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Hirtstein | Tanz auf dem Vulkan

Drei Motorradfahrer laufen auf der Basaltformation in der Nähe zur Hirtsteinbaude

Am Ortsausgang von Satzung (das zu Marienberg gehört) biegt man nach links ab und meistert einen letzten großen Anstieg bis auf den Hirtstein, den höchsten Berg des Mittleren Erzgebirges. Wir stehen auf einem erloschenen Vulkan mit einer Höhe von 890 Metern. Vor Millionen von Jahren schob ein Vulkanausbruch Lava an die Oberfläche, die als eine fächerförmige Basaltformation in der Nähe der Hirtsteinbaude bewundert werden kann. Dieser Palmwedel aus Gestein ist eine der wichtigsten Geotope in Deutschland. Eigentlich verwundert es etwas, dass man die horizontal aufgefächerte Gesteinsformation betreten darf.

Hirtsteinbaude

Von hier aus hat man einen herrlichen Rundumblick: Alle anderen, noch höheren Berge wie den Fichtelberg, Scheibenberg, Bärenstein, Pöhlberg und der Keilberg (im tschechischen Teil des Gebirges) spitzeln bei klaren Wetter am Horizont heraus.

Nach Osten schließt sich die Rübenauer Hochfläche an und im Süden ist der Erzgebirgskamm mit der böhmischen Bergstadt Sebastiansberg und der 994 Meter hohe Haßberg zu sehen. Die Distanzen zu allen genannten Bergen betragen zwischen fünf und zwanzig Kilometern – mit einem Fahrzeug sind diese Berge somit schnell in kurvenreichen Touren erreichbar. Auf der Homepage von Satzung kann man das Panorama digital bewundern. Aber noch besser ist: Kommen und selbst anschauen!

Blick auf die Triangulationssäule am Hirtstein

Wir wenden uns nun von den Landschaftsgenüssen ab und den kulinarischen Genüssen zu. Die 1927 erbaute Hirtsteinbaude (Berggasthaus und Pension) ist eine Schutzhütte in der Tradition der Bergbauden osteuropäischer Regionen. Man findet die ganz typische Art der Bergbauden zum Beispiel im Sudetenland, ebenso im tschechischen Riesen- und im Isergebirge. Diese Gebäude sind mit Holz verkleidet und die Dächer werden meist nicht durch Gauben unterbrochen.

Für uns gibt's erst mal in der gemütlichen Baudenstube eine Sülze mit Bratkartoffeln. Letztere natürlich mit Majoran, einem Gewürz, das aus dem Kartoffelland Erzgebirge nicht wegzudenken ist. Dafür lass ich jedes andere Gericht links liegen. Es gibt einige Köstlichkeiten, die müssen einfach immer gegessen werden, wenn wir das Erzgebirge besuchen: Knacker (in Bayern nennt man sie Rohpolnische), bevorzugt mit Kümmel, natürlich die genannte Sülze mit Bratkartoffeln und beim Bäcker den Kirmeskuchen. Genug geschwärmt! Jetzt läuft mir schon beim Schreiben das Wasser im Mund zusammen!

Panoramaaufnahme. Im Hintergrund eine Gewitterfront

Hier oben trotzt die Baude im Winter heftigen Winden und ist Anlaufstelle für Skifahrer und Langläufer, da unterhalb ein Skilift in Betrieb genommen wird und außerdem viele Loipen gespurt werden. Im Durchschnitt hat das Erzgebirge hundert schneesichere Tage. Aber das ist uns egal, wir haben jetzt im Herbst noch nicht mit Schnee auf der Zufahrtsstraße zu kämpfen – nur mit dem aufziehenden Gewitter, das in die Mobilfunkantenne am Parkplätz einschlägt, als wir uns nach dem Essen neben den Motorrädern fahrfertig machen. Nun aber! Nichts wie weg!

