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Motorradtouren Montenegro Bucht von Kotor U-Boot Station Rose

U-Boot Station Rose | Wenn das mal gut geht ...

Blick vom Schiff auf die Küste mit Dorf

Am vergangenen Abend stießen unsere Freunde Britta und Klaus zu uns in unsere Unterkunft Titanis Rooms*. Während unserer ersten Tagestour im Viererpack genehmigen wir uns als Appetizer einige Kilometer auf der Küstenstraße. Wer die in sich verschachtelte Bucht umfahren will, braucht Zeit, viel Zeit. Welch einen Luxus genießen wir doch zu Hause im deutschen Binnenland! Egal in welche Richtung – wir fahren einfach dahin, egal in welche Himmelsrichtung! Hier an der Bucht von Kotor, die auch noch in innere und äußere Bucht aufgeteilt ist, muss man erst einmal weiiiit um die Bucht herumfahren, um von A nach B zu gelangen. Oft bestimmen nicht unbedingt die Kilometer die Fahrtzeit, sondern die Bergrücken und/oder die Wasserflächen, die zwischen A und B liegen.

Wir lassen das malerische Örtchen Perast, vor dem sich die parkenden Autos am Straßenrand stapeln, links liegen. In Risan biegen wir auf die kleine alte Straße ein, die wir auf der Herfahrt schon kennenlernten. Kamenari nennt sich ein kleiner Ort an der Bucht, sein Name rührt von Kamen her, was soviel bedeutet wie Fels, Stein oder Marmor. Steine aus den Steinbrüchen Kamenaris schmücken unter anderem einen Großteil der Straßen Venedigs. Den meisten Reisenden ist der kleine Ort an der Wespentaille der Boka als Anlegehafen einer Fähre bekannt, die die nur zweihundert Meter breite Meerenge zwischen Kamenari und Lepetani mit mehreren Schiffen rund um die Uhr verbindet. Laut Statistik transportieren die Fähren pro Jahr fünfhunderttausend Fahrzeuge über die Engstelle.

Blick auf die Fähre und das Kartenhaus bei der Überfahrt zwischen Kamenari und Lepetani

Schwupps, schippern wir auch schon hinüber auf die andere Seite. Keine Wartezeit. Die Bugklappe kann nicht ganz geschlossen werden, weil das letzte Auto noch halb darauf steht. Kurze Assoziationen mit der Estonia schießen durch die grauen Zellen, doch das scheint übliche Praxis zu sein. Hoffentlich auch eine sichere! Den schönsten Ausblick auf die kleine Mittelmeerenge soll man vom Kirchlein Sveti Nedjelje haben, weit oben auf den Kuppen über dem Ort Kamenari. Dieser Blick wird irgendwann womöglich nicht mehr ganz so malerisch sein, falls die Fährverbindung durch eine Brücke ersetzt wird. So wie es derzeit aussieht, wird jedoch die UNESCO dieses wahnwitzige Projekt verhindern.

Lustig auf der Luštica-Halbinsel

Die große Landmenge der Luštica-Halbinsel bildet die westliche Begrenzung der Boka Kotorska. Hier, zwischen dem schwertförmigen Fortsatz, der schon zu Kroatien gehört und dem dickbäuchigen Ende der Luštica-Halbinsel befindet sich die Einfahrtslinie der Kreuzfahrtschiffe, die die Bucht täglich ansteuern und sich bis ins letzte Zipfelchen der inneren Bucht zum Vorzeigestädtchen Kotor kämpfen.

Blick von der der Fähre in der Bucht von Kotor auf das gegenüber liegende Land

Die Halbinsel wirkt sehr ruhig, nur am Anfang gibt es eine Ortspassage, danach passieren wir nur gelegentlich versprengte Häuser. Auf der Satellitenkarte sieht man einige Gebäudeansammlungen in prägnanten Buchten, aber während der Fahrt entdecken wir die nicht. Wir sind ziemlich alleine auf den Straßen.

