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Hřensko | Man spreche uns nach: České Švýcarsk

Grünes Boot mit Touristen schippert auf der Edmundsklamm

Das letzte Gebirge in unserer Ost-West-Reiserichtung ist das České Švýcarsk. Wie, man kann das kaum lesen, geschweige denn sprechen? Okay, das ist in deutscher Sprache etwas einfacher: Böhmische Schweiz.

Panoramablick über die bewaldete hügelige böhmische Schweiz

In der böhmischen Schweiz also, dem böhmischen Teil des Elbsandsteingebirges, wollen wir uns ein Zimmer suchen. Es ist unser erster Besuch in dieser Region, die aus wildromantischen Schluchten inmitten einer märchenhaften Sandsteinwelt besteht. Dazwischen Flüsse (die Elbe) oder Flüsschen (die Kamenice), die sich Schneisen durch das weiche Felsgestein gegraben haben.

Zwei Nationalparks, ein deutscher und ein tschechischer, schützen die einzigartigen Felsgebilde und bilden zusammen mit 700 qkm die größte Sandsteinregion Europas. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, tagsüber fahren alte, restaurierte Busse zwischen Sächsischer und Böhmischer Schweiz hin und her. Einmal Festung Königstein – von hier aus also auch kein Thema.

Reich verziertes Haus mit zwei Balkonen in Hřensko

Ganz in der Nähe, aber nicht so nah, dass man mit dem Motorrad weit genug hinfahren könnte, befindet sich das Prebischtor (Pravčická brána ), die größte natürliche Felsbrücke in Europa, und gleich in der Nähe zwei Klammen, die sich der Fluss Kamenice gegraben hat. Das Felsentor und die zwei Klammen lassen sich zu einer spannenden Wanderung verbinden. Dafür benötigen wir aber ein Hotel, das uns eine Wanderung ermöglicht, ohne mit dem Motorrad anreisen und eine umständliche Umkleideorgie veranstalten zu müssen.

Nur zwei Orte kommen als Basisstation in Frage: Mezna und Hřensko. Wir beginnen mit der Zimmersuche in Mezna. Das erste Hotel: voll. Okay, es war zu erwarten. Wir hatten es am Vortag schon in booking.com gecheckt, aber gehofft, dass sie auch noch ein „geheimes Kontingent“ haben.

Strtsch prst skrs krk
Touristen laufen entlang der Hauptstraße an Verkaufsständen vorbei in Hřensko

Wir erreichen den Ort Hřensko. Wir sprechen ihn unbedarft „Rensko“ – das ist jedoch falsch. Ein Ortsname mit Tücken, mit dem Fieslingsbuchstaben ř im tschechischen Alphabet, den ganz gewiss kein Deutscher auf Anhieb korrekt aussprechen kann. Wir haben es nicht gleich gecheckt, dass es nicht "Rensko" oder "Chrensko" heißt. Rschensko. So in etwa wird das Ganze klingen. Schnell ausgesprochen merkt man vielleicht nicht, dass wir das Rsch nicht können?

Die tschechische Sprache ist beides: einfach und kompliziert. Wir kennen dieses ř aus Dvořak? Aber den Namen Dvořak so zu sprechen heißt noch lange nicht, dass es so klingt, wie es klingen sollte. Erst einmal die Aussprache: im Grunde einfach, jedes Wort wird so geschrieben, wie es auszusprechen ist. Und stets auf der ersten Silbe betont. Den einfachen Teil haben wir damit abgehandelt. Kommen wir zum schwierigen Teil: der Grammatik. Bei diesem Thema muss man es sich dann eingestehen: tschechisch ist eine der verzwicktesten Sprachen in Europa. Sie hat sieben Fälle und zahllose grammatikalische Ausnahmeregeln.

Skulptur beim Geheimnisvollen Haus in Hřensko

Versuchen wir uns jetzt mal an einem der tschechischen Zungenbrecher, die ganz ohne Vokale auskommen: Strč prst skrz krk. Lautmalerisch geschrieben: Strtsch prst skrs krk. Sieht gut aus, gell? Heißt soviel wie „Steck den Finger durch den Hals.“

Es gibt noch einen anderen Satz – wer diesen Satz mit dem vertrackten Fieslingsbuchstaben zufriedenstellend aussprechen kann, der hat‘s geschafft.

Und jetzt alle: Třista třicet tři stříbrných stříkaček přeletělo přes třista třicet tři stříbrných střech. Wer die Übersetzung wissen will: 333 silberne Feuerspritzen flogen über 333 silberne Dächer.

Kirche in der Dorfmitte in Hřensko

Am Anfang des Ortes, im Hostinec „U Emigranta“, fragen wir nach einem Zimmer. Schon der Gang zum Zimmer... Überall Dreck, Gestank (das Klo?), Spinnweben und dann diese sauenge, „schwingungsgelagerte“ Wendeltreppe, für die ein Knapp-Zweimeter-Mann mit (nur einem!) Motorradkoffer eine Herausforderung darstellt. Über die Zimmer hüllen wir uns in Schweigen und verabschieden uns mit mittelschwerem Frösteln. Ein Stückchen weiter: Hotel Praha*. Das traditionsreichste Hotel am Platz, um die 100 Jahre alt, macht einen guten Eindruck. Aber es wäre nur ein größeres Appartement frei. Ein Zimmerchen würde uns eigentlich reichen, wir ziehen also weiter, zur Pension Lugano.

