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Motorradtouren Kroatien Velebit-Gebirge

Velebit-Gebirge

Motorradfahrer vor Leitplanke dahinter blaues Meer mit Bergen

Küsschen rechts. Küsschen links. Wir werden von unserer Vermieterin in Makarska verabschiedet. Der Tag verspricht ein heißer zu werden. Also bleibt das Goretex-Inlay der Motorradhose im Koffer. Die Küstenstraße bis Omiš ist uns schon bekannt und auch den schönen Durchstich der Cetina in Omiš. Hier werden wir für einige Kilometer die Küstenstraße verlassen und wieder im Hinterland bis Split fahren.

Angenehm zu fahren hier oben. Kein Verkehr. Im Unterschied zur Küstenstraße. Wir versuchen uns durch Split zu mogeln. Das gelingt uns anfangs auch ganz gut, immer am Wasser entlang suchen wir uns kleinste, kaum befahrene Straßen. Hauptsache – die Himmelsrichtung stimmt. Aber irgendwann verlässt uns das Glück, die einsame Straße endet und wir müssen uns in Großstadtgewühl begeben.

Panoramablick auf das blaue Meer und steil abfallendes grün bewachsenes Gelände

Nach Trogir verlassen wir die Küstenstraße wieder für einige Zeit, um durch's Hinterland zu fahren. Bei Primošten lassen wir uns vor einem Lokal nieder, um etwas zu essen und die weitere Route auszuklüngeln. Der sechsjährige Sohn der Wirtin ist von unserem fahrbaren Untersatz inspiriert und werkelt mit einem langen Schraubenzieher an einem Modellmotorrad herum. Sibenik liegt ein paar Kilometer vor uns. Wir benötigen wieder mal Sprit. Eigentlich gedenken wir, Sibenik zu umfahren, aber unser Spritfass kann nur dort gefüllt werden. Die erste Tankstelle hat nur Normalbenzin 95 Oktan, erst an der zweiten werden wir auf der Suche nach 98 Oktan fündig. Natürlich hätte es bei unserer Kuh das 95er auch getan, aber gerade bei Schotterpassagen würden wir danach oft mit einem nervigen Geklingele des Motors abgestraft.

Mist, warum ist auf dem Hinweisschild Zadar durchgestrichen? Was nun? Die verbleibenden Richtungsangebote sind alle nicht nach unserem Geschmack. Was macht ein Reiseendurofahrer? Er fährt trotzdem Richtung Zadar. Ungefähr einen Kilometer schaffen wir, bis die Straße abrupt endet. Das Asphaltband mündet nicht etwa in einen Feld- oder Schotterweg – nein, es hört einfach auf! Dahinter Gras und Müll. No way. Wir kehren um, zweihundert Meter vor dem Ende führt ein Feldweg in unsere bevorzugte Himmelsrichtung: Das ist unser Weg! Wir fahren zwei Kilometer, meinen schon, als ein Haus vor uns auftaucht, dass wir jetzt wohl im Hof eines Hauses landen ... aber nein, die Piste geht weiter. Später mündet sie sogar in eine Asphaltstraße und bald schon sind wir wieder auf dem "Rightway".

Hafen mit Booten in Starigrad

Nachmittags erreichen wir zwei Orte, deren Namen mit Islam beginnen, einer heißt Islam Latinski. Wir wundern uns etwas über diese ungewöhnlichen Ortsnamen. Schon im Städtchen Benkovic bemerken wir Häuserruinen mit eingestürzten Dächern sowie leeren Fenster- sowie Türhöhlen, viele ansonsten intakte Häuser weisen Einschusslöcher in der Fassade auf. Das müssen noch Kriegsfolgen sein. Als wir den Ort mit dem Namen Islam Grcki erreichen, wird das Bild noch wesentlich gruseliger. Der Ort besteht zu neunzig Prozent aus Häuserruinen. Nur wenige Gebäude wurden neu aufgebaut. Die meisten gab man dem Verfall preis. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Namen der Orte und den Zerstörungen? Wurde hier eine moslemische Minderheit beschossen, die Häuser zerstört und die Bewohner vertrieben?

Wir landen nachmittags auf dem Parkplatz des Nationalparks "Krker Wasserfälle". Man muss sich mit einem Shuttle-Bus zu den Fällen kutschieren lassen. Keine Ahnung, wie lange die ganze Chose insgesamt dauern würde und außerdem... die Busfahrerei mit ganzen Heerscharen von Touristen taugt uns sowieso nicht, also halten wir uns nicht groß auf und fahren wir weiter.

