Motorradtouren Marokko Hoher Atlas Asif Ounila | Alles Lehm oder was?

Asif Ounila | Alles Lehm oder was?

Blick auf die vor Berg liegende aus Lehmhütten bestehende Stadt Asif Ounila

Gerade noch sprachen wir darüber, wie wir während unserer Türkeitour keine andere Wahl hatten, als auf einer teerpampenklebrigen Straße zu fahren und die Reifen auf saftig schmatzendem Untergrund kleine Steinchen gegen den Motorschutz katapultierten, und dass uns dieses äußerst zweifelhafte Schicksal hier in Marokko noch gar nicht ereilte – schon stehen wir vor mehreren Straßenarbeitsmaschinen, die das Asphaltband im Tal des Asif Ounila mit neuem Belag versehen.

Wir hätten nicht davon reden sollen – selbsterfüllende Prophezeiungen! Die Bauarbeiter rangieren die Maschinen kurz auf die Seite, damit wir uns vorbeischlängeln können. Wir fahren Schrittgeschwindigkeit, um die Sauerei an den Motorrädern möglichst gering zu halten.

Blick vom Motorrad aus auf die Tiefebene bei Asif Ounila

Die einspurige, anfangs noch perfekt asphaltierte Straße P1506 – aber wartet's ab! – windet sich am Rand der schroffen Felsen durch eine Schlucht, die sich der Asif Ounila als Flussbett geschaffen hat. Von der Kasbah Tamdakht bis zum "Wiedereintritt" (das ist in diesem Fall das Einbiegen auf die großzügig ausgebaute Passstraße des Tizi-n-Tichka) haben wir geniale fünfundsiebzig Kilometer vor uns. Unten in diesem Atlas-Flusstal grünen üppige Plantagen, während hier oben an der Straße die Felsen fast ohne Vegetation sind.

Viele kleine Berberdörfer liegen im Talgrund, teils an die Steilhänge geklebt und vom Hintergrund kaum zu unterscheiden. Häuser mit Tarnkappen. Die grünen Oasen werden über zahlreiche Bewässerungsgräben mit dem kostbaren Nass versorgt. Bäuerinnen arbeiten auf kleinen Feldern, wo Getreide, Mais und Gemüse angebaut werden. Oder waschen am Qued ihre Wäsche.

Mit jeder Kurve sind wir begeisterter von dieser Szenerie, die sich mit den Naturschönheiten der Dades- und Todraschlucht durchaus messen kann. Die Bewohner der Berberdörfer mit ihren dunklen, rotbraunen Lehmhäusern im Flusstal sind nicht zu beneiden, denn kilometerweit führen nur Trampelpfade in die Schlucht. Jeglicher Transport von Lebensmitteln oder Baumaterial muss mit Eseln oder Mulis durchgeführt werden.

Motorrad fährt voraus auf offroad Piste durch Hügellandschaft in der Nähe von Asif Ounila
Vorne weg fahrendes Motorrad in hügeliger Landschaft vor Asif Ounila
Vorausfahrendes Motorrad kurz vor Auto in den Bergen vor Asif Ounila

Unser gedruckter Reiseführer berichtet von zahlreichen Furten auf der Strecke, die nach starken Regen- oder Schneefällen (unser Reiseführer spricht von Wassertiefen bis dreißig Zentimetern) durchaus ein fahrtechnisches Problem darstellen können. Auf den ersten zehn Kilometern sind es drei Flussquerungen, die während unserer Fahrt (Anfang Mai) die Stiefel während der Durchfahrt zwar etwas waschen, jedoch keinerlei Hindernis für ein hochbeiniges Boxermotorrad darstellen.

