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Kutná Hora | Die silberne Stadt

Blick auf die Kirche in Kutná Hora

Wir nähern uns unserem Tagesziel Kutná Hora. Hauptsächlich kommen wir wegen der Gebeinkapelle in Sedlec. Wie überall im Osten werden wir an der Peripherie erstmal von öden Plattenbauten und dem letzten Mief des Sozialismus in Empfang genommen. Außer in Prag haben wir auf dieser Tour keine Zimmer gebucht und haben es auch nicht vor. Wir haben die Adresse vom Hotel U Kata* im Gepäck, bei der wir nach einem Zimmer fragen werden, und zu dieser führt uns jetzt unsere „Steffi“. Gottseidank haben wir in den Bewertungen im Internet schon einiges gelesen, unter anderem über die Beschaffenheit des Vordereingangs. Sonst hätten wir das Terrain nämlich beim Anblick des Eingangsbereichs fluchtartig verlassen.

Mittelalterlicher Gastraum

Die blau gestrichene Tür an einem Windfang hängt schief in den Angeln und schleift auf der Diele, so dass man sie erst mal kaum öffnen kann. Nach der zweiten Tür steht man in einem auf „mittelalterlich“ getrimmten Gastraum und fragt sich, wo hier ein Hotel sein soll.

Ein weiterer Gastraum folgt, dieser ist moderner, „normaler“ eingerichtet. Wer forsch weitergeht, findet auf der anderen Seite der Räumlichkeiten irgendwann eine Hotel-Rezeption. Von außen sieht das Ganze wie ein kleines Stadthäuschen mit „Restaurace“ aus und innen entpuppt es sich als ein Komplex aus mehreren Gebäuden. Die Postadresse befindet sich in dieser Straße, der Hotelzugang und der Parkplatz im Hof jedoch in der Parallelstraße. Wer das weiss, hat es einfacher.

Kaum zu glauben, dass Kutná Horas Stellung in Böhmen bis ins 14. Jahrhundert mit Prag konkurrierte. Den Wettstreit beendete erst Karl IV., indem er Prag den Vorzug gab. Seinen unermesslichen Reichtum verdankte Kutná Hora dem Silberabbau, bis 1620 nicht unter 2500 t jährlich.

Der Steinerne Brunnen mit spätgotischen Ornamenten

Heute ist Kutná Hora ein eher unscheinbares Provinzstädtchen. Aber der UNESCO-Schutz seiner Altstadt spült einige Touristen in die Stadt. Obwohl das Wahrzeichen der Stadt, die St.-Barbara-Kathedrale, als Sinnbild für den Silberreichtum wesentlich mächtiger ist und von keinem Geringeren als Peter Parler erbaut wurde, der schon für den Prager Veitsdom verantwortlich zeichnete, beschränkt sich der Tagestourismus in Kutná Hora zu großen Teilen auf die Gebeinkapelle des Zisterzienser-Klosters Sedlec.

Blick von außen auf die gotische St.-Barbara-Kathedrale

Viele Jahrhunderte lang erwies sich die Wasserversorgung der Stadt als problematisch. Das kostbare Trinkwasser musste über lange hölzerne Leitungen von weither zugeführt werden. In der Stadt wurde es in sieben Behältern gesammelt, von wo aus der Bürger das Wasser schöpfen konnte. Einer dieser Behälter existiert heute noch: der sogenannte „Steinerne Brunnen“ (Kamenna kasna), eine spätgotische Steinmetzarbeit von 1485. Der Brunnen wird heute nicht mehr genutzt, er besteht nur noch aus der steinernen Hülle mit gotischen Türmchen. Die Werkstatt von Parler begann 1388 mit den Arbeiten, die im gleichen Maß voranschritten wie es die Minenerträge erlaubten. Mehr als 500 Jahre lang bemühten sich Dutzende Architekten um den Bau, der bis heute nicht abgeschlossen ist.

Gang um die St.-Barbara-Kathedrale mit mehreren Heiligenfiguren aus Stein
Detailaufnahme der gotischen mit Ornamenten versehenen Stützpfeiler an der St.-Barbara-Kathedrale

Beim Versuch, zur St.-Barbara-Kathedrale zu gelangen, scheitern wir wegen diverser Baustellen fortwährend an Einbahnregelungen und Verbotsschildern. „Steffi“ hilft uns auch nicht, denn wäre es nach ihrer Verkehrsführung gegangen, hätten wir die BMW einen megasteilen, halb gepflasterten, halb geschotterten, gefurchten Fußweg auf der Rückseite der Kathedrale raufgejagt. Zwar war nirgends ein Verbotsschild zu entdecken, aber ein Motorrad wäre das Letzte, was man auf diesem Holperpfad vermutet hätte.

Unweit der Kathedrale erhebt sich der Bau des Jesuitenkollegs, 1667 bis 1700 nach dem Entwurf des Italieners Giovanni Domenico Orsi errichtet. An der mächtigen Vorderfront schließt eine langgezogene Terrasse mit Blick auf die darunterliegenden Flussauen an, die nach dem Vorbild der Prager Karlsbrücke mit Heiligenstatuen ausgeschmückt wurde.

Gebeinkapelle Sedlec
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