Motorradtouren Türkei Rundtour Mittelmeerküste Raues Kilikien

Raues Kilikien | Mit dem Motorrad entlang der Küste

Parkplatz mit Autos in Tasucu

Wir sind von Kappadokien an die Türkische Riviera, genauer an die kilikische Küste gefahren. Wir hatten eine anstrengende Nacht im Hotel Holmi im Kampf mit der 100%igen Luftfeuchtigkeit, mit den Mücken und vor allem mit den lautstarken russischen Gästen in den Nachbarzimmern. Diese spielen des nächtens "Reise nach Jerusalem" von Zimmer zu Zimmer.

Die Zimmertüren scheppern alle halbe Minute und dann noch dieser lautstarke vermutlich russische Palaver. Als ich die Faxen dicke habe, auf den Gang stürme und "RUHE!" rufe, schaut mich ein Typ mit großen Augen an: "Sto?" ("Was?") Ich sag's doch, Russen.

Im ehemaligen seeräubernest Taşucu
Schiffe stehen hinter Palmen im Hafen von Tasucu

In Taşucu gibt es nichts weltbewegendes zu sehen, aber es ist immer noch das netteste Städtchen hier. Keine alte Bausubstanz, aber ein ruhiger Strand und ein kleiner Hafen. Dieser wird von der Fähre von/nach Nordzypern bedient. Wäre da nicht diese Mückenplage, die vermutlich vom Göksu-Delta herrührt, und diese 100%ige Schwüle, könnte man hier schon mal zwei bis drei Tage mit Touren in den Taurus verbringen.

Als wir schon in der Falle liegen, hören wir einen Boxermotor vorbeituckern. Hmmm, wer fährt hier noch eine BMW oder noch schlimmer: Ist es gar unsere? Was das mit dem zweiten Boxer auf sich hat, klärt sich später noch.

Theoretisch hätten wir von Kappadokien her auch noch östlicher den Taurus überwinden können: durch die kilikische Pforte. Über diesen berühmten Durchstich fiel schon Alexander der Große in Kilikien ein und drängte die Perser zurück, die lange Zeit diese Region beherrschten. Aber unser Zeitplan erschien uns zu knapp, um auch noch das Hatay zu besuchen, eine außergewöhnliche Region an der Syrischen Grenze, die bis 1939 zu Syrien gehörte.

Motorrad macht Pause an der Küste von Kilikien Motorradfahrer steht auf geflickter Stelle im Asphalt des Straßenbelages LKW fährt auf der linken Seite auf der Küstenstraße

Kilikien muss man in zwei Abschnitte teilen: das Raue Kilikien, das von der Symbiose Taurusgebirge – Meer geprägt wird. Dann gibt es noch das Ebene Kilikien – eine wie der Name schon sagt relativ ebene Landschaft, in der die Berge des Taurus weit zurückgedrängt werden. Jedoch sorgen diese Berge dafür, dass in der Region ein fast subtropisches Klima herrscht. Was widerum erklärt, wieso wir hier Hunderte von Bananenplantagen, offene und welche in großen gedeckten Gewächshäusern, vorfinden. An den Straßenrändern verkauft man in Dutzenden kleinen Buden Bananen und eingelegte Oliven. Aber bei den Konserven immer gleich in Großfamiliengläsern – ein Glas Oliven und der Tankrucksack wäre mehr als voll!

Die Straße schlängelt sich hinauf in einen Bergeinschnitt und wieder bergab zum Wasser, in schöner Regelmäßigkeit. Der Verkehr hält sich in Grenzen. Immer wieder kämpfen sich schwere Lastwagen, bepackt mit dicken Rohren, bergauf und bergab.

Bei einer Pause in einem stark nach Harz duftendem Pinienwald sitzen wir in einer Kurve und beobachten die großen LKWs, die schwer zu schnaufen haben. Wir können gut hören und sehen, wie die Last bergab schiebt und unter ihnen der Asphalt mahlt und knirscht und ziemlich in Mitleidenschaft gezogen wird. Der Rollsplit, den es vermutlich in der Türkei irgendwo geschenkt gibt, spritzt unter der Last nur so unter den Reifen heraus. Mordsmäßige Rammböcke – falls die Bremsen versagen. Die Fahrer freuen sich, uns zu sehen und durch die Bank senden sie uns einen kurzen Gruß mit der Hupe.