Himmlische Ruhe. Nur Insektengesumme, Vogelgezwitscher und drei Motorräder, die über die Hügel brummeln. Nicht immer ging es so friedvoll zu. Bis in die 90er Jahre war das hier militärisches Sperrgebiet. Im zweiten Weltkrieg errichtete die jugoslawische Armee einen U-Boot-Hafen. Während der Nato-Bombardierung 1999 von Serbien-Montenegro wurde die Halbinsel sogar mit Uran-Munition beschossen. Strahlen wir, wenn wir hier rauskommen? Gab es nur eine einzige U-Boot-Röhre oder gar mehrere? Wir wissen es nicht. Vom gegenüberliegenden Ufer bei Herceg Novi kann man noch ein dunkles Loch im Felsen direkt über der Meeresoberfläche entdecken. Leider kann selbst unser Teleobjektiv nicht weit genug über‘s Meer zoomen.

Fahrprüfung an der U-Boot-Basis

Wir sind auf dem Weg zu der ehemaligen U-Boot-Basis. In einer Rechtskehre geht von der schmalen Asphaltstraße ein zugewucherter Feldweg ab. Dreihundert Meter später, nach der letzten Kehre über dem Wasser, stoppen wir. Jochen meinte schon im Vorfeld, die letzten Meter könnten etwas haarig werden. Er hatte sich das in Google angeschaut. Ich solle nun besser absteigen. Aus dem Weg ragen Felsstufen, die Rinnen sind ausgewaschen und grobes Geröll sorgt für den gehobenen Endurofaktor. Hoffentlich bereuen wir das nicht! Die Piste vor uns ist grausam. Und das ist noch geprahlt. Sagt zumindest die Sozia.

Teilweise noch betonierte Abfahrt zur U-Boot-Base
Das untere Plateau direkt am Wasser vor dem Eingang zur U-Boot-Station ist komplett zerstört

Der Weg muss ursprünglich betoniert gewesen sein, doch leider wurden einige Meter am Ende des Weges weggesprengt. Wo früher eine betonierte Fläche die Verbindung vom Fahrweg zur Betonplattform vor der U-Boot-Röhre herstellte, klafft ein tiefes Loch voller grober Beton- und Steinbrocken. Auf dass die letzten Meter einen Adrenalinkick erster Klasse generieren!!

Ein Motorrad nach dem anderen erreicht die Betonfläche am ehemaligen U-Boot-Hafen. Motor aus. Geschafft! Wie wir alle da wieder rauf kommen – besser nicht daran denken! Jetzt erst mal diesen Ort erkunden.

Das Meer plätschert leise und beruhigend auf einer Länge von hundert Metern in dem gefluteten U-Boot-Tunnel. Die Röhre weist Querverbindungen zu Räumen und weiteren Tunnels auf, in denen sich wohl Versorgungsgerät befand und aus denen sich das Personal den U-Booten trockenen Fußes nähern konnte.

Betonierter schmaler Einang für ein U-Boot in die Röhre der U-Boot-Station

Mit Hilfe unserer Handy- und Videolampen tasten wir uns in den stockdunklen Gemäuern vorwärts. In einem der Räume entdecken wir im Handylicht ein Insekt von ungeahnter Größe an der Wand. Die Fühler zehn, der Körper vielleicht drei Zentimeter lang. Mit Beinen und Fühlern so groß wie eine Hand. Wow, was ist denn das? Eine Spinne? So riesig? Aber mit so langen Fühlern? Erst beim späteren Auswerten der Fotos fallen mir der Körperbau und die nur sechs Beine auf, die nun überhaupt nicht zur Definition einer Spinne passen. Mit ein wenig Recherche wird klar, was wir da Scheues vor die Kamera bekamen: eine Höhlenschrecke.

