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Mährischer Karst | Macocha Schlucht

Die Tropfsteingebilde sind eindrucksvoll, noch mehr aber die Fahrt mit dem Boot durch die gefluteten Stollen.

Bei unserem ersten Mähren-Aufenthalt vor vielen, vielen Jahren übernachteten wir in Krtiny (Kiritein), einem kleinen Dorf mit einer riesigen, prunkvollen Marien-Wallfahrtskirche, die für den kleinen Ort mit reichlich 800 Einwohnern mordsmäßig überdimensioniert erscheint. Großen Eindruck hinterlässt das Dorf nicht, wenn man von dem sakralen Bauwerk absieht. Auch die Künste des Kochs im Restaurant der Pension haben damals bei uns wenig Eindruck hinterlassen. Am zweiten Abend unseres damaligen Aufenthalt folgten wir dann einem Grundsatz, der noch immer gilt: Geh dorthin, wo die Einheimischen hingehen. Gleich vis a vis der Kirche befand und befindet sich noch heute ein Hostinec. Die Einrichtung stammt vielleicht noch aus alten Zeiten, aber das Essen ist bodenständig, schmackhaft und wie von Muttern gekocht. Doch kommen wir zurück ins Heute, wo wir in Pavlov am Rande der Pollauer Berge wohnen und einen Ausflug in den mährischen Karst unternehmen.

Auf kleinen Nebenstraßen zum Schlachtfeld
Solch eine farbenfrohe Mai-Landschaft wird nur von Landschaft in Herbstfärbung getoppt.

Ein prächtig gefärbter Fasanenhahn stolziert seelenruhig über die Straße und veranlasst uns zu einer kräftigen Bremsung. Welch schönes, majestätisches Tier! Er nimmt sich alle Zeit der Welt. Als wolle er uns zeigen, dass er hier der Boss der Straße ist. Mit erhobenen Haupt verschwindet der gefiederte Verkehrschef im wogenden Getreidefeld. Auch im weiteren Straßenverlauf verschaffen uns immer wieder am Verkehr teilnehmende Fasanenhennen eine gemäßigte Fahrweise.

In der Ferne ragen schemenhaft die obligatorischen Plattenbausiedlungen am Speckgürtel von Brno (Brünn) in den Himmel. Als erstes suchen wir das Schlachtfeld von Austerlitz. Die Schlacht zu Austerlitz – zumindest vom Namen her dürfte sie vielen Menschen ein Begriff sein. Weil an der Schlacht (2. Dezember 1805) bei Austerlitz drei Kaiser – der französische Kaiser Napoleon I., der russische Zar Alexander I. und der österreichische Kaiser Franz – an der Front ihrer Armeen teilnahmen, wird sie zeitweise auch als die „Drei-Kaiser-Schlacht“ bezeichnet.

Auf dem Pracký kopec (Pratzeberg) bei der Gemeinde Prace (Pratzen) errichtete man 1909 das Austerlitz-Denkmal, das an die Schlacht von Austerlitz erinnert.

Wir lassen uns von Schildern mit der Aufschrift „MOHYLA MIRU" leiten. Auf dem 324 Meter hohen Pracký kopec (Pratzeberg) bei der Gemeinde Prace (Pratzen) errichtete man 1909 das Austerlitz-Denkmal, das mit diesem „Mohyla Miru“ ausgeschildert ist. Übersetzt heißt dies „Grabhügel des Friedens“, „Mir“ ist der Frieden, auch im Russischen. In der Umgegend findet man noch einige kleinere Denkmale, die an Napoleon und die historische Schlacht erinnern. Im angrenzenden Wald singt gerade wieder ein Pirol, herrliche Töne, die man als Stadtbewohner gar nicht mehr kennt. Aktuell ist es nicht besonders malerisch: eine Schulklasse mit Pubertieren lärmt übers Gelände, in Konkurrenz zu den Bauarbeitern, die das Gelände umgestalten. Wir machen uns vom Acker, Richtung Mährischer Karst.

Auf dem Pracký kopec (Pratzeberg) bei der Gemeinde Prace (Pratzen) errichtete man 1909 das Austerlitz-Denkmal, das an die Schlacht von Austerlitz erinnert.

