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Český Krumlov | Ein Muss in Böhmen

Blick auf die Dächer und die Burg von Český Krumlov

Vielen Menschen ist Český Krumlov unter dem Namen Krumau, auch Krummau oder Böhmisch Krummau, ein Begriff. Wir sind zum sechsten Mal in Český Krumlov und schlafen jedesmal in einer anderen Pension. Nicht, weil uns die Häuser nicht gefallen hätten, nein, die Stadt ist so gut besucht, dass man selten ein zweites Mal in der gleichen Unterkunft ein Zimmer findet.

Schild in Český Krumlov

Spaziergänge durch die Stadt sind immer wieder ein Highlight, wobei der frühe Morgen (mittlerweile der sehr frühe Morgen) noch der genialste Zeitpunkt ist, nämlich dann, wenn vorwiegend Einheimische zu ihren Arbeitsplätzen eilen.

Zu anderen Zeiten ist die Stadt von Touristen aus aller Welt bevölkert: Amerikaner, Engländer, Asiaten, es herrscht ein großes Sprachen-Wirrwarr. Wobei in den letzten Jahren die Asiaten mächtig zugelegt haben. Man hat das Gefühl, dass Asiaten die Hälfte der einen Million Besucher jährlich ausmachen. Ganze Busgruppen wandeln mit Sonnenschirmen und weissen, zarten Handschuhen durch die Stadt. Disneyland für Asiaten. Oder zwei Stunden Europa in der einwöchigen Europareise.

Blick von der Burg über die Moldau und Český Krumlov

Das Hochwasser im August 2002 setzte viele Altstadthäuser Ćeský Krumlovs unter Wasser. Doch davon ist nichts mehr zu sehen. Die Stadt hat knapp 15.000 Einwohner und ist nicht wesentlich über seine historischen Grenzen hinausgewachsen.

Die Moldau (Vltava) windet sich durch die Berge und umzingelt mit einer dreifachen Schleife die Altstadt. Nördlich des Zentrums, selbige überragend, erstreckt sich das lange Schloss wie eine Trutzburg.

Anektode 1: die Sache mit den Dänen
Burg in Český Krumlov bei Nacht
Stadtansicht mit Dächer von Český Krumlov

Die Stadt wird von Gästen aus aller Herren Länder besucht. Nicht immer ist es angenehm, mit internationalen Zimmernachbarn im gleichen Haus zu wohnen. Während einem dieser Aufenthalte schliefen wir in einer Nacht sehr wenig. Mannomann! Im gleichen Haus wohnten vier Dänen – ein vielleicht 45jähriger mit seinen erwachsenen Söhnen oder jüngeren Freunden.

Dass in Dänemark der Alkohol teuer ist, wissen wir. Um 23:00 Uhr ging es los. Einer von den vieren hatte den Kanal voll und wurde von den anderen mit dem Taxi heim gebracht und, nehmen wir mal an, im Bett gelagert. Aber erst nachdem der Volltrunkene ein Stück der Treppe wieder runtergepurzelt ist und nur auf allen vieren nach oben geschafft werden konnte. Soweit. So gut.

Die anderen sind dann mit dem Taxi wieder auf und davon – jedoch eine Stunde später die Alkoholleiche auch! Trap-Trap-Trap auf der alten Holztreppe. Bumm – die Haustür. Kurze Ruhe vor dem Sturm, währenddessen wohl die anderen (diesmal mit weniger Tamtam) erneut heimkehrten. Um 2:00 Uhr traf auch die Alkoholleiche wieder ein. Pech gehabt. Die Haustür war zu. Ohne Schlüssel jeht dat nit!

Die dänischen Freunde lagen komatös im Bett. Klingeln zwecklos. Vor dem Haus stand eine Bank, die uns noch einmal zwei Stunden Ruhe beschert. Aber ab vier Uhr ist die Nacht endgültig zu Ende. Die Leiche rappelt sich von der Bank auf und schließlich an der Haustür, klingelt sich die Finger wund und verlegt sich schließlich darauf, den Anwohnern und Gästen lauthals ein Lektion in dänischen Flüchen und Forderungen zu verpassen. Irgendwann machte ihm einer auf ...