Mehrere Männer sitzen in Straßenkaffee und unterhalten sich Zwei Männer im Kaffee unterhalten sich

Mittagszeit. Ein namenloses Kaff. Unser Wasservorrat geht zur Neige und bedarf einer Auffüllung. Bei der Suche nach dem Durstlöscher sehen wir am linken Straßenrand erst einen Laden mit einem Turm Wasserflaschen davor und dann eine BMW stehen. Hier sollten wir "nach dem Rechten" sehen. Beim Wenden werden ein zweiter Tisch und zwei Stühle in die illustre Runde einheimischer Teetrinker gestellt. In einem von ihnen vermuten wir den BMW-Fahrer.

Der bayerische "Nobelhobel", eine etwas ältere K75, gehört einem Zyprioten. "Jawa-Ali" (auf dem Foto: rechts mit schwarzem T-Shirt) aus dem türkischen Teil Zyperns spricht ganz gut deutsch, so dass wir ihn gut verstehen können. Hier schließt sich der Kreis, welcher in Taşucu mit der auditiven Wahrnehmung eines arbeitenden Boxermotors geöffnet wurde.

Jawa-Ali war es, welcher gestern spät abends von der Fähre aus Zypern in Taşucu angelegt hatte, an unserer Pension vorbeituckerte. Es stellt sich heraus, dass er Berichte über seine Reisen in Zusammenarbeit mit dem türkischen Motorradheft "motoron" veröffentlicht. Schnell hat er seinen Fotoapparat gezückt und einige Bilder mit und von uns gemacht. Es ist sicher, so meint er, dass er auch über das kommende Motorradtreffen einen Bericht schreiben wird. Der solle so im September erscheinen.

Fragt einfach nach jawa-ali ...

Wir tauschen Email-Adressen. Wie, Jawa-Ali hat keine Visitenkarten dabei? Nein. Er meint lapidar: "Wenn ihr mal nach Zypern kommt, fragt einfach nach Jawa-Ali!" Herrlich. Auf Zypern einfach nach Jawa-Ali fragen. Ja, Ali, und wenn du mal nach Augsburg kommst, frag einfach nach Jochen und Elke ...

Er erzählt von dem in einer Woche stattfindenden Motorradtreffen in Marmaris. Jawa-Ali meint, wir sollten doch einfach mitfahren zum Motorradtreffen. Am liebsten wäre es ihm wohl, wenn er mit uns im Schlepptau dort erscheinen würde. Wir stehen in einem Interessenskonflikt.

Einerseits wollen wir unseren Tourplan im Großen und Ganzen einhalten und da wären wir erst nach dem besagten Wochenende in der Gegend um Marmaris, andererseits kann uns nichts besseres passieren, als mit einem türkischen Dolmetscher auf so ein Treffen zu fahren. Dort seien Motorradfahrer aus der ganzen Welt. So tausend Stück. (Was wir allerdings nicht glauben können...)

Also, wir werden uns das noch überlegen. Zusammen hinfahren kommt auf jeden Fall nicht in Frage. Von hier aus sind es noch zwei Tagesfahrten und die wollen wir unabhängig sein. Auch unabhängig vom Fahrstil anderer. Wir fahren, obwohl es eigentlich nicht vereinbart ist, eine Zeitlang hintereinander her. Fahrtechnisch eine harmonische Sache, gleiches Tempo, ähnlicher Fahrstil.

Frau auf Eselkarren fährt durch ein Dorf

Heiße Diskussionen finden über unsere Gegensprechanlage statt. Halten wir ihn nochmals an und sagen ihm, dass wir mitfahren? Dann müssen wir allerdings vier Tage der Tourplanung total umschmeißen. Reizen würde es uns schon! Wir müßten dann einige geplante Punkte streichen und wären irgendwie gebunden. So geht es eine Zeitlang hin und her.

Wir sind am Ende der türkischen Riviera und der kilikischen Küste angelangt. Den schönsten Streckenabschnitt zwischen Anamur und Gazipasa haben wir lang hinter uns gelassen. Hier beschliessen wir, dass wir Ali ziehen lassen und uns am Beginn des langweiligen Küstenabschnittes lieber mal die auf unserer Karte weißen Straßen in das Taurusgebirges ansehen. Weiß wäre die dritt kleinste Kategorie auf unserer Karte. Bis dato hatten wir es oft mit roten bzw. gelben zu tun. Bei Muhmatlar biegen wir nach Norden ab. Die Straße ist huppelig, teilweise große Schlaglöcher, meterweise geflickter Asphalt, aber landschaftlich einfach genial.

