Motorradtouren Marokko Hoher Atlas Tinerhir | Merzouga bis Tinerhir | Die Straße, der Sandwind und wir

Merzouga bis Tinerhir | Die Straße, der Sandwind und wir

Drei Motorräder stehen auf dem Parkplatz vom Hotel am Erg Chebbi

Am Morgen nach dem Notwein verabschieden wir uns schweren Herzens vom großen Sandkasten Erg Chebbi. Heute wollen wir von Merzouga im Tafilalet nach Tinerhir im Hohen Atlas fahren, in dessen direkter Nähe sich die Todra- und – etwas weiter entfernt – die Dadesschlucht befindet.

Aber vorher legt sich Josef mit Sozia Judith bei der Ausfahrt aus der Auberge Sahara* mit dem Motorrad in den Sand. Denn am Tor der Auberge befindet sich eine etwa fünf Meter lange Tiefsandpassage, die für TKC- und Heidenau-Enduro-Reifen keine große Hürde darstellt, für Straßenreifen jedoch eine ganz schöne Eierei bedeutet. Passiert ist Gott sei Dank nichts.

Zwei Holzkamele stehen als Verzierung vor der Ausfahrt des Hotels am Erg Chebbi

Lange befinden wir uns noch nicht auf der Straße, als der Wind auffrischt. Zuerst müssen wir wieder ein paar Kilometer Piste bewältigen. Die Sicht wird immer schlechter. Ist das Nebel? Nein, der Nebel wird nicht durch Feuchtigkeit, sondern durch Staub hervorgerufen. Ganz schön viel Staub in der Luft! Bald ist die Asphaltstraße erreicht, aber diese führt kilometerweit durch Sand- und Steinwüste. Soweit das Auge reicht. Der starke Seitenwind bläst den feinkörnigen Sand horizontal über die Straße.

Straße durch wüstenartige Landschaft mit Sandverwehungen

Wir befinden uns auf der N13 und biegen nach fünfzig Kilometern auf die N12 ab, die uns nach Alnif bringt. Irgendwo auf der Hälfte dieser Strecke müssen wir auch einen Pass überquert haben, der in unserer Karte zumindest eingezeichnet und als Tikkert-n-Ouchchane geführt wird, aber die Höhenunterschiede sind so gering - wir fahren die ganze Zeit auf rund achthundert Höhenmetern herum - dass wir den Pass überhaupt nicht wahrnehmen. Es gibt auch den einen oder anderen Punkt, bei dem wir gern mal gehalten hätten, um Fotos und Videos zu machen – aber bei diesem hässlichen Sandwind? Lieber nicht.

Motorrad fährt über Straße in karger Landschaft mit Sand Verwehungen

Die Szenerie erinnert an strenge Winter bei Minusgraden, wenn der Wind trockenen Schnee über die Straße fegt. Ganz am Anfang schieße ich mit der Videokamera noch einige Fotos - meist vorsichtshalber mit der Windrichtung. Aber dann packen wir die Kameras in’s Topcase und dort bleiben sie auch für die nächsten Stunden. Bei soviel Sand in der Luft haben wir doch etwas Angst um die empfindliche Optik.

In Alnif wenden wir uns auf der R113 in nördliche Richtung. Hier überqueren wir noch einmal zwei Pässe, die wir wieder nicht wirklich als solche erkennen: Tizi-n-Ismarene und Tizi-n'Boujou. Der Tizi-n'Boujou geht laut Google Earth bis auf über 1380 Meter hinauf. Der Tizi-n-Ismarene schmiegt sich nahtlos in einen permanenten Anstieg, den wir mit dem Motorrad kaum wahrnehmen.

Sch...sandwind!

Leider haben wir immer noch keine Möglichkeit zu fotografieren, denn auch hier hält der Sandwind an und verbietet uns das Hantieren mit jeglicher Fotooptik. Irgendwann stellen wir fest, dass unsere Dreier-Motorradgruppe zur Vierer-Gruppe geworden ist. Ein weiterer BMW-Fahrer hat sich uns unbemerkt angeschlossen und überholt schließlich grüßend.

Schon lange suchten wir nach einer Möglichkeit für eine gemütliche Rast – aber seit wir die Augen danach aufhalten, sehen wir entweder nur kahle Landschaft ohne Bebauung oder einzelne Lehmhäuser, die keine Bewirtung versprechen. Einige Kilometer weiter finden wir endlich ein Café und hier treffen wir auch unseren BMW-Fahrer von gerade eben wieder.

Charles ist allein auf einer alten BMW unterwegs. Nach einem netten Plausch bei einem Kaffee verabschieden wir uns und begeben uns wieder auf die eintönige Straße. Noch immer ist genug Staub in der Luft und die Kameras bleiben verpackt.

Motorradfahrer steht am Straßenrand vor Tinerhir

Der Sandwind verzieht sich erst kurz vor Tinerhir. Wir kommen auf der breiten Straße von einer Anhöhe herunter und schauen von oben auf eine lange Palmenoase mit dem ehemaligen Festungsdorf Tinerhir, das sich aus vielen kleineren Oasendörfern entlang eines breiten Tales gebildet hat. Am Anfang von Tinerhir sehen wir Charles' Motorrad vor dem Hotel La Kasbah* stehen, in dem wir uns schließlich auch einquartieren.