Zwei Personen sitzen auf einer Bank

In einer Gasse unweit des Moldauufers hängen diskussionswürdige Exponate einer Galerie an der Wand. Da steht eine Bank und Stühle, mit überdimensionalen Dornen wie von Rosensträuchern. Auch die Bank, die an der Moldau zum Sitzen einlädt und dessen Flanken aus zwei überdimensionalen Füßen bestehen, gehört zu den Kunstwerken der Galerie. Selbst wenn die Exponate bei vielen Spaziergängern nur Kopfschütteln hervorrufen und wir uns keines davon in den Garten stellen würden – wobei ... die Dornenbank hat schon was ... – die Exponate sind wie die ganze Stadt: ziemlich außergewöhnlich.

Kenterkandidaten in der Moldau
Schlauchboot fährt über Wehranlage

Die kleine Holzbrücke unterhalb der Burg überquert nahe des Wehrs die Moldau. Wenn Kanu- oder Schlauchbootfahrer das Wehr zu bezwingen versuchen, mutiert das Brückchen zur Zuschauertribüne für spannende Kämpfe gegen die Naturgewalten.

Wie gut für die Wassersportler die Chancen stehen, baden zu gehen, hängt in hohem Maße vom Wasserpegel ab. Wir hatten in den Tagen während unseres Aufenthalts ganz unterschiedliche Zustände: Mal war so wenig Wasser in der Bootsgasse, dass Schlauchboote auf den Pollern aufsaßen, die – normalerweise unter Wasser – die Boote vor der Kollision mit den Mauern schützen sollen.

Gespannt warten die Zaungäste auf der Brücke, wie die Wassersportler sich aus dieser misslichen Lage wieder befreien. Sobald genug Wasser im Fluss ist, geht die Gefahr für die Kanufahrer weniger von den Bootsgassen selbst aus, sondern von der Schwallwelle zu Füssen der Gasse, in denen die Kanufahrer oft noch einmal in hektisches Balancieren geraten.

Nicht alle schaffen es. Manche kentern und schwimmen danach ihren Siebensachen hinterher, die ihnen die Moldau in Windeseile entführt, sofern sie sie nicht schlauerweise am Kanu festgebunden hatten. Die billigen Plastikkanus ohne Spritzschutz, meist mit zwei Personen besetzt und vermutlich alles Leih-Boote, sind die aussichtsreichsten Kenterkandidaten und bekommen den meisten Applaus, egal ob sie kentern oder nicht kentern. Wer es ohne Kentern schafft, dem ist ein fröhliches und vielstimmiges „Ahoj“-Gerufe von der Brücke gewiss.

Ceský Krumlov
Haus mit Dachrinne und spezieller Putztechnik verziert in Ceský Krumlov

Mittlerweile wird die Stadt an der Peripherie von großen bewachten Parkplätzen umgeben, die alle PKW‘s und Busse aufnehmen. Parkplätze in den engen Straßen der Altstadt sind Mangelware und so gut wie nicht zu bekommen. Hotels haben hin und wieder reservierte Stellflächen, aber das war‘s dann auch schon.

Im Jahre 1253 wird Ceský Krumlov das erste Mal urkundlich erwähnt. Die damaligen Herren von Krumlov, die das Herrschaftsgut verwalteten, erbauten einen Turm, der als Wachturm diente. Nachdem das Geschlecht der Krumlov‘s ausgestorben war, übernahm das Geschlecht der Rosenbergs die Führung der Stadt. Aus diesem Grunde befindet sich auch im Stadtwappen eine Rose. Die Rosenbergs sind auch dafür verantwortlich, dass unterhalb der Burg die Siedlung Latran entstand.

Kleiner Einkaufsladen mit braunen Türen in Ceský Krumlov

Abends setzen wir uns in Český Krumlov ins traditionsreiche „Na Louzi“, wo wir sogar einen Tisch im Freien ergattern, einen von dreien. Das „Na Louzi“ ist ein kleines Bierlokal mit altem, fast 100jährigem Kneipeninventar. Es setzen sich drei österreichische Straßenmusiker zu uns, die sich einen mehr oder minder spontanen Auftritt auf der Holzbrücke unterhalb der Burg erhoffen. Auf unsere Frage, ab wann sie dort spielen, antworten sie ausweichend: „... das hängt von mehreren Faktoren ab ...“

Musiker stehen auf Brücke in Ceský Krumlov

Vielleicht sind die Auftritte als Straßenmusikanten in Český Krumlov noch nicht genehmigungspflichtig wie in anderen Städten? In Prag hatte jeder Künstler seine Erlaubnis im Koffer ... Eigentlich kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass Český Krumlov nach Prag sicher die meist besuchteste Stadt in Tschechien ist. Die Stadt ist fest in japanischer Hand. Gefühlt hat sich die Anzahl der Japaner in den letzten 15 Jahren verzehnfacht!

