VG Wort

Motorradtouren Tschechien Südmähren Pavlov | Pollauer Berge

Pavlov ist das älteste Weinbaudorf

Blick von der Maidenburg auf Pavlov, das älteste Weinbaudorf der südmährischen Region

Pavlov ist das älteste Weinbaudorf der südmährischen Region und befindet sich an den Neumühler Stauseen (Vodní Nádrž Nové Mlýny) unterhalb eines Mikro-Kalkgebirges, das man die Pollauer Berge (Pavlovské vrchy) nennt. Die Region ist das wärmste und trockenste Gebiet Tschechiens und dadurch prädestiniert für den Weinanbau.

Die Neumühler Stauseen präsentieren sich wie auf einem Serviertablett vor uns. Zwei Straßen durchschneiden auf Dämmen den Stausee, nein, die Stauseen.

In Pavlov mit ein paar hundert Einwohnern, von denen gefühlt die Hälfte als Winzer tätig sind, haben wir uns in einem Haus eingecheckt, das bisher noch nie wirklich so unser Fall gewesen wäre: dem familiären Wellness Hotel Iris. Es nennt sich so, weil es Massagen, Whirlpool und Sauna anbietet. Diese Angebote nutzen wir nicht, sondern haben uns ausschließlich vom Preis locken lassen: Unter der Woche unterbietet das Hotel schlichtweg alle Preise für vergleichbare Zimmer oder Appartements und spendiert noch ein Frühstück dazu. Dafür verdoppeln sich am Wochenende die Preise. Das soll uns jedoch einerlei sein, da wir dann schon wieder weiterreisen.

Nur ein Blinder wird die hochaufragenden, weißen Sandstein-Felsen mit der Burgruine Hrad Děvičky (Maidenburg) hinter Pavlov übersehen. Sie ist zusammen mit den zahlreichen Weinkellern das Wahrzeichen von Pavlov. Schon beim Rundgang durch das Dorf sind die hellen Mauern der Burgruine immer markant zu sehen. Wir wappnen uns mit festem Schuhwerk. Uns erwartet ein kräftiger Anstieg, aber von nix kommt nix. Vor dem Erfolgserlebnis liegen Schweißtropfen und schneller werdender Atem. Scheibenkleister, was sind wir doch untrainiert! Der Winter war lang, das Wetter ständig regnerisch, da lässt die Kondition arg zu wünschen übrig. Puuh! Nach 250 Höhenmetern sind wir endlich oben.

Puuh! Nach 250 Höhenmetern sind wir endlich oben und können einen herrlichen Blick auf den Stausee genießen.

Wir werden mit einer herrlichen Aussicht auf Pavlov belohnt. Zudem präsentieren sich die Neumühler Stauseen wie auf einem Serviertablett vor und unter uns. Zwei Straßen durchschneiden auf Dämmen den Stausee, nein, die Stauseen! Es sieht zwar aus wie ein sichelförmiger See – es sind durch die zwei Dämme jedoch faktisch drei! Die Stauseen müssen wohl in den 1970er Jahren angelegt worden sein und die drei Teile erfüllen auch drei verschiedene Zwecke. Erholung, Natur, Wasserspeicher, so in etwa.

Irgendwo im östlichen Teil des Stausees soll es einen großen Campingplatz „like Bibione“ mit einem 6000-Menschen-Fassungsvermögen geben. Von dem damit in der Regel verbundenen Trubel bekommen wir während unseres Aufenthalts in der Region jedoch absolut nichts mit, es ist zu früh, wettertechnisch sowie jahreszeitlich. Der ganze See ist noch in den Händen von Einheimischen sowie ein paar wenigen Urlaubern. Ein richtig kleines Idyll ohne Trubel. Nur wenn man sich in die Karte von mapy.cz reinzoomt, kann man in manchen Dörfern an der Vielzahl der „Betten-Icons“ ermessen, wie beliebt die Region bei Urlaubern ist.

