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Motorradtour im (böhmischen) Paradies | Český ráj

Motorrad fährt durch Felsentor im böhmischen Paradies
Motorrad in Schräglage im böhmischen Paradies

Unsere Blicke streifen am nächsten Morgen besorgt über den Himmel. Die Wettervorhersage für heute ist nicht so prächtig. Der Himmel ist bedeckt und der Wetterfrosch ulkt, dass wir Schauer und Gewitter bekämen. Aber es ist warm. Die Membrane – die hilfreichste Erfindung des letzten Jahrhunderts für Motorradfahrer – wird uns im Notfall vor dem gröbsten bewahren.

Heute haben wir den ganzen Tag Zeit, um das Böhmische Paradies („Český ráj“) – diesmal wieder standesgemäß auf zwei Rädern – zu erkunden. Im Osten grenzt die sanfte Mittelgebirgslandschaft an die Vorläufer des Riesengebirges und im Norden erhebt sich das liebliche Isergebirge, dessen namensgebender Fluss Izera (Iser) auch durch „Český ráj“ fließt.

Einzelne Teile der Region stehen unter Naturschutz und das gesamte, wesentlich größere Gebiet wurde in die Liste der europäischen Geoparks aufgenommen. Nicht nur die verwitterten Sandsteingebilde der Felsenstädte sind ein Wahrzeichen der Gegend, sondern auch die hoch aufragenden Vulkankegel.

Ein Schlösschen mit Türkenhalbmond
Motorradtour im (böhmischen) Paradies | Český ráj

„Kürzeste Strecke“ und „ungeteerte Straßen vermeiden“ schließen sich anscheinend gegenseitig aus – unser Navi führt uns über einen streckenweise derben Feldweg den Berg hinauf. Ein dicker Steinbrocken kracht gegen unseren Motorschutz. Oben angekommen werfen wir ein Auge drauf: Gott sei Dank. Nix passiert.

Blick auf das runde Jagdschlösschen Humprecht

Nur wenig später erreichen wir Sobotka. Es ist mit dem bemerkenswerten Jagdschlösschen Humprecht auf einem steilen kegelförmigen Vulkanhügel geschmückt. Von weitem sieht man nur den walzenförmigen Turm, der als Abschluß mit einem liegenden, goldglänzenden Halbmond gekrönt ist. Eigenartig. Ein türkischer Halbmond in Tschechien? Der Erbauer Czernin von Chudenice wollte damit an seine türkische Gefangenschaft erinnern. Er ließ das Schlößchen um 1666 erbauen und gestaltete den Turm angeblich nach dem Vorbild des Galataturmes in Istanbul.

Die Gefangenschaft kann nicht so übel gewesen sein, wenn er durch die Form seines Schlosses dauernd darin erinnert werden wollte. Wir haben uns zu Fuss den Berg hinauf gekämpft – die letzten 200 Meter sind für Fahrzeuge gesperrt – können aber oben wegen einer gerade stattfindenden Hochzeit nur einmal um das kreisrunde Schlösschen herumlaufen.

Braun weiß in Streifen bemaltes Blockhaus im Dorf Vesec mit Gartenzaun und Motorrad
Blick auf die mächtige Burg Kost

Im Dorf Vesec sind die typischen Blockhäuser mit der braun-weissen Bemalung zusammen mit dem bäuerlichen Blütenschmuck im Garten und in den Fensterkästen eine Augenweide. Die Burg Kost liegt auch auf dieser kleinen Motorradrunde.

Eine Legende verschaffte der Burg Kost ihren Namen: Bei einer Belagerung biss sich der Hussitenführer Jan Zizka an ihr die Zähne aus und fluchte, es wäre so hart wie ein Knochen, weswegen das gotische Bauwerk den Namen Kost – also „Knochen“ erhielt. Im Gelände um die Burg herum findet gerade ein kleines Ritterlager statt. Reiter brechen hoch zu Ross zu Ausflügen auf und in weissen Zelten tummelt sich das Fußvolk.

Quer durch das Gebiet Richtung Nordosten führen die letzten Kilometer durch einen dunkelgrünen, schattigen Zauberwald, der an einem ziemlich trubeligen Platz endet. Ein Reisebus wartet auf die Insassen, viele Urlauber und Wanderer kreuzen unseren Weg. Oh, Gott, welcher Zirkus! Wo sind wir denn jetzt hingeraten?

Eigentlich hätten wir es uns bei der Fahrt durch den Wald schon denken können, als die Felsen und Steinbrocken links der Straße immer gewaltiger wurden: wir sind an der Hrubá Skála, der zweitgrößten Felsenstadt des Böhmisches Paradieses, angekommen. Was sind wir froh, dass wir in den Prachovské skály (Prachover Felsen) wandern waren und nicht hier! Ein Auftrieb wie auf der Kirmes! Sich mit einer Horde ballerinabeschuhten Urlaubern über himmelwärtsstrebende Steintreppen zu quetschen... da fehlt uns doch glatt die Vorstellungskraft, was uns daran gefallen sollte.

Blauer Trabant steht parkend am Seitenstreifen der Wallenstein-Allee

In Jičín fahren wir durch die Wallenstein-Allee. Eine vierreihige, aus mehr als 1200 Bäumen bestehende Lindenallee, die unter dem legendären Wallenstein (der eigentlich Waldstein heißt und erst durch die Literatur zu Wallenstein wurde) angelegt wurde, also um die 400 Jahre alt sein muss. Die damalige Straßenbreite reichte für zwei Reiter oder vielleicht auch Pferdekutschen zwischen den Baumreihen aus, für heutige Fahrzeuge jedoch ist die Fahrbahn zu schmal. Das hat zur Folge, dass zwischen den Bäumen Fuß- und Radwege verlaufen und der normale Straßenverkehr außen vorbeiläuft.

Blick auf die auf einem bewaldeten Hügel liegende Burg Trosky

Es scheint, als ob wir durch ein unsichtbares Seil an das Wahrzeichen des Böhmischen Paradieses, an die Burg Trosky, gebunden sind und um sie herum treideln. Ständig grüßt uns diese Burgruine mit den zwei hoch aufragenden Türmen Panna (Jungfrau) und Baba (Altes Weib) von ihrem Vulkanberg in der Ferne.

Wir lassen den Abend im Hotel "Skalni Mesto"* ausklingen. Das Restaurant ist in einem hohen Raum mit einer breiten Fensterfront untergebracht und wirkt, als ob es in den 30er eingerichtet und danach keinerlei Veränderung mehr unterworfen worden wäre. Aber die Küche ist phantasievoll und das Personal überaus nett und hilfsbereit. Die Bedienung sieht ein bißchen aus wie unsere ehemalige uckermarkische Staatschefin und spricht ziemlich gut deutsch. Unsere Tschechischkenntnisse müssen nicht hervorgekramt werden – wie bequem.

Riesengebirge | Spindlermühle
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