Schild an Bar in Ceský Krumlov
Gasse in der Altstadt von Ceský Krumlov

Als wir nach dem Essen ziemlich lange als Zaungäste bei einem Straßenmusiker-Duo auf der Brücke hängen bleiben, wissen wir, warum die Österreicher keine Aussage zum Beginn Ihrer Spielzeit treffen konnten: die anderen hören nicht so einfach auf! Der Musiker an der Gitarre, mit eindeutigem Latino-Einschlag, spielt eine feurige Hand, auch die junge Lady (am nächsten Tag ist der Partner dann ein junger Mann) beherrscht ihr Instrument, Flöte und Querflöte, ihre Alt-Stimme kennt alle Spielarten der Musik. Also, wer bei diesem fulminanten Zusammenspiel nicht länger verweilen und mit dem Fuss wippen muss, dann weiß ich auch nicht.

Die Österreicher erreichen die Brücke um 21:00 Uhr und ziehen ein kleines hölzernes Handwägelchen hinter sich her. Darin stapeln sich ihre in Futterale verpackten Instrumente. Aber ihre Musikerkonkurrenz hat sich festgespielt. Warum sollten sie den Platz freiwillig räumen? Die Österreicher wenden nach einigen Liedern Wartezeit ihr Wägelchen, um ihr Glück am Marktplatz zu versuchen. Aber da sitzt auch schon ein Blues-Musiker ... Keine Ahnung, wie der Musikantenwettstreit ausgegangen ist. Für die Austria-Musikanten vielleicht bei ganz viel „cerne pivo“ in irgendeiner Kneipe.

Wir erinnern uns an vergangene Zeiten

Es waren einmal vor vielen Jahren zwei hungrige Motorradfahrer. Wir schreiben das Jahr 2004. Ćeský Krumlov wird von Touristen aus aller Welt besucht. Die Stadt beherbergt Restaurants jeder Coleur. Die tschechischen Gastronomen meinen, „international“ muss sein – dabei wäre manchem wohl ein hundsordinärer Gulasch mit „Kneedel“ lieber als das ganze frittierte Zeugs mit internationalem Anstrich.

Wir hatten drei Wochen lang deftige Fleischkost, deshalb gelüstet uns am letzten Abend nach Grünzeugs. Das wär‘s mal wieder – 'ne richtige große Schüssel Salat!

Knoblauchbrot in Ceský Krumlov

Aber denkste! Erst versuchen wir`s beim Italiener (ob hier wirklich Italiener kochen?), der auf jeden Fall Salat haben müsste. Doch da liegen wir genau so falsch wie bei den anschließend besuchten Lokalen. Schließlich kapitulieren wir und schrauben unsere Ansprüche auf ein Minimum herunter.

Wir werden etwas schief angeschaut, als wir einen Shopski Salat bestellen, der sich als mittelgroßes Kompottschüsselchen Gurkenscheiben und Tomaten entpuppt und diesen zu unserem Hauptgericht deklarieren.

Schild mit Verboten in einer Bar in Ceský Krumlov

Aber wir wollen keinesfalls ungerecht sein: die tschechische Küche hat diese Salattradition einfach nicht. Es gibt in der Regel überall Shopski-Salat, der aus kleingeschnippelten Paprika, Gurken und Tomaten besteht und von einem geraspelten Berg Schafskäse gekrönt wird, aber diesen serviert man nur in Kompottschüsselchen. Also nix für den großen Hunger.

In den Gassen findet man eine Reihe sehr uriger Restaurants mit interessantem Speiseangebot, altem Kneipeninterieur aus dem letzten Jahrhundert und winzigen Gasträumen, die über windschiefe Treppchen zu erreichen sind. Das Speisenangebot reicht von Kuttelsuppe über Knoblauchröstbrot bis zu altböhmischer Küche. Schnitzel gibt es selbstverständlich auch. Manchmal muss man schulterbreite Treppchen hochgehen, um in ein Lokal zu gelangen und eventuell sitzt man dann an einem Zwei-Personen-Tisch auf einem Zwei-Personen-Balkon, unter sich lückenhafte Bodenbretter, die Blicke auf die Terrasse eines anderen Restaurants ermöglichen oder direkt auf die Moldau ... Originell und schwindelerregend.