Den Großteil der Strecke beschreibt man am ehesten als eine Asphaltstraße, die von der Natur Stück für Stück und Jahr für Jahr mehr zurückgeholt wird. Die Landschaft wuchert haltlos in die Straße. Eine gute Wahl sind etwas offroadtaugliche Motorräder, Allradfahrzeuge oder Autos mit großer Bodenfreiheit. Die Straße ist meist nur einspurig befahrbar und nach rund fünfzehn Kilomtern passieren wir einen steilen Abschnitt, dessen überstehende Felsen einem Wohnmobil viel Spaß bereiten würde. Wohl dem, der mit einem einspurigen Fahrzeug unterwegs ist! In unserem Reiseführer wird sogar dringend geraten, die steinige Strecke nur in entgegengesetzter Richtung zu fahren, wegen der Steigungen.

Nach fünfundvierzig Kilometern erreichen wir die Kasbah Telouet. Im 1800 Meter hoch gelegenen Ort legen wir eine kurze Pause ein. Hier thront auf einem Hügel eine weitere Kasbah des letzten Paschas von Marrakesch. Vor der Auberge Chez Auberge, gegenüber der Kasbah, werden wir beim Absteigen sofort von Mädchen umringt. "Madam! Bonbon!" Fotos kosten Dirham. Vermutlich sind sie deshalb extra schön herausgeputzt. Sie belagern uns hartnäckig, zupfen vor allem an den Frauen herum, weniger an den Männern. Vor Männern haben Sie wohl mehr Respekt? Oder hoffen sie einfach auf meinen Mutterinstinkt?

Kleines Mädchen im roten T-Shirt steht vor Motorrad in Asif Ounila

Der mächtige Berberfürst El Gloui, auch "Löwe des Atlas" genannt, beherrschte das Bergland südlich von Marrakesch. Der Gloui-Clan erbaute die Kasbah als seinen Stammessitz Mitte des 19. Jahrhunderts und baute sie zu einer der größten und prächtigsten Lehmburgen des Landes aus. Die Burg weist auf die kriegerische Vergangenheit der Berberstämme und des Atlasgebirges an sich hin, allerdings bot sie auch einen Schutz gegen Angriffe, denn die Kasbahs – Wohnhaus, Vorratsspeicher und Festung in einem – waren überlebenswichtig, wenn es hieß, Mensch und Vieh vor Angreifern in Sicherheit zu bringen. Gegen ein Trinkgeld kann man sich die mächtige Kasbah von einem Führer zeigen lassen.

Kaum zu glauben, dass in ihr eintausend Personen gelebt haben sollen. Dummerweise hatte sich der Pascha am Ende seiner Herrscherzeit mit den Franzosen verbündet und so legt der marokkanische Staat generell nicht besonders viel Wert auf die Erhaltung dieser Zeugnisse des ungeliebten Franzosenfreunds. Schade. Und trotzdem ist sie noch besser erhalten als die Kasbah Tamdakht.

Nach weiteren zwanzig Kilometern biegen wir unterhalb der Passhöhe (2260 Meter) auf die Straße des Tizi-n-Tichka ein. Nach der großartigen Berberdörfer-Strecke im Tal des Asif Ounila kommen wir uns vor wie auf der Autobahn. Breit ausgebaut. Gut asphaltiert. Für Wohnmobilisten bestimmt ein Highlight, aber auf uns macht dieser Pass keinen großen Eindruck.

Panne? Nicht mit uns...

Vor einer Anhöhe tauchen neben einem offenbar fahruntüchtigen PKW zwei junge Kerle auf und winken uns zu, damit wir anhalten. Tun wir aber nicht. Wir feixen wissend in unsere Helme. Auch Thomas vor uns macht ein Zeichen, dass er darauf nicht hereinfällt. Am Vortag hatte uns Charles nämlich noch vor der Masche von Schleppern gewarnt. Er kicherte, dass er aber auch auf jeder seiner Touren an der gleichen Stelle einen Pannenfahrer sah, der ihn zum Anhalten nötigen wollte. Und auch unser Reiseführer warnt vor dieser besonders einfallsreichen Art des Kundenfangs: Autofahrer täuschen Pannen vor und wenn ihnen auf ihr Winken hin ein Ahnungsloser helfen will, drücken sie dem Touristen einen Zettel mit einer Adresse in die Hand, mit der Bitte diesen Zettel dort abzugeben und Bescheid zu sagen. ZACK hat der Teppichladen wieder einen Teppich verkauft. Vielleicht.