Ein kleiner Korridor mitten im Brünner Umland mit dichten, wasserreichen Wäldern und kurvenreichen Sträßchen nennt sich Mährischer Karst, von der Fläche her ist er nur ein kleines Handtuch in der Landschaft: zwischen drei und sechs Kilometer breit und rund 25 Kilometer lang. Das Karstgebiet besteht vorwiegend aus dichten Mischwäldern mit vielen Wasserläufen in den zahlreichen Schluchten und Tälern. Am Rande erinnert die Landschaft streckenweise an das Altmühltal. Die Straßen sind manchmal von mittelprächtiger Qualität, nicht besonders schlecht, aber auch nicht besonders gut. Wenn man nicht aufpasst, landet man unweigerlich auf einem nicht gesperrten, geschotterten Waldweg.

Mit der Seilbahn in den Untergrund

Im Karstgebiet fließen aus den umliegenden Gebieten große Wassermassen heran und haben das Entstehen von mehr als 1000 Höhlen ermöglicht. Flüsse tauchen auf und verschwinden wieder im porösen Untergrund. Fünf Höhlen sind bislang für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die größte und eindrucksvollste Höhle ist die Punkevní jeskyně (Punkva-Höhle) mit der Macocha-Schlucht, die wir heute besuchen werden.

Auf der Plattform mit Blick in die Macocha-Schlucht. Hui, gut, dass das Geländer heute stabiler ist als vor 15 Jahren.

Machen wir nochmal eine Reise in die Vergangenheit. Vor vielen Jahren standen wir schon einmal während einer Tschechientour auf dem Freiluftbalkon bei der Macocha Chata (Macocha Hütte), von dem aus man in die Macocha-Schlucht hinunterblickt. Diese Schlucht ist quasi das Ende oder der Anfang – wie man's nimmt – der im Jahr 1909 entdeckten Karst-Höhle. Während ich damals mit der Videokamera auf einem Holzbalkon über der Schlucht stand, bekam Jochen einige Meter hinter mir beim Personenzählen Muffensausen. Er deutete auf ein Schild: „Dieser Balkon ist für maximal 20 Personen tragfähig!“ Okayyyy … nach seiner Zählung sei ich schon die zwanzigste!

Das Dach der Höhle hielt irgendwann der Erosion nicht mehr Stand und brach ein. So entstand die Macocha Schlucht.

Die kleine Plattform gibt es immer noch. Sie ist heute wesentlich vertrauenerweckender, nun schützt auch ein stabileres Geländer vor dem Abgrund. Vor dem Schwindel beim Blick in die Tiefe schützt es jedoch nicht.

Damals haben wir uns mit dem tiefen Einblick begnügt, heute lösen wir zwei Tickets für eine Führung durch die Punkva-Höhle und für den Höhepunkt der Dekadenz: die Seilbahn hinunter. Jawoll, richtig gehört! Hier gibt’s eine Seilbahn zum Höhleneingang. Wir werden schon erwartet und mit „Grüß Gott“ empfangen. Ach ja, man wollte ja unsere Nationalität wissen beim Ticketkauf. Unser "kleines Müllerchen"* empfiehlt zwar, Tickets online zu buchen und oft liest man auch, dass es in der Sommersaison absolut unmöglich ist, ohne wochenlange Vorbuchung ein Ticket zu ergattern, jedoch ist ja aktuell noch Vorsaison und so rutschen wir mit einer Stunde Wartezeit in eine Führung hinein.

Ein Zentimeter pro hundert Jahre

Bei 8 bis 12°C Höhlentemperatur sind ein Jäckchen, lange Hosen und festes Schuhwerk kein Luxus. Wir sind nur zu fünft in der tschechischsprachigen Führung und betreten verschiedene Höhlenkammern, -dome und Stollen, in denen angestrahlte Tropfsteine einen Zentimeter pro einhundert Jahre wachsen.

Ein Elektroboot bringt uns schließlich durch ein 652 m langes, geflutetes Stollenlabyrinth. Leider durften wir da keine Fotos machen.

Ein Elektroboot bringt uns schließlich durch ein 652 m langes, geflutetes Stollenlabyrinth. Wir surren an einer senkrecht nach oben führenden Eisenleiter vorbei. Ob es hier auch eine „Adventure“-Führung gibt, bei der man die Höhle unter abenteuerlichen Umständen kennenlernt, sinniere ich. Meine Bemerkung wird von unseren „Mitfahrern“ mit einem breiten Grinsen quittiert. Aha. Unsere Mitbesucher sprechen oder verstehen offensichtlich deutsch. Er scheint Österreicher, sie Tschechin zu sein, mit einem Sohn, der beide Sprachen beherrscht. Gelegentlich bekommen wir von ihnen zum Verständnis einzelne wichtige Passagen übersetzt.

Mikulov
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