unserer ersten Türkeitour. Die Straße ist zweispurig, aber gespickt mit vielen Schlaglöchern, Bodenwellen und anderen Stolperstellen für gestresste Federbeine. Das ist mit Abstand die mieseste Holperstrecke dieser Tour, aber auch die landschaftlich schönste.

Die Straße windet sich an einer zerklüfteten Küste entlang und bietet immer wieder grandiose Blicke auf tiefblaues Meer mit schwer erreichbaren Buchten. Maximaler Geschwindigkeitsdurchschnitt 30 bis 40 km/h. Mehr ist beim besten Willen nicht drin. Die Strecke ist kaum befahren, nur wenige Autos und noch weniger Lastwagen stören das Fahrvergnügen. Es gibt nur kleine Ortschaften und keinerlei Industrie, was der Grund ist, warum die Strecke so wenig ausgebaut und kaum befahren ist.

Das schiefe Minarett von Denizkonak

Motorrad auf Straße entlang der Schwarzmeerküste

In Denizkonak soll ein schiefes Minarett stehen, dem ein Erdrutsch schon im Jahr 1990 Schlagseite verpasst hat.

Aber leider scheinen die Denizkonaker ein neues Minarett errichtet zu haben, denn wir können beim besten Willen kein schiefes Türmchen erspähen. Schade - wär' ein nettes Fotomotiv gewesen.

Jochen hält an, ich steige mit der Videokamera ab und filme, als neben Jochen ein PKW hält. Ich muss schon grinsen, denn mir schwant, was jetzt kommt. Ich bemerke, wie Jochen förmlich den Kopf einzieht. Über ihm schwebt bedrohlich "Was will denn der schon wieder?" Im Nachhinein müssen wir beide schmunzeln, denn der nette Autofahrer wollte - natürlich - nur "Merhaba" sagen und fragen, ob wir Hilfe bräuchten.

Motorrad steht an Küste im Hintergrund ein Minarett

Wir müssen uns erst wieder dran gewöhnen, ständig angesprochen zu werden. Man will uns die eigene Lebensgeschichte erzählen und meist kommt auch eine deutsche Stadt darin vor.

Beim Halt am Straßenrand werden wir immer wieder gefragt, ob wir eine Panne hätten und Hilfe bräuchten. Wir fühlen uns sehr willkommen und behütet, denn wir hoffen natürlich auch bei einer eventuellen Panne derartige Helfer zu finden. Oder sie uns. Ab Inebolu fährt es sich leichter für unsere schwerbeladene BIG TURTLE. Die Straße wird einen Meter breiter, der Belag durchgängiger und unser Geschwindigkeitsdurchschnitt etwas höher.

Hallo! hallo!

Mitten in der Pampa. Plötzlich plärrt irgendwas neben uns fürchterlich verzerrt: "Hallo! Hallo!" Schreck lass nach! Was war DAS denn? Oh Mann, ein Eisenmast direkt neben uns ist mit Lautsprechern ausgestattet und über dieses verlängerte Sprachrohr ruft der Muezzin:"Allahu Akbar"! Und nicht "Hallo, Hallo!"

Panoramablick auf Sinop direkt am Meer in einer Bucht Motorrad steht bei einem Esel

Wir erreichen eine etwas größere Stadt. Gideros. Sie liegt in einer kreisrunden Bucht, an dessen Ende die Straße wieder den Hügel hinauf klettert. Die Straße führt direkt am Strand entlang und die Anwohner wohnen zwar direkt am Meer, haben aber die Straße immer direkt vor der Nase.

Verflixt, wir hatten uns so darauf gefreut, auf der diesjährigen Tour endlich die Satteltaschen der Motorräder fotografieren zu können. Wir hatten bei unserer ersten Türkei-Tour dauernd Moppeds mit Satteltaschen aus Kelim gesehen und uns dann geärgert, sie nicht auf Fotos festgehalten zu haben.

Später in anderen türkischen Landesteilen sahen wir keine mehr. Und dieses Mal haben wir noch keine einzige dieser Satteltaschen erspähen können! Sind die Dinger plötzlich alle zu Staub zerfallen, oder was? Schade, sie waren eine originelle Variante der Gepäckbeförderung!

Von Amasra bis Inebolu sind es holprige, aber sehr eindrucksvolle 170 km. Sinop ist von Inebolu 160 km entfernt. Dieser Streckenabschnitt ist zwar nicht mehr so eindrucksvoll wie der erste, aber immer noch sehr schön und sehenswert. Und wir schätzen uns glücklich, diese Landschaft bei Sonnenschein und nicht wie befürchtet im Nebel und Regen mit triefenden Eseln teilen zu müssen. Wir steigen nach 330 Tageskilometern in Sinop vom Mopped.

Der Herr aus Kulumbach

Während Jochen seinen Helm absetzt und ich ihn mit der Videokamera filme, sehe ich aus den Augenwinkeln einen alten Herrn auf ihn zukommen. Gleich werden wir wieder eine Lebensgeschichte hören, in der mindestens eine deutsche Stadt in eigenartiger Aussprache vorkommt. Ulum, Schututtgart ... Der alte Herr erzählt uns, er habe über zwanzig Jahre in Deutschland (in "Kulumbach") gelebt, jedoch seinen Lebensabend verbringe in Sinop. Seine Frau und seine Kinder wären nach wie vor in Deutschland. Aber das wäre "Große Scheiße." Zitatende.

