Hagia Sophia | mit dem Motorrad in Istanbul

So langsam haben wir uns von der harten Zugfahrt mit dem Optima-Express erholt.Die letzte Nacht ist etwas früher als die Nacht davor zu Ende. Wir schlafen nicht bis das Frühstücksbuffet schon fast wieder abgeräumt wird. Da auch hier das Bett ziemlich hart ist, kämpfen wir beide mit unseren maladen Hüftgelenken, die von dem harten Liegebrett im OPTIMA EXPRESS schmerzen. Da heute – am Dienstag – im Gegensatz zu gestern die Hagia Sofia (Ayasofya, übersetzt "Heilige Weisheit") geöffnet ist, streben wir als erstes dieser Moschee zu. Sie wird nicht mehr als Moschee genutzt, so ist es uns gestattet, sie mit kurze Ärmeln und ohne Kopfbedeckung zu betreten. Es herrscht ein geschäftiger Trubel.
Der Eintritt kostet zehn Türkische Lira. Die Hagia Sophia ist der reinste Hochsicherheitstrakt: Beim Hineingehen müssen wir Taschen und den Fotoapparat samt Videokamera auf ein Laufband legen, damit sie durchleuchtet werden können. Bei Jochen piepst der Scanner, als er die Kontrolle passiert: seine Brille in der Hosentasche ist's, die noch auf das Laufband muss.



Mit dem Bau der ersten Kirche unter dem Namen Sophienkirche wurde 325 begonnen, aber schon 404 wurde sie durch einen Brand zerstört. 532 noch einmal. Nun begann Justinian mit dem Vorhaben, die größste Kirche der Welt zu bauen, sofort wieder mit dem Aufbau. Am 27. Dezember 537 wurde die Hagia Sophia feierlich vom Kaiser eingeweiht. Die Hagia Sophia war die Hauptkirche des byzantinischen Reiches und religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie. Große Problem bereitet bis in die heutige Zeit die riesige Kuppel. Sie stürzte schon mehrmals in den letzten fünfzehn Jahrhunderten ein – das erste Mal 558 nach einem Erdbeben.
Bis heute ist es ein Rätsel, wie die Baumeister es schafften, eine 56 Meter hohe Kuppel von 31 Metern Durchmesser auf nur vier Pfeilern zu errichten. Die Hagia Sophia befindet sich auf erdbebengefährdetem Gebiet, sodass dieser Bau ständig bedroht ist. Heute wird die Hagia Sophia diesbezüglich mit modernsten Mitteln erforscht und überwacht.
Am 19. Mai 1453 wurde Konstantinopel von den osmanischen Türken erobert und damit wurde aus der Sophienkirche eine Moschee.
Natürlich mussten zahlreiche Änderungen vorgenommen werden: das Metallkreuz in der Kuppel wurde von einem Halbmond ersetzt, anstelle des Ambon wurde eine Kanzel errichtet sowie ein Mihrab für das Gebet in Richtung Mekka. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand die junge türkische Republik. Ihr erster Präsident Kemal Atatürk beschloss, die Moschee in ein byzantinisch-osmanisches Museum umzuwandeln, und im April 1932 begann man die Mosaiken freizulegen. Die Moschee ist beeindruckend. Nur schade, dass wir sie mit Schuhen betreten müssen. Alle religiös genutzte Moscheen sind gänzlich mit in Rottönen gehaltenen Teppichen ausgelegt. Barfuss auf diesen warmen Teppichen durch die Moschee zu laufen – das hat was. Man fühlt sich heimisch, wie zu Hause im Wohnzimmer. Nicht zu vergleichen mit den meist kühlen Kirchen Westeuropas.
Noch eine weitere Moschee steht für den heutigen Tag auf der Wunschliste. Die Rüstem-Pascha-Moschee in der Nähe des Gewürzbasars. Die müssen wir nun noch finden. Nicht so einfach, in den Strassen Istanbuls vorwärts zu kommen. Tausende von Fussgängern sind unterwegs, dazwischen hupende Autos und Taxis, Abschleppwagen, die Parksünder aufladen, Gepäckträger, die auf selbstgebauten Kraxen große Gewichte schleppen, Männer, die auf großen Gepäckkarren Berge von Säcken oder Kartons transportieren, dazwischen Glaskarren an den Straßenecken, wo Sesamkringel verkauft werden, Schuhputzer, deren Hoffnung auf neue Kundschaft mit Blicken auf unsere Trekkingsandalen im Keim ersticken.
Jeder versucht jedem etwas zu verkaufen. Trotzdem, die Anmache hält sich in Grenzen – ein "No, Thank you" – und der Spuk ist vorbei. Bis zum Nächsten. Damit können wir gut leben. Dies ist unser letzter Abend. Istanbul war ein genialer Anfang unserer Motorradtour. Während der Planung hatten wir geschwankt: Sollen wir Istanbul für drei Tage gleich an den Anfang unserer 3wöchigen Rundtour nehmen? Wird es zeitmäßig und streckenmäßig dann nicht knapp? Wird uns Istanbul nicht überfordern? Wir, die noch nie in Asien und einem islamischen Land waren – und dann gleich dieser Schmelztiegel am Anfang der Tour? Unser Fazit: Nein! Istanbul ist eine faszinierende Stadt, die wir am liebsten schon morgen für einen etwas längeren Aufenthalt besuchen würden!
Rüstem-Pascha-Moschee