Motorradtouren Türkei Rundtour Mittelmeerküste Ephesus

Ephesus

Straße durch das Taurusgebirge

(Red. Elke) | Heute abend – am späten Abend – fährt unsere Fähre in Çeşme ab. Sie bringt uns in zwei Tagen Fahrtzeit nach Ancona. Aber noch sind wir vierhundert Kilometer von Çeşme entfernt und sitzen beim letzten Frühstück in Pamukkale Köy.

Da die Fähre erst um halb zwölf Uhr ablegt, haben wir massig Zeit, um dorthin zu kommen. Wir beschließen, uns Ephesus anzuschauen, das zwischen Bodrum und Izmir gelegene meistfrequentierte Ausflugsziel an der Ägäis.

Insgesamt sind für die Besichtigung drei Stunden ohne Anfahrt eingeplant, was sehr großzügig ist. Unser Thermometer steigt nach wie vor auf 40 °C und mehr. Die Strecke Denizli – Nazilli – Aydin – Selcuk ist unspektakulär. Wir fahren die meiste Zeit auf der Hauptstraße. Wenn wir diese Distanz auf kleineren Straßen hätten bezwingen wollen, wären wir mit unserem Kartenmaterial wohl wieder in Bedrängnis gekommen. Durch die zahlreichen Bergrücken ist ein zusammenhängendes Straßennetz annähernd parallel zu unserer Route nicht immer auszumachen.

Gegenverkehr

Wir sind immer darauf bedacht, uns nicht auf die Autobahn zu verirren, die es im letzten Abschnitt Richtung ägäische Küste gibt. Von Denizli ist eine Autobahn bis Aydin als "im Bau befindlich" in unserer Karte eingezeichnet. Sie verläuft jedoch ein ziemliches Stück südlich der Landstraße Nr. 320. Richtig interessant wird die Gegend Richtung ägäische Küste und Söke. Wir fahren durch kleine Ortschaften, in denen Touristen wohl nur auf der Durchfahrt gesehen werden. An den weiß getünchten Natursteinmauern und Hausmauern liegt Kuhdung-Brocken in der Sonne, um im Winter getrocknet als hervorragender Brennstoff zu dienen.

Kaffeehaus mit baumwaschbecken
Zwei Kellner vor Kaffee Zwei Jungs freuen sich

Uns gelüstet nach frischem Wasser – denn unser boxerwarmes Wasser am Mopped ist nur noch für den Notfall geeignet – und vor allem gelüstet es uns nach einem türkischen Kaffee. Als wir ein einfaches Kaffeehaus entdecken, vor dem zwei Tische, vier Stühle und ein Sessel stehen, parken wir das Mopped dort und bestellen zwei türkische Kaffee.

Eine Literflasche Wasser bekommen wir dazu spendiert. Unterhalten können wir uns zwar nicht, denn keiner versteht deutsch oder englisch, aber wir werden mit großer Neugier beäugt.

Direkt neben dem Haus steht ein Imbisswagen, dessen Besitzer gerade daran geht, ihn akribisch zu säubern. An einem dicken Baumstamm davor ist ein Wasserhahn befestigt und sogar ein Blechwaschbecken. Ein Waschbecken am Baum – nette Idee, als wenn das Wasser aus dem Baum liefe ...

Unter den Kindern im Ort hat sich unsere Anwesenheit herumgesprochen. Verschämt schubsen sich die Kinder in unsere Nähe. Zwei Jungs nehmen sich schließlich ein Herz und treten an unseren Tisch. Mikail und Mehmet. Sie probieren an uns ihren Englischwortschatz aus und fragen, woher wir kommen, wie wir heißen und wo wir hinfahren wollen. Als Ihnen die englischen Wörter ausgehen und unsere Gegenfragen auch nicht mehr verstanden werden, ziehen sie sich diskret zurück.

Toilettengang mit Fremdenführer

Jochen fragt, wo die Toilette ist. Der nette junge Mann wirkt etwas ratlos, wir verstehen, hier gibt es keine Toilette, die zum Lokal gehört. Aber er bedeutet Jochen, er solle ihm folgen. Die beiden verschwinden um die Hausecke.

Frau an Wasserstelle

Ich sitze und warte ... schlürfe genüsslich aus meiner Minikaffeetasse das gute braune Getränk. Ich hätte nie gedacht, dass mir der Kaffee mit dem Krümelsatz schmecken könnte. Aber da der Kaffee ganz fein gemahlen ist und nicht – wie ich befürchtet hatte – in groben Körnern zwischen den Zähnen knirscht, könnte man sich glatt zu Hause auch mal einen kredenzen.

Ich sitze und warte immer noch ... Ist Jochen hineingefallen? Hat er sich verirrt? Oder ist die Schüssel im Nachbardorf? Nach einer Ewigkeit kommt er wieder um die Hausecke. Auf seinen Kurzbericht hin beschließe ich, nicht auch noch auf den Topf zu müssen. Er wurde von dem netten jungen Mann durch's halbe Dorf bis zu einer öffentlichen Toilette geführt. Und der "Fremdenführer" wartete vor der Tür, bis er wieder rauskam. Nett.