Noch ein Stückchen höher, auf dem 549 Meter hohen Berg Devin, zerrt der Wind zu heftig an uns und verhindert so die Gipfelmahlzeit.

Weiter geht’s, noch ein Stückchen höher, zum 549 Meter hohen Berg Devin, den ein Funkturm krönt. Eigentlich wollten wir uns irgendwo hier oben für ein Päuschen niederlassen. Für jeden Wanderer stellt das Picknick am Gipfel ja immer die Krönung des anstrengenden Aufstiegs dar. Das ist bei uns nicht anders. Der Wind bläst hier jedoch heftig und die Sonne kann das Windchilldefizit nicht ausgleichen. Die Pause ist gecancelt und wird später im schützenden Wald unterhalb nachgeholt. Als wir wieder weiter hinunter kommen, lauern in den Magerwiesen Dutzende Feldgrillen am Eingang ihrer Baue auf Beute. Oder schnappen sie nur frische Luft?

In Abwandlung des Gutankommerbiers der Motorradtouren trinken wir nach der Wanderung einen mährischen Gutrunterkommerwein.

Nach unserer Wanderung wieder zurück in Pavlov: Am Weinkeller „Pohárek“, was übersetzt „Becherchen“ heißt, bestellen wir zwei Gläser Wein. Einen Kerner und einen Merlot, zwei Träumchen aus den lokalen Weinbergen. Wir spüren in uns hinein. Wird uns morgen ein Muskelkater plagen? Ach was! Die leckeren Weine werden die Säure aus den Muskeln spülen. Darauf trinken wir doch noch ein zweites Glas!

Wenn man den Archäologen Glauben schenken darf, dann wurde in Mähren schon im zweiten Jahrhundert Wein gekeltert. Auf 18.000 Hektar finden sich heutzutage in Tschechien Weinreben, 96 Prozent dieser Fläche befindet sich in Mähren. Zum Vergleich stellt Rheinhessen mit 26.500 Hektar das größte Weinanbaugebiet Deutschlands dar, gefolgt von unserer geliebten Pfalz mit 23.500 Hektar. Somit ist die tschechisch Menge doch gar nicht so gering, wie man angesichts des Bekanntheitsgrades mährischen Weines vermeinen wollte. Im Großen und Ganzen liegt die Unbekanntheit wohl eher an der spärlichen Vermarktung in deutschen Breiten. Vermutlich sind auch die Ressentiments aus den 1990er Jahren schuld? Im Osten herrschte ja bekanntlich immer die Devise „Masse statt Klasse“. Qualität war nicht gewünscht und somit auch nicht oder kaum vorhanden. Das ist heute jedoch ganz anders. Beim Besuch der Weinkeller merkt man, die mährischen Winzer brennen für Ihre Weine!

Weinberge wohin man sieht, da muss sich das Rheinland oder die Pfalz nicht verstecken! Auch nicht der Wein.

Zudem ist Tschechien ein klassisches Bierland oder anders: es wird als solches wahrgenommen. Im weltweiten Ranking ist es das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Bier. Im Jahr 2021 summierte sich der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum auf mehr als 184 Liter. Deutschland liegt auf einem abgeschlagenem Platz mit 90 Litern. Aber im Süden Mährens bemerkt man deutlich Verwerfungen. Die Bierregale sind bei weitem nicht mit der gleichen Sortenzahl gefüllt wie in Böhmen. Vor allem dunkles Bier scheint hier nicht so gefragt zu sein wie im gesamten Böhmen. Im Supermarkt ist mit Müh' und Not noch eine Sorte der Bezeichnung „černé“ (schwarz) oder „tmavý“ (dunkel) zu finden, währenddessen wir zum Beispiel im Restaurant in Pavlov mit einer hellen Biersorte vom Fass vorliebnehmen mussten. Kann auch Zufall sein, würde sich aber ins Bild der Weinregion fügen.

Weinkellerdorf Nechory
detailansicht