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Gebeinhaus Sedlec

Aus Knochen geformtes Wappen im Gebeinhaus Sedlec
Schädel und Knochen aufgereiht auf einem Gestell im Gebeinhaus Sedlec
Wappen aus Schädeln und Knochen der Schwarzenbergs im Gebeinhaus Sedlec

In Sedlec, einem Stadtteil von Kutná Hora, befindet sich das ehemalige Zisterzienser-Kloster Sedlec. Berühmt-berüchtigt ist die Gebeinkapelle Sedlec. Zunächst erblickt man das eher schmucklose Kirchlein und einen kleinen, angrenzenden Friedhof.

Betritt man jedoch die Krypta, dürfte es selbst nekrophilen Naturen den Atem verschlagen: Das gesamte Interieur der Kapelle besteht aus menschlichen Knochen. Arm- und Beinknochen, Schädel, Becken, Rippen, Wirbel und Schulterblätter, alle desinfiziert und mit Chlorkalk gebleicht.

Insgesamt sollen die Knochen von 40.000 Menschen hier lagern, aufgehängt, angenagelt, aufgefädelt und gestapelt sein. In der Umgebung der gut befestigten Stadt kam es zu vielen Schlachten und auch die Gefallenen sind in Sedlec begraben worden. Fast alle Knochen stammen aus dem Mittelalter, den Zeiten der Pestepidemien (1318) und der Hussitenkriege (1421). Damals war in Kutná Hora dank seiner reichen Silbervorkommen die erste Münzstätte errichtet worden.

Ein Abt hatte im 13. Jahrhundert heilige Erde aus Jerusalem verstreut und damit den Gottesacker zu einer begehrten letzten Ruhestätte gemacht – nicht nur Ortsansässige, sondern auch viele Ausländer, insbesondere Bayern, zog es nach Sedlec.

So kann es gehen: Man kann sich mit einigem Aufwand auf geheiligten Boden beerdigen lassen und dann trotzdem als viel bestaunte Innendekoration enden! Mittlerweile berichten sogar internationale Zeitungen von der „Kapelle der Geister“ („Melbourne Herald Sun“), die eine „neue Dimension des Makabren“ erreiche („London Sunday Telegraph“). Die katholische Kirche, die das Beinhaus nur noch als Sehenswürdigkeit betreibt, spricht von ca. 140.000 Besuchern jährlich. Sogar der „schwarze“ Schockrocker der USA Marilyn Manson soll die makabren Knocheninstallationen schon begutachtet haben und für die Mystery-Verfilmung „Dungeons & Dragons“ aus dem Jahr 2000 mit Jeremy Irons war das Beinhaus Kulisse.

Komplette Darstellung des Wappens der Schwarzenbergs komplett aus Knochen und Schädeln im Gebeinhaus Sedlec

Das Fürstengeschlecht Schwarzenberg hatte die „Liegenschaft“ 1866 gekauft, weil die Kirche sie nicht mehr nutzen wollte. Sie fanden in der Kapelle sechs große Pyramiden aus Menschenknochen. Sie beauftragten den Holzschnitzer Frantisek Rint, das Interieur neu zu gestalten. Rint präparierte sämtliche Knochen mit chlorhaltigem Kalk – ein sprichwörtlicher Knochenjob – wodurch sie noch heute so gut erhalten sind. Als Geldgeber wollten sich die Schwarzenbergs natürlich verewigt sehen – was mit ihrem einfallsreich gestalteten Wappen in die Tat umgesetzt wurde.

Menschliche Knochen schaukeln in der Zugluft
Blick von der Treppe aus hinein in die Knochenkrypta des Gebeinhauses Sedlec

Hier sind allen Ernstes sämtliche Utensilien des katholischen Gottesdienstes aus Menschenknochen gebastelt: Der Altar ist mit Schädeln ausgestaltet, aus Schenkelknochen wurden Kruzifixe gebastelt und selbst der Kronleuchter sowie das Wappen der Familie Schwarzenberg besteht aus Becken-, Oberschenkel- und vielen anderen Knochen. Ein gut drei Meter hoher Kronleuchter aus angeblich allen 206 existierenden Menschenknochen!

Die katholische Kirche scheint sich mittlerweile gut mit dem Besucheransturm angefreundet zu haben. Am Ticketschalter (einem Tisch mit zwei Damen) wird uns ein kopierter A4-Zettel in einer verwurschtelten Prospekthülle überreicht (sprich geliehen), er enthält Erklärungen zur Geschichte. Dieses Blatt erhielten wir schon vor 10 Jahren genau in dieser Form, auch der Tisch scheint noch der selbe zu sein – vielleicht sind auch die zwei Einlassdamen noch die selben? Außer den Eintrittspreis wurde nichts modernisiert.

Mittelalterliche Stimmung beim Abendessen

Abends kleiden wir uns zünftig mit warmer Unter- und Oberwäsche... denn im Mittelalter heizt man an kühlen Juniabenden nicht! In dem wie ein Rittersaal dekorierten Hotel-Restaurant vom Hotel U Kata* mit buckligem Pflasterboden kennzeichnen leichte Startschwierigkeiten unsere Bestellung: die Dienstmagd versteht nur tschechisch. Sie entsendet einen verschmitzten Knecht, der hilfreicherweise ein wenig Deutsch radebrecht. Um die Konversation zu verbessern, wird unser Wörterbuch vom Zimmer geholt. Jochen schaut nach, was „dunkles Bier“ heißt und spricht es laut vor ... (hmm, klingt eigenartig). Er legt das Büchlein auf den Tisch und lacht sich mit beiläufigem Blick auf den Buchrücken scheckig: „Sach ma, meinst Du, die sprechen hier türkisch ...?“ Da habe ich doch glatt „Türkisch“ erwischt statt „Tschechisch“... Zack, in die Jackentasche damit. Das Büchlein ward nie wieder gesehen.

Böhmisches Paradies (Český ráj) | Prachover Felsen
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