Nein, wir brauchen kein Taxi

Wir haben Ephesus schließlich schnell gefunden, die Ausschilderung zu "Efes" ist perfekt. Die Parkplatzwächter erweisen sich großzügig und winken uns durch. Da steht ein niedriger Baum, dessen tief hängende Zweige den Lenker berühren. Nix wie drunter – einen besseren Schattenparkplatz und Umkleidekabine können wir nicht kriegen. Kaum haben wir uns Richtung Eingang begeben, sprechen uns zwei sehr gut deutsch sprechende Männer an. Wir würden uns am Nebenausgang befinden und bis zum Haupteingang würden wir zwei Stunden brauchen. Und deshalb haben sie einen caritativen Fahrdienst eingerichtet, der uns in Nullkommanichts zum Haupteingang zu bringen gedenkt. Da es uns a) wurscht ist, wie weit wir laufen müssen und b) nicht gutgläubig genug sind, um den caritativen Fahrdienst anzunehmen und c) keine Lust haben, bei dem Bruder des Fahrers zu landen, der bestimmt gaaanz zufällig Teppichhändler ist, stapfen wir allein los.

Säulengasse in Ephesus Aufstrebende Säulen an einem Tempel in Ephesus

Hier in Ephesus hat ebenso wie in der Hagia Sophia in Istanbul die moderne Technik Einzug gehalten. Wir kaufen uns ein Ticket und eine langweilige englischsprachige Dame schnarrt aus dem Drehkreuz, dass man das Ticket bitte einführen solle. Das Einlaßpersonal wird nachts bestimmt schlecht träumen: "Please insert your card... please insert you card ... please..."

Athen bestand noch aus drei Eseln und ein paar einzelnen Menschlein, als Ephesus schon eine Weltstadt mit einer Viertelmillion Einwohner war, in antiken Zeiten eine schier unglaubliche Zahl. Die erste Besiedlung der Region durch Leleger und Karer lässt sich ins 2. Jahrtausend v.Chr. zurückdatieren. Im 11.Jh. v.Chr. gründeten ionische Siedler die Stadt Ephesus, die sich durch seinen Hafen und die günstige Lage schnell zu einer ansehnlichen Stadt entwickelte. Der griechische Artemiskult verwob sich mit dem Fruchtbarkeitskult und fand seinen Höhepunkt im Bau des prunkvollen Artemistempels.

550 v.Chr. wurde die Stadt vom Lydierkönig Krösus angegriffen. Er verschonte zwar den noch nicht fertiggestellten Tempel, aber nach zweihundert weiteren Jahren war der Tempel fertig – und wurde prompt von Herostratos in Brand gesteckt. Alexander der Große wollte zwar die gesamten Wiederaufbaukosten übernehmen, aber die stolzen Epheser lehnten dies ab. Im 2.Jh. v.Chr. fiel die Stadt an die Römer und wurde wenig später zur Hauptstadt der Provinz Asia ernannt. Wegen der hohen Steuerabgaben waren die Römer zwar nicht gern gesehen, und trotz einem blutigen Aufstand gegen die römischen Herrscher erblühte die Stadt zu großer Schönheit und Reichtum. Ein Großteil der jetzt wieder zu Tage tretenden Sehenswürdigkeiten stammen aus dieser Zeit. Der Apostel Paulus weilte von 55 bis 58 während seiner zweiten Missionsreise in der Stadt. Die Devotionalienhändler sollen nach einiger Zeit sehr ungehalten reagiert haben, denn sie verkauften keine einzige Artemis-Figur mehr.

Das mit Sicherheit berühmteste Bauwerk der Stadt ist die Celsus-Bibliothek. Ihre wiederaufgebaute Fassade steht symbolhaft für ganz Ephesus. Die Bibliothek wurde 135 n.Chr. von einem C. Aquila zum Gedenken an seinen Vater Celsus errichtet, der Statthalter in der Provinz Asia war. Die zweistöckige Bibliothek hatte in der oberen Etage eine Galerie, von der aus man in den Lesesaal hinunterblicken konnte. Die Ausgrabungen in Ephesus finden seit 1896 unter der Leitung des Österreichischen Archäologischen Instituts statt. Österreichische Archäologen fanden bei den Ausgrabungen dann auch sage und schreibe 850 Originalsteine der Bibliothek und gingen daran, ab 1970 die Fassade akribisch und detailgenau zusammen zu puzzlen.

Säulengang in Ephesus

262 n.Chr. verwüsteten die Goten Stadt und Tempel. Unter anderem verbrannten sie sämtliche Schriften aus der Celsus-Bibliothek und benutzten sie zum Beheizen der Thermen! Der Hafen versandete und andere Häfen und Handelsplätze liefen Ephesus den Rang ab. Die Stadt in der Ebene wurde im 7.Jh. aufgegeben und für einige Jahrhunderte zog man sich auf und rund um den Zitadellenhügel zurück. Man gab dieser Ansiedlung den Namen Hagius Theologus. Nicht lange hatte das Städtchen Ruhe. Im 13. Jahrhundert wurde es durch die Seldschuken erobert (sie nannten es Ayasoluk), die jedoch ihre Obrigkeit schon 1423 an die Osmanen abgeben mussten. Unter dem Namen Selcuk findet man die Stadt seit 1914 auf allen Landkarten.

Der Spaziergang vom Nebeneingang bis zum Haupteingang dauert nur fünfzehn Minuten. Von verwegen: zwei Stunden für einen kompletten Rundgang, wie uns die caritativen Fahrer prophezeiten! Aber zwei Stunden Zeit braucht man locker, um die alten Trümmer angemessen auf sich wirken zu lassen. Man sollte auch genug Wasser mitnehmen, denn im Gelände kann man nichts kaufen.

Çeşme