Der Reitzenhainer Erzgebirgspass ist von Marienberg aus der nächstgelegene Übertrittsmöglichkeit nach Böhmen. Im Jahr 1978, also schon zu DDR-Zeiten, wurde an dieser Stelle ein Grenzübergang zur Tschechischen Republik eröffnet, weil das Gebirge hier sanfter verläuft als im Osten und Westen und der Schwerverkehr besser hinauf schnaufen kann. Nach wenigen Kilometern schnuppern wir böhmische Luft.

Zunächst wenden wir uns nach Osten. Unser Ziel ist es, wie so oft n dieser Gegend, einfach den Kamm immer mal rauf und runter zu wedeln. Und das gelingt nur, indem man Ländergrenzen überschreitet, da der Hauptkamm auf tschechischem Gebiet liegt.

Landschaft und im Hintergrund ein Dorf mit Kirche

Wir folgen dem Grenzverlauf. Die Straße ist rissig und unsere Hoffnungen, einige Ausblicke genießen zu können, erfüllen sich leider nicht. Wir sind kilometerweit von Wald umgeben. Wald, nichts als Wald. Und wir mittendrin, als einzige Verkehrsteilnehmer, denn Gegenverkehr haben wir keinen.

Irgendwann lichtet sich das Blätterwerk und auf dem Rosenberg (Růžový vrch) sehen wir einen Aussichtsturm. Genau, da rauf wollen wir. Sankt Katharinaberg nennt sich der Ort, tschechisch Hora Svaté Kateřiny. Der Turm ist sogar geöffnet, jedoch sind wir die einzigen Besucher. 0,80 Euro kostet der Eintritt. Man nimmt Euro und kann sogar die 20 Cent rausgeben. Im Fuss des Turmes sind alte Dokumente zur Geschichte des Turmes und des Ortes ausgestellt, der einst auch viele deutsche Einwohner hatte.

Der letzte Teil der Treppe ist eine Wendeltreppe. Oder besser gesagt: eine Wendelleiter. Sehr füllig darf man da nicht sein. Oder einen voluminösen Rucksack mit sich tragen. Im Turm angekommen stellen wir fest, dass es zwar eine Aussicht gibt, aber naja, die Fenster sind so dreckig ... Also wieder runtergewendelt und weiter. Es ist saukalt, der Wind vereist die Nasenspitze und bläst jede Lust weg, irgend etwas zu fotografieren oder filmen.

Hier in der Region gibt es Dutzende Stollen, einer davon ist der Nikolaistollen, der jahrelang hinter vorgehaltener Hand als Versteck des Bernsteinzimmers gehandelt wurde. Immer wieder werden Stollen und Bergwerke im Erzgebirge in einem Atemzug mit dem unauffindbaren Bernsteinzimmer genannt. Aber das werden auch viele andere Stollen. Dieser kann es wohl nicht sein, denn seit 2013 ist er für die Öffentlichkeit zugänglich.

Weiter geht's Richtung Horní Jiřetín. Kurz darauf erreichen wir Litvínov, hier beginnt eine kurvige Bergstrecke, die man eigentlich nur findet, wenn man sich die Karte genauer anschaut. Die Straße mit der Nummer 2543 ist nicht ausgeschildert (oder wir sind nicht an den Schildern blind vorbeigefahren) und führt vorbei an einem Wohngebiet mit großen Häuserblöcken.

Das Asphaltband klettert in Serpentinen den Erzgebirgskamm hinauf. Dabei ist man umgeben von einem dichten Buchenwald, der kaum Licht durch die Blätterkrone bis hinunter zum schwarzen Asphalt dringen lässt. Wir kennen diese Strecke schon, sind sie andermal auch schon gleich am Anfang der Tour gefahren. Am Morgen wabern hier noch dichte Nebelschwaden zwischen den Bäumen, während "draußen" schon die Sonne lacht. Das hat was Mystisches und lässt verschmerzen, dass es gleich um einiges kühler wird. Den Wald hinter sich lassend, tuckern wir auf die Grenze bei Deutscheinsiedel zu. Damit haben wir uns nun heimlich ins Osterzgebirge geschlichen.

Cranzahl
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