Drei Motorräder stehen auf den komplett betonierten Resten des Plateau der U-Boot-Station Rose

Vor der Rückfahrt laufen Jochen, Klaus und Britta die Piste zu Fuß ab, kicken die schlimmsten Brocken aus dem Weg und suchen sich für jeden Meter die beste Fahrrinne heraus. Mal links, dann eher rechts halten ... Vorsichtshalber fährt ein jeder einzeln hinauf. Wie die Maschine schwankt, ausschlägt und über die Felsen hüpft! Jochen postiert sich für Fotos am Wegesrand im Gebüsch.

Klaus zeigt, wie das geht ...

Klaus vermittelt uns während seiner Auffahrt ein Lehrstück zum Thema Blickführung. Er startet entschlossen die Adventure, der Boxersound lässt den Fels vor Ehrfurcht beben, einmal, zweimal heult der Motor auf. Ein Blick auf das Ende des Schotterweges – er schließt das verdunkelte Visier, fährt zügig an, steht auf, die Vorderradgabel federt elegant die Schläge der Betonbrocken ab, der Motor dreht höher, Klaus gibt alles, sanft fangen seine Knie die Unebenheiten ab. Als Klaus Jochen gewahr wird, leitet er die GS wie paralysiert auf diesen zu und sticht neben Jochen ins unwegsame Gebüsch ein. Die Kuh kippt. Aber nix passiert! Nur ein wunderschönes Beispiel für Blickführung. Die Kuh ist schnell wieder auf die Hufe gestellt. Keine weiteren Vorkommnisse mehr. Seine restliche Fahrt bis auf die Kuppe verläuft ereignislos.

Großes Aufatmen, als alle heil und vollzählig wieder oben an der Kehre ankommen. Alleine wäre keiner von uns da runter gefahren. Wir empfehlen es auch nicht nachzumachen. Höchstens mit ganz leichten Maschinen. Ich bezweifele, dass wir es noch mal tun würden. Die Gefahr, sich dabei das Motorrad zu demolieren ist absolut nicht zu unterschätzen.

Wir suchen ein Café in der „Luštica Bay”, dem Nobelprojekt des ägyptischen Milliardärs Samih Sawiris, den man auch Rockefeller vom Nil nennt. Eine in fünf Jahren Bauzeit im Niemandsland aus dem Fels gestampfte Feriensiedlung, mit großzügigem Hafen und allem Schnickschnack, den sich die Upperclass so wünscht. Unter anderem errichtete man den ersten Golfplatz Montenegros, der angesichts der reichen Schlangenpopulation Montenegros ein aufwändiges Unterfangen sein dürfte.

Cockpit einer BMW GS mit Blumen geschmückt
Tasse Kaffee mit Kiwi bei einer Pause

Auf dem ersten Blick schaut „Luštica Bay” wie ein schönes, malerisches Dorf aus, dessen würfelförmigen Häuser sich den Hang hinaufziehen. Eine schnieke, neu gebaute Straße führt hinunter in die Bucht auf einen noch teilweise im Bau befindlichen Parkplatz.

Die Retortensiedlung scheint autofrei zu sein. Ein Café befände sich in fünfzig Meter Entfernung, meint ein respektabler, wenn auch nicht besonders bulliger, weiß behemdeter Securitymensch. Er versucht uns in einen Bereich hinter die Autos zu dirigieren, der allerdings nur über eine fünfzehn Zentimeter hohe Stufe zu erreichen ist. Ohne groß miteinander zu kommunizieren, wenden alle. Eindeutig: nach dem U-Boot-Abenteuer hat keiner mehr Bock auf weitere Endurotänze. In einem namenlosen Dorf verschaffen wir dann einer Kellnerin in dem einzigen, unauffälligen Cafe am Platz etwas Abwechslung in ihrem ereignislosen Tagesgeschäft. Ein Stückchen Gurke ist eine leckerer Snack aus unserem Proviant. Nur zum Cappuccino passt sie nur suboptimal.

Stari Bar |
Ruinen über Ruinen und Slow Food vom Feinsten
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