Hinauf ins Taurusgebirge

Auf null Höhenmetern, unten am Meer haben wir eine gefühlte Schnabeltemperatur von ca. 30° Grad. Wir meinen, das ist zuviel. Wenn wir wüßten!!! Wenn wir wüssten, dass wir diese Temperatur bald herbeisehen werden! Wir treten jedenfalls die Flucht in die kühleren Berge an. Glauben wir zumindest.

Bergstrecke im Taurus-Gebirge

Auf den ersten Kilometern ist von einer Besserung nichts zu spüren. Im Gegenteil, die Temperatur klettert auf 38°C. Hmmm *schwitz* – den verkehrten Weg gewählt? Egal, da wollen wir jetzt durch. Mit jedem weiteren gewonnenen Höhenmeter wird es dann doch wieder etwas kühler. In einer Höhe von 1140 Metern, gleichfalls auch der Höhepunkt unseres fluchtähnlichen Verhaltens, sind es jedoch immer noch knappe 30°C im Schatten.

Die Straße ist asphaltiert, zwar nicht in bestem Zustand, aber trotzdem mit der GS himmlisch zu fahren. Und die Berge im Hinterland ... hach, herrlich! *schwelg" Mitten im Wald an einer Kreuzung steht ein Obsthändler mit seinem Verkaufswagen. Ob hier im Tag mehr als zwanzig Fahrzeuge vorbeikommen? Wir können nicht glauben, dass der Händler hier ein Auskommen hat.

Essen auf Rädern in der türkischen Variante
Fahrrad. Roller. Motorrad stehen hintereinander auf der Straße in Alanya

Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass unsere Intuition wohl ebenso gerade im Urlaub weilt: Wir schlagen kurz vor Alanya wieder an der Küste auf und beschließen, Plan B durchzuziehen: direkte Weiterfahrt nach Side über die Küstenstraße. Aber vorher schreit der Magen Alarm. Alanya hat doch sicher eine Dönerbude? Man ahnt schon die Hotelburgen.

An einem Dönerstand, der sich eigentlich nicht an einer touristischen Flaniermeile befindet, spricht man verständliches deutsch. Der Döner schmeckt prima, das Fleisch vom Spieß wird hier in ein Fladenbrot gewickelt.

Die Stadtjugend empfängt uns mit Fragen: Wie teuer ist das in Deutschland und zeigten unmißverständlich auf unsere BIG TURTLE. Elke meint zurück: eine Million Euro. Stimmt natürlich nicht ganz, obwohl es uns machmal so vorkommt. Problem bei der Sache ist nur, dass vor relativ kurzer Zeit die Türkei eine Währungsreform hatte und die beiden Jugendlichen den Witz der Sache erst einmal nicht verstanden haben. Vorerst aber nur.

Beim Bezahlen unseres Döners weiß der Dönersäbler zwar, wieviel die zwei Döner auf türkischer Sprache kosten, nicht aber auf deutsch. Der Jugendliche meint dann plötzlich recht schnippisch: Der Döner kostet acht Millionen Euro. Es steht 1:1, unentschieden.

Der Kellner oder Inhaber der Dönerbude zieht einhändig mit seinem Roller von dannen. In der linken Hand hält er ein Tablett, auf dem ein Korb mit Brot und eine kleine Karaffe steht. Es muss sich wohl um einen Pizza-Express auf türkisch handeln. So fährt er eben mit einer Hand, um seine Ware auszuliefern. Als er zurückkommt macht er uns das Angebot, dass wir doch unsere Big-Turtle gegen seinen Roller tauschen sollen. Wir tauschen nicht, da wir ja vielleicht noch auf das Motorradtreffen nach Marmaris wollen – und das mit einem Roller??!!

So quälen wir uns, anders kann man das bald nicht nennen, immer an der Küste entlang, vorbei an tristen, einfallslosen und teilweise als Bauruinen leerstehenden Hotelburgen. Hier Urlaub machen – eine Vorstellung wie in einem Gruselkabinett zu wohnen. Lieber noch Motorradwandern mit ständig wechselnden Betten. Ist zwar nicht so rückenfreundlich, hat aber mehr Reiz.

Türkische Riviera