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Motorradtouren Slowenien Anreise Osttirol

Anreise mit Zwischenziel Osttirol

Serpentinenstrasse mit Wohnmobil und Motorrad, Tauerntunnel

Ich muss schon sagen, die Inkubationszeit für diese Motorradtour nach Slowenien war immens lang. Länger als bei anderen Regionen oder Ländern, die wir bereisten. Wir sind schon einige Male hindurchgefahren. Immer mit dem Satz: wir müssten mal länger... Doch zog es uns dann immer wieder in fernere Gefilde. Liegt das daran, dass man bei recht nahen Zielen schnell dazu neigt, zu sagen: „Da fahren wir andermal hin, ist ja nicht weit weg“? Sicher war es uns auch ein wenig zu klein, denn gelegentlich wird man etwas großspurig: „Da sind wir doch in zwei Wochen ruck zuck durch und dann, was machen wir in der dritten?“.

Slowenien wirft sich Motorradfahrern, die Länder im Süden ansteuern, gern liebevoll, anbiedernd, aber auch fordernd in den Weg. Eine Tour nach Montenegro? Klar, die Anfahrt geht durch Slowenien. Oder nach Kroatien? Auch durch Slowenien. Das Soča-Tal durchstreifen wir bei der Kroatientour mit großen Augen und zunehmender Begeisterung, aber eben auf der Durchfahrt, nicht als eigentliches Ziel. Ich sehe bei der Vorbereitung der Kroatientour noch die Straßenkarte vor uns liegen. Eng beklebt mit beschrifteten, gelben Markern. Da müss' mer hin. Und dahin und dahin... Irgendwann, beim Anblick der zugekleisterten Karte, wird uns klar: so wird das nix. Slowenien, dich packen wir in eine eigene Tour mit entsprechende Länge. Versprochen! Also wurde für Slowenien irgendwann eine eigene Tour gestrickt. Es hat halt ein Weilchen gedauert.

Blick weit hinunter ins Soča-Tal. Eine wunderschöne Berglandschaft.

Jetzt also: Slowenien – wir kommen! Das Land ist nur halb so groß wie die Schweiz. Es heißt, wenn man sich in den Mittelpunkt Sloweniens stelle und losfahre, so würde man nach zwei Stunden jeweils eine Grenze übertreten und eine andere europäische Sprache sprechen müssen. Italienisch, kroatisch, ungarisch und österreichisches Deutsch. Soweit wird es jedoch nicht kommen: es liegen viel zu viele sehenswerte Ziele am Wegesrand, als dass man zwei Stunden am Stück fahren könnte.

Auch wenn Slowenien im Ranking der Alpenländer eher im Mittelfeld rangiert, so ist es um so spannender, dessen verborgene Reize zu entdecken. Motorradtaugliche Strecken sind im Südosten der Alpen fast im Überfluss zu finden. Das Ganze wird von dem Umstand gekrönt, dass kaum eine der wunderschönen Motorradrouten überfüllt ist, wie es an manchen Wochenenden in Südtirol und den Dolomiten zu sehen ist. Es ist zwar nicht Bedingung, jedoch durchaus von Vorteil, wenn man der Fortbewegung zu Fuß nicht ganz abgeneigt ist. In den Bergen des Triglavs gibt es einige Ziele zu bestaunen, die mit dem motorisierten Zweirad unerreichbar sind. Nein, und da nützt auch kein leichtes Enduro-Mopped.

Karten und Bücher „inhalieren“
Eine Straßenkarte von Slowenien ist mit Dutzenden beschrifteten Markern beklebt, die Sehenswertes kennzeichnen.

Landkarte aus dem world mapping project
Reise Know-How Verlag | Peter Rump GmbH

Und schon pflastern wir wieder – wobei ich das Pflastern der beschrifteten Marker auf der Slowenien-Straßenkarte meine. Die grobe Tourplanung läuft bei uns noch immer ganz „old school“. Ein „kleines Müllerchen“ wird bestellt: ein Reiseführer aus dem Michael-Müller-Verlag, ohne den wir in der Regel nicht losfahren. Er hält einfach immer, was er seit Jahrzehnten verspricht, nämlich ein Travelguide speziell für den Individualreisenden zu sein.

Die Anreise ist aus dem Süden Deutschlands ja schon fast ein Katzensprung. Wir sind da echt privilegiert!