Blick auf den Hafen mit Moole von Starigrad

Halb fünf Uhr treffen wir in Starigrad beim Panklenica-Nationalpark des Velebitgebirges ein. Ruckzuck haben wir direkt am Wasser ein Zimmer in der Pansion Kiko* für eine Nacht gefunden. Das Angebot ist riesig und im Juni sind sie hier bei weitem nicht ausgelastet. Wir schauen uns im Infobüro der Fremdenverkehrs um. Der Nationalpark ist verlockend, vielleicht könnte man ja den Abend für ein wenig Bewegung nutzen? Die Schlucht zu durchwandern – das wär's! Nur das Ganze in Trekkingsandalen? Die Dinger sind zwar kilometertauglich und auf verschiedenen Untergründen brauchbar – aber in den Bergen? Na, da bräuchten wir dann schon unsere Wanderschuhe, die wir aus Volumengründen nicht dabei haben! Seufz!

Starigrad-Paklenica –> Velebit-Gebirge –> Nationalpark "Plitvicer Seen"

Panoramablick auf das blaue Meer vom Velebitgebirge aus

Nächster Morgen. Gestern abend machte uns ein anderer Motorradfahrer betreffs unserer Tourenplanung etwas schwankend, deshalb nehmen wir die Straßenkarte mit zum Frühstück. Ursprünglich wollten wir bis Karlobag und dann über den Pass Oštarijska vrata weiterfahren. Die Straße mit diesem Pass sähe ja ganz vielversprechend aus. Aber der Fahrer aus der Nachbarpension meint, dass es der schönste Abschnitt der Küstenstraße sei, den wir durch das frühe Abfahren links liegen ließen. Er hat recht, sehen wir später ein, die Küstenstraße nicht zu fahren wäre ein Kardinalfehler gewesen. Der Ausblick, die Buchten, das Meer – traumhaft! Verwundert sind wir, dass wir relativ wenig Verkehr haben. Wir kämpfen nicht mit LKWs und nur die Geschwindigkeitslimits bremsen uns aus.

Also biegen wir erst bei Jablanac hoch ins Velebitgebirge ab. Wir steigen schnell höher. Die Ausblicke auf die vor uns liegende Inseln sind atemberaubend! Der Pass Veliki Alan ist schmal, genau nach unserem Geschmack. Gegenverkehr haben wir keinen – so stört uns auch nicht, dass die Fahrbahn nur geradeso einspurig ist. Der Pass ist 1406 Meter hoch und an seiner Westseite gibt es eine verfallene Seilbahn zum Meer.

Holzhütte und Schranke am Eingang zum Nationalpark (Velebit-Gebirge)

Über 145 Kilometer erstreckt sich das längste Gebirge des Dinara-Systems in einem leichten Bogen von Nordwesten nach Südosten, zwischen dem Pass Vratnik und dem Tal des Flusses Zrmanja. Das Gebirgsmassiv ist durch Pässe gegliedert. Der nördliche Teil befindet sich zwischen den Pässen Vratnik und Veliki Alan (der Bestandteil unserer Tour war), der mittlere Teil befindet sich zwischen dem Pass Veliki Alan und dem Ort Baske Ostarije (den wir ursprünglich fahren wollten), der südliche Teil liegt zwischen Ostarije und Mali Alan und der südöstliche Teil zwischen dem Pass Mali Alan und dem Tal des oberen Flusslaufs der Zrmanja. Die Breite des Velebit-Gebirges variiert von dreißig Kilometern im nördlichen bis knapp zehn Kilometern Luftlinie im südlichen Teil des Velebits.

Wir erreichen eine Hütte. Wir hocken uns erst mal auf eine Bank und vergleichen unsere Straßenkarte mit der Wanderkarte, die an der Wand hängt! So richtig klar kommen wir nicht. Irgendwie scheinen es verschiedene Karten zu sein! Da fehlt mindestens eine Abzweigung.

Blick auf den unbefestigten Straßenbelag des Weges im Velebit-Gebirge

Wir fragen, ob wir was zu essen bekommen, aber die zwei Frauen in der Küche meinen, das Essen, dass man gerade kocht, wäre privat ... einen Liter Wasser bekommen wir aber. Wir waren im Nachhinein etwas unsicher, ob das jetzt irgendeine bewirtschaftete Hütte war. Ist es vielleicht nur eine Hütte, die sich jemand gemietet hat? Und dessen Mieter uns penetranten ausländischen Touristen einfach ein Wasser hinstellen, damit sie Ruhe geben? Auf der anderen Seite: Wieso befindet sich dann am Eingang zur Küche eine Zettel mit verschiedenen Gerichten und dessen Preisen, wenn es die Gerichte nicht zu kaufen gäbe?