Der Herr des Hauses zieht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Seine genervte Mine scheint zu sagen: „Schon wieder Gäste! Was soll ich denn mit denen?!“ Er hat keinen Bock auf Gäste. Oder auf Motorradfahrer. Oder beides. Seine Bedienung kündigt das Zimmer als „small, but cheap“ an und führt uns in den allerobersten Stock. In das letzte Eck. Ins letzte Zimmer. Im wahrsten Sinne. Ein Zimmer mit einem Doppelbett. Mehr passt nicht rein. Danke.

Ein altes Haus eingebaut zwischen Felsen mit Auto davor in Hrensko

Das Haus auf dem Foto ist nicht die soeben beschriebene Pension Lugano, sondern ein Haus (auf einer Tafel als "Geheimnisvolles Haus" bezeichnet, das man in einer tiefen Felsnische nahe eines Baches findet. Es ist düster und kühl dort. Sonnenstrahlen werden wohl nur um die Mittagszeit auf die grauen Schindeln des Daches treffen. Bestimmt wurde das Haus schon als Kulisse für Horrorschocker benutzt, unterlegt mit einem düsteren Musikstück von Chopin.

Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1905 und ist als Gaswerk erbaut worden. Hier wurde Acetylen als Lichtgas hergestellt, das für die Beleuchtung benachbarter Gebäude gebraucht wurde. Acetylen entsteht durch die Zersetzung von Calciumkarbit mittels Wasser, darum auch der plätschernde Bach direkt am Haus. Weil der Bedarf von Acetylen durch die fortschreitende Elektrifizierung immer kleiner wurde und die Herstellung auch nicht ungefährlich vonstatten ging, wurde das Gaswerk stillgelegt und anschließend immer mehr zu einer Ruine. Im Jahr 2004 kaufte es ein privater Investor und restaurierte das ganze Gebäude. Heute kann man es als großes Ferienhaus mieten, mit einer Wohnfläche von 173 qm und vier Schlafzimmern lassen sich bequem zehn Personen unterbringen.

Zurück zu den Anfängen. „Das ging ja schnell.“ meint die deutschsprechende Dame an der Rezeption des Hotel Praha*. Und sie freut sich so über unsere Wiederkehr, dass sie nun doch ein freies Doppelzimmer für uns findet. Es gibt hier sechs, leicht abschüssige Autoparkplätze. Wir fragen die Dame an der Rezeption, ob wir das Motorrad dort stehen lassen sollen. Sie hätte einen speziellen Parkplatz, meint sie, und das Motorrad würde dann an einem sicheren Platz parken. Eine Tiefgarage gibt es nicht, also was meint sie? Bald werden wir staunen.

Direkt an den Fels gebautes Hotel mit grünem Dach in Hrensko

Das vierstöckige Gebäude klebt förmlich an den Felsen, die dahinter steil aufragen. Die Kamenice quetscht sich durch den Ort, teilt ihn in zwei Hälften und fließt schließlich am Ortsausgang in die Elbe. Früher lebte der Ort vom Schmuggel und dem Holzverkauf. Die Stämme wurden auf der Elbe bis nach Hamburg geflösst.

Heute spielt der Tourismus die größte Rolle im Ort. Beim Elbehochwasser im Jahr 2002 und auch 2010 wurde Hřensko überflutet. Das Erdgeschoss des Hotel Praha* stand komplett unter Wasser. Einige Fußgängerbrücken wurden von den Fluten weggerissen. Mittlerweile ist von diesen Schäden nichts mehr zu sehen, es wurden neue Brücken gebaut, die Häuser renoviert und die Straßen in Stand gesetzt. Auch die Klammen, die wir noch besuchen wollen, waren damals für Monate verwüstet und gesperrt.

Blauer Scherenaufzug wird zur Garage für ein Motorrad am Hotel in Hrensko

Schließlich wird die „Dicke“ untergebracht. Wir staunen nicht schlecht: sie darf Aufzug fahren! Auf einem blauen Scherenaufzug werden vermutlich sonst zentnerschwere Kartoffelsäcke und Bierfässer hoch vor die Küche im ersten Stock gehievt. Dort oben im ersten Stock ist ein kleiner Platz im Freien, auf dem nach der Liftfahrt auch die BMW stehenbleiben darf. Geilster Parkplatz ever! Und nur der Koch hat den Schlüssel ...

Unsere Barschaft in tschechischen Kronen geht zu Neige. Wir fragen zweimal nach: Es gibt echt keinen Geldautomaten in Hřensko? In diesem Ort, der in einigen Bereichen wie ein riesiger Asiamarkt aussieht? Wo der Duty-Free-Shop in Travel-Free-Shop umbenannt wurde und wo selbst die Lebensmittelläden von aus sozialistischen Zeiten übriggebliebenen Vietnamesen geführt werden? Erst in Děčín oder in Bad Schandau kann man die Geldbörse wieder auffüllen. Wir werden uns mit Euros durchschlagen müssen, was im Grenzgebiet vermutlich kein Problem darstellt. Einkaufen könnten wir hier jede Menge Schund und Tand. Billige Raubkopien von Shirts, Jeans, Schuhen, Softshelljacken bekannter Marken, aber natürlich auch Zigaretten, Weidenkörbe und Gartenzwerge. Weiter vorn, zur Elbe hin, reiht sich eine Bude an die andere. Wer kauft dieses Zeugs nur alles? Trotzdem: Hier zu übernachten bietet sich trotz der unschönen Asiamarktatmosphäre in Teilen des Ortes wegen der Nähe zum Nationalpark absolut an.

Prebischtor | Wilde Klamm | Edmundsklamm
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