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Mikulov – das Schmuckstück Mährens

Am Schloss von Mikulov waren sehr phantasievolle Bildhauer am Werk, wie die Statuen ums Schloss herum zeigen.

Am nächsten Morgen haben wir einen weiten Weg bis nach Mikulov, wo wir eine Ferienwohnung beziehen. „Weiter Weg“ ist natürlich Schmarrn, denn die Kleinstadt liegt nur zehn Kilometer von Pavlov entfernt. Die 7500-Einwohner-Städtchen Mikulov ist das Schmuckstück Mährens. Auch hier waren das Adelsgeschlecht Liechtenstein an der Stadtentwicklung maßgeblich beteiligt. Sie erhielten die Burg im Jahr 1249 geschenkt und begründeten so Nikolsburg, wie die Stadt auf deutsch heißt. Nach dem zweiten Weltkrieg ereilte sie das Schicksal so vieler grenznaher Gemeinden, die zu bedeutungslosen grauen Mäusen mutierten. Seit dem Untergang des Kommunismus erlebt Mikulov jedoch einen zweiten Frühling und erblüht zu neuer Schönheit.

Das Geschlecht Liechtenstein erhielt die Burg im Jahr 1249 geschenkt und begründeten so Nikolsburg, wie die Stadt auf deutsch heißt.

Bei einem stimmungsvollen Stadtrundgang geraten wir am Abend mitten hinein in ein Stadtfest, mit kulinarischen Köstlichkeiten und einer Musikbühne auf dem „Platz“. Namesti, der Hauptplatz, heißt nämlich ganz bescheiden übersetzt einfach nur Platz.

Mikulov liegt in einem von drei Hügeln umschlossenen Becken. Gute Böden und sonnenverwöhnte Hänge ließen den Landstrich zum Winzereldorado werden. Weinberge auf mehr als 4700 Hektar Grund – da ist es kein Wunder, dass beim heute stattfindenden Stadtfest Wein das Hauptgetränk darstellt.

Die Wallfahrtskirche St. Sebastian auf dem heiligen Berg wurde 1629 nach Überwindung der Pestepidemie errichtet. St. Sebastian ist der Schutzheilige der Pest.

Wir wundern uns anfangs über Menschen, die große weiße Leinenbeutel um den Hals tragen und reimen uns zusammen, es seien Wanderer. Oder Urlauber, die auf diese Weise als Mitglieder einer Reisegruppe oder Pilgergruppe gekennzeichnet werden. Bis wir auf den Platz kommen und dort sehen, dass einige Besucher dort auch dieses auffällige Säckchen spazieren tragen. Nanu, so viele Pilger oder Mitglieder einer Reisegruppe? Aber so versprengt? Erst bei näherem Hinsehen werden wir dann gewahr, dass in dem Beutel jeweils ein Weinglas transportiert wird! Wir schlagen uns symbolisch an die Stirn. Klar, das ist logisch und vor allem praktisch: In der Abendsonne durch Schloss und die holprigen Gassen zu ziehen und dabei nicht dauernd das Weinglas in der Hand halten zu müssen!

Auf zum Bunker
An einigen wenigen Tagen im Jahr kann man den Bunker in Sichtweite von Mikulov besuchen.
Weinberge soweit man blickt und im Hintergrund die Pollauer Berge

Am nächsten Morgen biegen wir von der Landstraße unweit Mikulovs ab und ermitteln vor einem Verkehrsschild mit Google Lens den Gehalt des Zusatztextes: Durchfahrt verboten, Zusatz: Außer für Transportangelegenheiten. Okay, wir transportieren uns selbst. Nur wenige hundert Meter weiter wird ein alter Bunker von einem militärhistorischen Verein betreut und kann an einigen Samstagen im Jahr einige Stunden lang besichtigt werden. Heute ist so ein Samstag. Wir gehen trotzdem nicht hinein in den wehrhaften Betonbau, da gerade eine Fahrradgruppe in dessen Inneren verschwand und wir aus den tschechischen Ausführungen sowieso nichts entnehmen hätten können.

Der Bunker schien eine wichtige Funktion bei der Verteidigung Mikulovs innezuhaben, so nah wie er gebaut wurde.

Wir haben heute nicht wirklich geplant, was wir anschauen, sondern lassen uns einfach treiben. Die Region um Mikulov gibt einiges her für Naturliebhaber. Aber auch die Weinkenner sind hier bestens aufgehoben, denn der mährische Wein kann sich sehen lassen!

Wenige Kilometer weiter ersteigen wir den zehn Meter hohen Aussichtsturm in Drnholec (Dürnholz). In der Ferne ragen die Pollauer Berge in den Himmel, die höchste Erhebung der Region. Auf unserer Karte entdecken wir einen Punkt, über den wir nicht viel mehr wissen, als da steht: Ausgrabung einer römischen Festung. Wir sind zunehmend begeistert von der tschechischen Online-Karte mapy.cz, dem Pendant zu Google maps. Mit einer übersichtlichen, fein gezeichneten und detaillierten Grafik erscheint sie wesentlich eleganter als ihr Big Konkurrent. Natürlich auch mit Icons, die auf Unterkünfte, Supermärkte und Restaurants hinweisen. Selbst Brunnen, Picknickbänke und Hausnummern sind vermerkt. Bei Tankstellen-Symbolen erfährt man auch die zwei wichtigsten Preise. Wir nutzen meist die Kartenart „Wanderkarte“, die Fülle von Infos ist in unseren Augen beispiellos. Auch Streetview-Ansichten sind verfügbar, allerdings gelegentlich schon einige Jahre alt, aber das ist bei Google ja auch nicht anders.