An der Außenfassade der Hütte befindet sich noch ein Schild: Ticket Nationalpark. Ähemm, keine Ahnung ... müssen wir hier ein Ticket kaufen, um durch den Nationalpark fahren zu dürfen? Wir fragen nach. Und man antwortet uns: da wir nur durchfahren wollten, müssten wir nichts bezahlen. (Es gibt aber auch Tourberichte, wo die Motorradfahrer an anderer Stelle wirklich bezahlen mussten, um mal zwei Stunden im Nationalpark herumzufahren!

Schild mit klugen Sprüchen auf Holzbrettern

Neben der Hütte befindet sich an dunkelbrauner Holz-Pfahl an dessen rechter Seite ein 1 Meter langes Seil baumelt. Auf mehreren Holztafeln kann man in weißer Schrift lesen, dass es sich um einen "Metereologischen Strick" handelt, an dem man das Wetter ablesen kann:

Wenn er schwingt – ist es windig.
Wenn er trocken ist – ist es sonnig.
Wenn er gefroren ist – ist es kalt.
Wenn er nass ist – regnet es.
Ist er unklar zu sehen – das kommt vom Bier.

Irgendwann, als wir fahren, kommen drei Arbeiter mit einem Jeep die rumplige Schotterstraße hinunter und lassen sich auch am Tisch nieder. Wurde vielleicht für sie gekocht? Wir verziehen uns dann mal wieder. Um auf die Schotterstraße zurückzukommen – ab hier geht die schöne Asphaltstraße in Schotter über. Wir fragen nach, wie lange wir mit offroad rechnen müssen. Sie meinen: neun Kilometer. Danach käme wieder Asphalt. Auf unserer Karte ist die Straße gelb. Gelb und Schotter – irgendwie passt das nicht. Man erwartet keine "gelbe" Straße, die auch noch eine dreistellige Nummer hat, als Schotterpiste. Aber egal.

Nach neun Kilometern endet der Schotter wie vorhergesagt. Aber es kommen Abzweigungen, die auf unserer Karte nicht existieren. Oder Schilder mit Orten, die unsere Karte nicht kennt! Nicht lange und es geht wieder offroad weiter. Serpentinen führen durch dichten Mischwald, welche von Holzfahrzeugen zerpflügt und vom Regen aufgeweicht wurden. Die gesamte Strecke besteht aus wadentief umgegrabenen Waldwegen.

Durch Kriegsfolgen komnplett zerstörtes Steinhaus

Nach einer Ewigkeit und einem durchgeschwitzten Fahrer-Funktionsshirt (welches schon lange seine Funktion eingestellt hat) stehen wir wieder auf Asphalt und kurz danach an einer Abzweigung, an der wir vermeintlich nach rechts fahren müssen. Das tun wir – und fädeln in eine halbmeterbreite Rinne mit zwanzig Zentimeter Tiefe ein! Patsch! Wir tauchen mit 50 km/h hinein. Elke katapultiert es auf dem Soziussitz dermaßen nach oben, dass beim Wiedereintritt das untere Ende des Rückenprotektors auf dem Topcase aufsteht und sie nicht wieder bis auf die Sitzbank hinunter kommt. Aber außer unserem erhöhtem Blutdruck scheint nix passiert zu sein. Die GS hat's locker weggesteckt.

Irgendwann nach x Kilometern verlassen wir den Nationalpark. Im Nationalpark gibt es einige wenige Häuser, die sogar mit Ortsnamen versehen sind (drei Häuser = ein Dorf), außerhalb des Nationalparks nimmt die Häuserdichte sofort um mehrere hundert Prozent zu! Wir erreichen einen größeren Ort, wo wir wieder was hinter die Kiemen bekommen, denn seit wir von der Küste bei Jablanac ins Velebit-Gebirge aufgestiegen sind, haben wir keine Versorgungsmöglichkeiten entdecken können.

Nur noch reichlich sechzig Kilometer bis zu den Plitvicer Seen. Fehlt nur noch ein Zimmer. Wir fahren einmal an beiden Nationalpark-Eingängen vorbei. Wir schauen in unser kleines Müllerchen*, aus dem wir schon oft wunderbare Unterkunftstipps entnahmen. Die Hotels direkt am Park sind so teuer, dass wir abwinken. Ein Stück weiter in dem Dorf Jezerce bekommen wir bei Familie Samardzic* ein Zimmer. Wir vereinbaren Frühstück sowie Abendessen und sind sehr zufrieden mit unserer Wahl. Abends sitzen wir bei Wein und Slivowitz. Was für ein Leben!

Plitvicer Seen
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