Alt-tschechische Küche

Oder man speist in einem Lokal mit alt-tschechischer Küche: Gerichte aus Zutaten wie Buchweizen, die heute in unserer Küche kaum vorkommen. Leckerer Met zum Trinken dazu.

Die Speisekarte aus jahrhundertealtem, wurmzerfressenen Holz. (Heutzutage leider durch eine stinklangweilige Papierkarte ersetzt!) In der Altstadt dürfte es kein Haus mehr geben, das nicht in irgendeiner Weise Kapital aus dem Tourismus zu erwirtschaften versucht. Wenn es keine Gastwirtschaft beherbergt, dann bestimmt ein kleines Hotel oder Pension oder ein Souvenir-Lädchen oder eine Wechselstube oder oder ...

Drei Puppenköpfe mit Fellmützen als Souvenir zu kaufen

Abends „geben wir uns“ wieder einen kleinen Stadtrundgang. Seit 1992 steht die Stadt Ceský Krumlov unter dem Schutz der UNESCO, zusammen mit weiteren Städten wie Prag und Teltsch.

Der Schlossturm ist ein Muss! Es geht auf teilweise sehr engen Wendeltreppen hinauf. Nur Fußkranke haben eine Entschuldigung, ansonsten darf sich keiner die geniale Aussicht auf die Stadt und die Moldau entgehen lassen. Bis vor der Wende tauchten ganze 10 Laternen die Stadt in ihr „grelles Licht“. Aber das war auch ganz gut so: nicht auszudenken, wenn die Häuser der Altstadt im sozialistischen „70er-Jahre-Stil“ modernisiert worden wären!

Mantelbrücke

Wir durchwandern das Schloss, die Mantelbrücke und die Innenhöfe, wobei wir uns die eigentlichen Innenräume sparen. Nur das Barocktheater lassen wir uns diesmal nicht entgehen. Wer genug Zeit hat, sollte sich das Theater unbedingt anschauen. Das Theater ist im Originalzustand des 17. Jahrhunderts erhalten bzw. restauriert. Die Technik, die Beleuchtung, die Gepflogenheiten – all das vermittelt die Führung. Es existiert außerdem das Wachsfiguren-Kabinett, das Puppen-Kabinett des Nationalmuseums und nicht zuletzt das Foltermuseum, dessen Berechtigung aber eher fragwürdig ist. Die Installationen sind aufsehenheischend und multimedial dargestellt – bißchen zuviel Schall, Rauch und Sensationen für die nette Stadt!

Abendessen im Gasthaus Schwejk

Der abendliche Hunger treibt uns ins „Schwejk“, einem Restaurant mit außergewöhnlicher, rustikaler Küche in der Gasse Latran. Die Stadt ist heute Abend fast jungfräulich. Es sind nur wenige Menschen unterwegs, sie wurden alle vom Regen vertrieben.

Schön, die Stadt mal wieder ohne Trubel zu erleben. Im "Schwejk" haben wir trotzdem Not, einen Tisch zu bekommen. Neben uns auf dem Fensterbrett steht ein altes Röhrenradio – in Wirklichkeit gut getarnte, moderne Lautsprecherboxen. Leiser Elektro-Swing verbreitet gute Laune.

Direkt am Fenster sitzend haben wir einen Blick auf die Gasse. Ist es nicht ein bißchen übertrieben, dass die Japaner mit Regenschirmen laufen? Oder haben sie vorhin, bei Sonne, nur vergessen, den Schirm zu schließen, den sie wegen der Bräunungsgefahr ständig benutzen? Es scheint zu tröpfeln, vielleicht ... Als wir das Schwejk verlassen, schüttet es. Aber wie! Zusammen mit einigen anderen jungen Leuten betreiben wir Hauswandhopping. Irgendwann gehen uns die Dächer aus ... Wurscht, die Frisur ist im Eimer und während einer Motorradtour verhängt man von Haus aus jeden Spiegel.

Šumava | Motorradtour im Böhmerwald
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