Merke: Wo coca cola drauf steht, könnte Alkohol drin sein
Von der Decke abgefallener Lehmklumpen auf dem Boden des Hotels

Tinerhir besitzt sogar einen Supermarkt mit Alkoholverkauf. Unser Hotelchef beschreibt uns, wo er ist. Der Supermarkt Chez Michelle ist schnell gefunden, wo auf den ersten Blick erst einmal kein Wein oder Bier im Angebot ist. Allerdings gibt es einen Nebeneingang, verschämt mit einem Coca-Cola-Banner getarnt, in dem diverse Alcoholica angeboten werden. Hier bleibt kein Wunsch offen und keine Kehle trocken. Viele Touristen kaufen da ein, aber nicht nur Touristen ...

Merke: Auf der Suche nach alkoholischen Getränken achte man besonders auf Menschen, die in Papier oder dicke, braune Tüten eingewickelte, längliche Gegenstände transportieren. Das ist nicht nur hier in Tinerhir so. Man braucht generell Glück, Gespür oder einen einheimischen Führer und Tippgeber, um zum Beispiel an ein Gut-Ankommer-Bier zu kommen. Selbst in so frequentierten Orten wie Tinerhir. Ein anderes Bild dürfte sich an der Küste in Gegenden mit Pauschaltourismus bieten, aber dort zieht es uns nicht hin.

Regen in Tinerhir! Stürzen die Lehmwände ein?

Als wir wieder ins Hotel La Kasbah* kommen, liegt auf dem Gang zu den Zimmern ein riesiger braunroter Flatschen, der in alle Richtungen gespritzt ist. Iiiiihhh! Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte es Josef nicht rechtzeitig ins Bad geschafft ... aber Josef ist unschuldig. Der kurz vorher einsetzende, starke Regen löst den roten Lehm-Verputz von der Wand. Lästig, wenn man nach jedem Regen das Haus reparieren muss!

Die lehmverputzten Wände und die Buntglas-Fenster bringen gewiß bei großer Hitze einen klimatischen Vorteil. Hier in diesem Hotel sind die Fenster statt mit Klarglas mit Buntglas versehen und gehen auf einen Gang auf der Außenseite hinaus, der überdacht ist und von dem darum nicht viel Licht ins Innere dringt. Im Zimmer hängt in der Fassung eine nüchterne Stromsparlampe, wie übrigens in vielen Hotelzimmern, die gerade mal ein Muschebubu-Licht (zu deutsch schummriges Licht) verbreitet. Lesen bei dem Licht ist fast unmöglich. Für weitere Marokkoreisen wäre es unter Umständen praktisch, eine etwas lichtstärkere Stromsparlampe zum kurzfristigen Austausch mitzunehmen, wenn man mal was lesen will?! Außerdem stellen wir fest, dass alles Wasser, das wir ins Waschbecken laufen lassen, auf der anderen Seite austritt, außen am Waschtischfuß entlang läuft, um sich schließlich in einer großen Pfütze um unsere Füße zu verteilen. Mal schnell Händewaschen also immer in Motorradstiefeln ;-))

Blick auf das Restaurant mit Tischen und Stühlen hinter einer Glasfront nach draußen
Die mit Fell besetzten Pantoffel des Kellners vom Hotel

Da wir seit dem Frühstück außer ein paar Keksen im Café nichts mehr gegessen haben und das Abendessen erst um einundzwanzig Uhr serviert werden soll, sitzen wir lange vor der Zeit im eisgekühlten Restaurant und durchleben eine Hungernahtoderfahrung. Das Restaurant ist ein abgeteilter Raum mit einer glasgeschützten Seite, aber eine Seite nach draußen ist komplett offen. Nach vergeblichen Versuchen, in der hintersten Ecke mit einem heißen Minztee Wärme zu tanken, ziehe ich wieder die komplette Motorradmontur inklusive Jacke an. So passt's. Später spendiert der Kellner, der barfuß in lustigen Langhaar-Ziegenfell-Puschen durch die Hallen schlurft, auf Nachfrage ein Propangas-Heizgerät. Yippppiieeh.

Für uns Mädels besteht das auserwählte Hauptgericht des Abends aus Spaghetti mit Bolognese-Soße. Nachdem jeder Teller aber schätzungsweise nur vierzig Gramm Nudeln enthält und auch die Herren mit ihrer Miniportion Fleischspieß mit Pommes frites nicht zufrieden sind, erklären wir dem Kellner, dass wir das Gleiche gern ein zweites Mal hätten. Er verschluckt sich fast. Ungläubiger Blick. Es scheint ein kleines Problem zu geben, das aber wohl nicht unlösbar ist. Einige Zeit später sind die hungrigen Motorradfahrer nach einem zweiten Durchgang dann tatsächlich satt.

Morgen wollen wir die Todra-Schlucht unter die Räder zu nehmen. Besonders viel Kraft benötigen Thomas und Charles (sie wissen es nur noch nicht), die versuchen werden, die Offroad-Querverbindung zur Dades-Schlucht zu meistern. Ob sie es schaffen? Jetzt, im April? Wir sind gespannt.

Todra-Schlucht |
Grandios mit ungewissem Ausgang
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