Motorradfahrer und Händler stehen vor einem Souvenirladen und verhandeln über Preis

Mineralien gibt es im Atlas wie Sand am Meer. Das gleiche gilt für die Händler desselben – wir steuern einen solchen an. Die Sammlung ist in einer großen, flachen Baracke untergebracht und zwei ältere Marokkaner stechen auf uns zu. Aber für die Stücke, für die wir uns interessieren, nennen sie uns Mondpreise. Wir winken ab. Als wir schon wieder auf den Motorrädern sitzen, bietet man uns die gleichen Teile zu einem Viertel der Mondpreise an.

Da schlagen wir zu. Sie werden immer noch was dran verdienen. Selbst Thomas, der absolut kein Interesse an einem Kauf gezeigt hat, wird mit Kaufangeboten überschüttet, man würde ihm die Teile am liebsten gewaltsam in den Tankrucksack packen! Verrückt, wir hatten für eine Achatschildkröte (schließlich unser Maskottchen) einen Preis geboten, den sie entsetzt als ihren absoluten Ruin zurückwiesen. Als wir wegfahren, hätten sie uns das Zeugs am liebsten zu einem Drittel dessen hinterher geschmissen, das noch kurz vorher ihr Ruin war.

Nach achtzig Kilometern und einer Stunde Fahrt sind wir wieder in dem Hotel in Quarzazate. Wir ordnen noch schnell unser Gepäck, denn am nächsten Morgen werden wir weiter tingeln. Marrakesch. Aber davor liegt noch der Tizi-n-Test. Ein Bergpass, wie er im Buche steht. Wir werden ganz oben auf dem Pass bei gigantischem Panorama, aber in Betten in zweifelhaft hygienischem Zustand übernachten. Bloß gut: Ersteres macht Letzteres tausendmal wett. Aber das wissen wir noch nicht. Noch sind wir in Quarzazate.

Händler in einem Gewürzladen mit bunten Gewürzen im Souk von Quarzazate
Ein paar Hühner in einem extrem kleinen Käfig zum Verkauf im Souk von Quarzazate

Doch vorher verbringen wir noch einige Zeit im Souk. Farben inhalieren. Gerüche schnuppern. Am Flair berauschen. Ich kann nicht widerstehen und kaufe eines der typischen Gewürze. Noch nicht wissend, dass ich den Geruch dieses Gewürzes am Ende der Reise überdrüssig bin und ihn kaum noch ertragen kann. Es dauert Wochen, bis ich imstande bin, das Gewürz auszupacken, zu riechen und vor allem, es zu verwenden.

Drei Wochen lang marokkanische Küche – Tajine und Couscous – ist eine schwere Herausforderung, zumindest war sie das für uns. Bis auf wenige Ausnahmen waren die Tajine fast identisch: eine Menge kaum gesalzene, zerkochte Karotten und Kartoffeln lehnten an Hühnerschenkeln oder anderen Geflügelteilen. Den Vogel schossen die Köche ab, die uns Tajine servierten, in denen oben drauf noch ein Haufen pappiger Pommes Frites lagen. Auch das Couscous ist immer seeehr salzarm. Wir fragen uns oft, was man mit den bunten Gewürzen macht, die man in den Souks in großen Bergen auftürmt. Natürlich haben wir auch sehr leckere Gerichte gegessen. Meistens dort, wo der "gemeine Tourist" rein statistisch am wenigstens hinkommt. Gute Freunde verwenden seither die Einladung zu Couscous und Tajine als heimtückische Strafandrohung. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.

Tizi-n-test | Mit dem Motorrad über den Wolken
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