Das Otel 57*, einem schmalen Stadthaus in Sinop, finden wir recht schnell. Ein Zimmer zu bekommen ist kein Problem. Der Hotelbesitzer hat lange Zeit in Deutschland gelebt und spricht gut deutsch. Aber wir lernen ihn erst am nächsten Morgen kennen, mit der jungen Dame an der Rezeption müssen wir in Englisch kommunizieren. Die BIG TURTLE wird hinter dem Otel 57* in einer Seitenstraße geparkt.

Kokorec - lecker!

Uferstraße mit Panoramablick auf die Schwarzmeerküste in der Nähe von Sinop

Gleich in der Nähe entdecken wir einen Imbiss, in dem Kokorec zubereitet wird. Genau - dieses selbst bei Türken umstrittene Kokorec. Wir verspeisen genüsslich je eine große Portion Ekmek gefüllt mit scharf gewürztem Kokorec. Dieses Gericht besteht aus Innereien vom Schaf, die mit Kreuzkümmel und Chili gewürzt dick mit Schafdarm umwickelt werden und entweder am Spieß gegrillt oder auf einem Blech gebraten werden. Mit kleingehackten Zwiebeln und Tomaten wird es im halben Ekmek (Brot) serviert.

Eigentlich der urtürkischste Döner, den es gibt - und nicht ein eingedeutschter. Aber nicht jedermanns Sache wegen der Innereien. Ganz am Rande: das bei uns so beliebte, pappige türkische Fladenbrot kennt man hier überhaupt nicht. Üblich ist das weißbrotartige Ekmek, der Pide-Fladen, der wie ein Schiffchen geformt zu einer türkischen Pizza wird oder die fünf Millimeter dicke Gözleme, die mit einer süßen oder herzhaften Füllung zugeklappt wird. Am Hafen schlendern wir in der untergehenden Sonne am Pier entlang und beobachten die Menschen. Oder sie uns? Ich frage mich, warum manche junge Mädchen ihre Köpfe zusammenstecken und offensichtlich über mich tuscheln. Was ist an mir anders als an anderen Frauen? Ohne Kopftuch laufen genug Frauen herum. Das kann es also nicht sein.

Blick aus dem Fenster auf Straße in Sinop

Wenn ich eine Motorradhose anhätte, würde ich die Ursache darin suchen. Ich hatte mich in anderen Ländern schon oft genug über die Blicke amüsiert, die an mir hinunterglitten, um dann immer an den Knien (mit den etwas auftragenden Protektoren) hängenzubleiben. Aber ich trage eine leichte Zipphose und eine Windstopperjacke von Tante Louis - vielleicht sieht das ganze zu männlich aus? Ich werde es wohl nicht ergründen können. Sinop ist eine alte Stadt, mit im Winter 31.000 und im Sommer 100.000 Einwohnern.

Zum Glück ist die Altstadt mit ihrem Fischerhafen und der wuchtigen Zitadelle noch relativ beschaulich. Wenn es auch bei weitem nicht mit dem Charme von Amasra konkurrieren kann. Das Umland ist allerdings fürchterlich zugebaut mit Hotels, Ferienanlagen und privaten Villen. Wir spazieren abends noch an den trutzigen Befestigungsanlagen vorbei, können aber der ganzen Stadtanlage nicht so viel abgewinnen.

Eigentlich wollen wir ja - schon der Statistik wegen - auch den nördlichsten Punkt Anatoliens, eine langgestreckte Halbinsel mit dem Kap Ince Barun und dem Hamsilos-Fjord anschauen. Aber unser Zeitplan ist zu eng gesteckt und so lassen wir es sein, denn die morgendliche Tagesetappe ist auch nicht unter dreihundert Kilometer lang. Das nächste Mal leiern wir unseren Chefs mehr Urlaub aus dem Kreuz!

Die mächtige Zitadelle von Sinop wurde im ersten Jahrhundert errichtet und 1877 richteten die Osmanen darin ein Gefängnis ein. Dieses gruselige Gemäuer sind die einzigen Räume in der Zitadelle, die für Besucher geöffnet sind. 1999 wurde das Gefängnis aufgegeben und nichts an der Inneneinrichtung verändert (sofern man in teilweise fensterlosen Zellen von Inneneinrichtung sprechen kann). Leider ist das Gefängnis-Museum nur bis 18:00 Uhr geöffnet und am Montag ist es wie alle Museen geschlossen - wir sind also für eine Besichtigung am Sonntagabend zu spät dran.

In großen Freisitzen am Pier (Teegärten?) sitzen die Urlauber zu Hunderten in der Sonne, mit Tüten voll großer Sonnenblumenkerne vor sich und knacken diese mit Begeisterung und den Zähnen. In Kappadokien wird ein türkisches Architektenpaar versuchen, uns genau dieses zu lehren - allerdings mit sehr zweifelhaftem Erfolg. Die Schalen hochkant zu knacken und auseinander zu fieseln, schaffen wir einfach nicht.

Bei uns landen Kerne und Schalen zu gleichen Teilen im Mund. Vermutlich wächst uns diese Stadt schon deshalb nicht besonders ans Herz, weil wir schon mit den Hufen scharren. Unser Ziel, der äußerste Nordosten der Schwarzmeerküste mit seinem Kloster Sumela und dem vagen Ziel Kackargebirge rückt näher.

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