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Weinkellerdorf Nechory | Dorf ohne Einwohner

Über vielfarbig geflickten Asphalt zickzacken wir am nächsten Tag durch die liebliche Landschaft, durch bunte Dörfer und Städte, vorbei an typisch mährischen Häusern mit geschwungenen Giebeln. Diese sind maximal zweistöckig, Erdgeschoss und Dach. Und die Giebelseite zeigt bei diesem Häusertyp generell zur Straße. Über die umliegende Hänge ziehen sich Weinberge. Überall Schilder „Vinarsky sklep“ (Weinkeller) – aber die Keller sind für den Ausschank noch nicht geöffnet, der Mai ist einfach nicht die richtige Zeit, da müssten wir im September wiederkommen. Oder zu den Tagen der offenen Keller, die ab Juni einmal monatlich in vielen Weinkellern der Region stattfinden, die sonst für die Öffentlichkeit unzugänglich sind.

Nechory ist ein Dorf, das keinen einzigen Einwohner, aber viele Häuser hat. Richtig gelesen. Genauer: 450 Stück an der Zahl.

In Nechory parken wir außerhalb des Dorfs und spazieren in die erste Gasse. In ein Dorf, das keinen einzigen Einwohner, aber viele Häuser hat. Richtig gelesen. Das Dorf hat mehrere kleine Straßen, aber keinen einzigen Einwohner! Der Weiler, der in der Nähe der Ortschaft Prušánky liegt bzw. zu diesem gehört, besteht rein aus kleinen Weinkellerhäusern. 450 Stück an der Zahl!

Die schmalen Straßen werden von drei bis vier Meter breiten Häusern flankiert, die sich vor ein Gärtchen ducken. In den Häusern geht es hinunter in die Gewölbe. Über diesem stehen auf der Rückseite des Hauses manchmal noch auf wenigen Quadratmetern einige Weinreben. Oder man hat sich oder seinen Gästen über den Kellern eine kleine Ecke zum Sitzen eingerichtet.

Ein älterer Mann schickt sich gerade zum Gehen an und spricht uns an. Er deutet auf Jochen und macht die typische Lenkradbewegung. Ob er noch fahren müsse? Ja, muss er. Wir unterhalten uns noch ein wenig. Er auf Tschechisch, wir auf Deutsch. Deutschland. Augsburg, Fußball, immer gerne genommen. Keiner versteht etwas, aber wir haben alle drei den größten Spaß. Auch ohne Alkohol, denn Tschechien hat null Promille und damit ist auch das Probierschlückchen passè.

Noch verwaiste Kellergassen
Die Weinkeller sind jetzt im Mai verlassen, es gibt wohl kaum was zu tun in dieser Jahreszeit.

In den Kellergassen sind wir die einzigen Besucher. Kämen wir im Herbst, würden wir bestimmt in weiteren Kellern Einladungen bekommen, ein Schlückchen zu probieren. An manchem Weinkeller lässt sich an den verwaisten Sitzgelegenheiten erahnen, dass dann hier einiges ausgeschenkt und verkauft wird. Im Mai gibt es in den Weinbergen nun vermutlich auch kaum was zu tun. Und in den Kellern erst recht nicht. Im Herbst locken dann überall die „Tage der offenen Keller“ massig Weinkenner in die Winzerorte und der Rebensaft fließt in Strömen.

Einige der Kellerhäuser sind schon aufgestockt, so dass unter dem Dach ein wenig mehr Platz zur Verfügung steht. Im Normalfall ist dort nur ein Dachspitz ohne Kniestock. Einige Schilder weisen darauf hin, dass man in den putzigen Häuschen auch übernachten kann. Ich habe einige Angebote gecheckt, aber kein freies Häuschen gefunden. Vielleicht bedeutet „ausverkauft“ in den einschlägigen Portalen aber auch einfach nur, dass die Häuser um diese Zeit noch nicht angeboten werden?

Die Windmühle von Starý Poddvorov trotzt der steifen Brise, die über den Hügel weht. Sie besteht komplett aus Holz und wurde im Jahr 1870 erbaut.

Fünf Kilometer weiter trotzt die Windmühle von Starý Poddvorov der steifen Brise, die über den Hügel weht. Sie besteht komplett aus Holz, wurde im Jahr 1870 erbaut und 2003 rekonstruiert. Von Juli bis September wird sie jedes Jahr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, unter anderem kann man sie abends bei Dunkelheit besichtigen. Dafür sind wir jetzt, Anfang Mail, leider zu früh. Die Sonne macht hier oben einiges wett, während der Wind an uns zerrt. Umliegend blüht der Raps. Auf einer einspurigen, wunderschön gelegenen Straße geht’s weiter durch Weinberge Richtung Velké Bílovice, vorbei am Stausee der Prušánka. Die Straße Nr. 422 wurde bestimmt von einem Motorrad fahrenden Straßenarchitekten angelegt.

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