Auf jeden Fall ist nördlich des Neumühler Sees ein Symbol mit der Bezeichnung „Rímska vojenská stanica“ vermerkt, übersetzt mit „Roman fortress in Moravia“. Da fahren wir jetzt hin. Bei genauerer Besichtigung des Areals wird uns nun auch klar, warum das römische Relikt in unserem Reiseführer keine Erwähnung findet, nämlich weil es nach der archäologischen Erkundung wieder in der Erde verschwand. Es ist heutzutage nur noch ein Feld, an dessen Rändern einige große Tafeln erklären, was man bei jahrzehntelangen Ausgrabungen unter der Erde fand. In einer ausgedehnten römischen Festung und Heereslager versammelten sich anno dazumal also wehrhafte römische Soldaten. Heute surren über das Feld oberhalb von Weinbergen massenhaft Schmetterlinge und Insekten. Im Sommer schallt bestimmt auch vielstimmiges Kindergeschrei vom Fuß des Berges herauf. Denn dort unten befindet sich in einiger Entfernung unübersehbar bunt das „Aqualand Moravia“, mit 20 Rutschen und 12 Becken ist es das größte Erlebnisbad Tschechiens.

Ein kleiner blauer Fleck auf der Karte
Der Überflutete Steinbruch Janičův vrch bei Marianske Mlyn (Marianen Mühle) wurde vor nicht allzu langer Zeit zum Naturdenkmal erklärt, um seine Flora und Fauna zu schützen.

Im Osten von Mikulov entdecken wir auf der mapy.cz-Karte einen kleinen blauen Fleck.

Der Überflutete Steinbruch Janičův vrch bei der Marianske Mlyn (Marianen Mühle) wurde vor nicht allzu langer Zeit zum Naturdenkmal erklärt, um seine Flora und Fauna zu schützen. Der Zutritt zu den zwei beliebten Badeseen (bei höherem Wasserstand ist es dann vermutlich ein einziger) inmitten hoher Felswände wird in den Sommermonaten streng reglementiert. Nur 100 Besucher gleichzeitig dürfen sich im See abkühlen und müssen dabei strengen Auflagen folgen, wie keine Einwegbehälter mit Getränken oder Speisen mitzubringen, auch die Verwendung von bestimmten Sonnenölen wird untersagt, weil das Wasser verunreinigt werde. Doch aktuell sind wir allein am Steinbruch. Von sommerlichen Temperaturen und dem daraus folgenden Treiben sind wir weit entfernt. Nur Spaziergänger und einige wenige Radfahrer sind auf der am Steinbruch vorbeiführenden Straße unterwegs.

Statue des Heiligen Leonhard, des Schutzpatrons der Bauern, entfernt leuchtet das Wasser der Neumühler Stauseen.

Noch eine kleine Runde durch die ausgedehnten Weinberge und malerische Dörfer, das bietet sich jetzt an. Oberhalb Kletnice ragt die Ruine Sirotčí Hrádek, eine gotische Burg, in den Himmel. Seit dem 16. Jahrhundert verfällt sie leider. Von der Kuppe blinkert uns in der Ferne wieder das Blau der Neumühler Stauseen entgegen. Vor uns liegen viele Hektar Weinreben, am Wegesrand eine Figur.

Soll die Statue an die Mühsal der Weinbauern erinnern? Sie wirkt mächtig düster, irgendwie passt sie überhaupt nicht zu dem eher beschwingten Weinthema. Aber vielleicht soll dieser „Weinbergwächter“ ja auch Schädlinge wie die Reblaus oder den Mehltau von der Weinregion fernhalten? Ein QR-Code klärt auf. Mit unserer Wächterfunktion lagen wir gar nicht so schlecht. Es ist eine Statue des Heiligen Leonhard, des Schutzpatrons der Bauern. Die Vorgängerfigur stand seit 1791 an einem Weg, der durch den vor uns liegenden Weinberg Nad svatým Leonardem zwischen Pavlov und Klentnice führt. Da die ursprüngliche Figur nicht mehr existiert, erschuf ein Künstler vor ein Jahren diese neue.

Lächerlich, wie weit die Karawane zieht
Mähren und Wein gehört untrennbar zusammen. Vergleichbar ist das mit der Pfalz.

Wir ziehen wieder einige Kilometer weiter. Es ist verwunderlich, wie gefragt die Unterkünfte jetzt in der Vorsaison schon sind. Wir hatten uns die Suche wesentlich einfacher vorgestellt. Viele Unterkünfte sind ausgebucht, wie uns die einschlägigen Portale anzeigen oder auch die Vermieter bei unserer Nachfrage mitteilen. Das überwiegende Gros der Urlauber kommt aus dem Inland. Vielleicht haben wir auch eine Schulferienwoche erwischt? Oder man ist Anfang Mai noch nicht in Urlauberlaune und vermietet noch nicht? Egal, das lässt sich, selbst wenn es so wäre, nicht mehr ändern. Unsere Ferienwohnung in Mikulov ist ab morgen anderweitig belegt, weswegen wir unser Quartier ein weiteres Mal verlegen, in die reichlich 50 Kilometer westlich von Mikulov gelegene Stadt Znojmo (Znaim).

Gegenüber unserer Reisedistanzen der letzten Jahre ist es fast lächerlich, wie nah die Stadt Znojmo liegt. Jedoch hat dieser Standortwechsel auch etwas für sich. Wir wohnen vor Ort, müssen also nicht erst anreisen, um die Stadt sowie die Umgegend zu erkunden. Und besonders gern genommen: am Abend eine kleine Altstadt-Eroberung zu Fuß, mit dem Höhepunkt, einem Gläschen mährischen Weins in einer stimmungsvollen Kulisse.

Schloss Grusbach
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