Während der Planung schwanken wir lange, wie wir hinunterfahren sollen. Drei Varianten stehen zur Debatte, wobei die dritte gleich wieder aus dem Rennen ist: die Autoverladung Böckstein-Mallnitz, bei der das Motorrad in Österreich für eine kurze Fahrt auf einen Autozug geladen und damit das Tauerngebirge unterquert wird. Ist zwar mal ganz nett, wäre für uns jedoch ein Umweg. Bleiben zwei Varianten: die Felbertauernstraße, die von Mittersill nach Matrei in Osttirol führt und auf dem Scheitel einen mautpflichtigen Tunnel zur Passage des Tauerngebirges eingebaut hat oder die Strecke über die Hochalpenstraße des Großglockner, die die genialsten Ausblicke und das beste Panorama verspricht. Wettertechnisch wäre die Großglocknerroute vermutlich ein Reinfall gewesen, weswegen wir die Felbertauernroute wählen und uns den Großglockner für die Rückfahrt aufsparen. Eine super Entscheidung, wie wir noch sehen sollten.

Diagnose gesichert
Frau mit Motorrad auf Holzbank mit Blick ins Tal

Also geht’s an einem Donnerstag morgen, der gleichzeitig ein Feiertag ist, auf die Piste. Diagnose: Bettflüchtiges Reisefieber. Ganz, ganz früh, die Sonne ist kaum aufgegangen, starten wir den Motor der BMW, gepackt hatten wir schon am Vorabend, und rollen in Richtung Süden. Auf dem Weg nach Slowenien liegt Osttirol. Wir passieren die Landesgrenze an einem winzigen Grenzübergang, erkennbar an den typischen, aber unbesetzten Grenzgebäuden. Kein Stau, keine Kontrollen, gar nichts. Herrlich. Wir rollen einfach hinüber. Als wir das Örtchen Kufstein durchfahren, wabern einige kaum greifbare, melodische Fragmente durchs Hirn, können aber nicht zu einem vollständigen Lied zusammengesetzt werden. Kufsteinlied, wie ging das noch einmal bitte? Ist es eine arg schlimme Bildungslücke, wenn es nicht zu meinen bzw. unseren Hörgewohnheiten gehört?

Da uns die Unruhe heute morgen schon so zeitig aus dem Bett katapultiert hatte, sind wir früh in Matrei. Dort überrascht uns der kräftige Regenschauer, der laut Wetterapp erst für den Spätnachmittag eingeplant war! Wir okkupieren ein Zimmerchen in einer Unterkunft auf dem Bauernhof, dem Casa da Honna*. Eigentlich rechneten wir neben einem späteren Eintreffen auch mit fürchterlichem Verkehrschaos, endlosen Motorradkolonnen Richtung Berge, Sperrungen durch Prozessionen, am Fronleichnamsdonnerstag vor dem langen Wochenende. Diese Befürchtung bestätigt sich glücklicherweise nicht. Nach einer längeren Cappuccino-Pause während des nachlassenden Regens erkunden wir ein einspuriges Sträßchen bis weit hinauf über das Matreier Becken. Eine Bank wirft sich uns oben quasi in den Weg. Welch ein genialer Blick präsentiert sich uns, hinunter in das Becken! Hinter uns aufsteigend das Tauerngebirge mit dem mautpflichtigen Felbertauerntunnel, durch den wir kamen.

Heute mahlt der Müller nicht
Alte Gerätschaften vor Hauswand an der Islitzer Mühle in Hinterbichl.

Bald setzen wir unsere Tour fort und biegen in eine längere Sackgasse ein: das fünfzehn Kilometer lange Virgental. Es liegt im Gebiet der Venedigergruppe und endet auf einem Parkplatz. Auf dem könnten wir das Motorrad abstellen, um anschließend zum Umbalwasserfall zu laufen, der sich mächtig breit im Talschluss in die Tiefe ergießt. Nach einem halbstündigen Fußmarsch zum Katarakt steht uns jedoch überhaupt nicht der Sinn. Nicht in Motorradklamotten. Ein Blick ganz aus der Ferne und die Aussicht, dass wir in Slowenien noch mehr als genug Wasserfälle zu Gesicht bekommen, muss heute reichen.

Motorradfahrer vor Islitzer Mühle in Hinterbichl im Virgental. Der Bach führt viel Wasser, aber das Mühlrad steht.

Ein bisschen mehr Wasser bekommen wir dann doch noch zu sehen. Die tosenden Wassermassen an der Islitzer Mühle in Hinterbichl stürzen sich direkt neben der Straße in ein Wasserrad, das aktuell jedoch stillsteht. Weil nämlich heute der Müller nicht arbeitet. Von Juli bis September mahlt der „Mehlmeister“ in der liebevoll restaurierten Mühle zweimal wöchentlich Mehl. Bei dieser Tätigkeit lässt er sich dann kostenlos über die Schulter schauen – klasse Sache! Aber heute ist der falsche Tag und unsere Transportkapazitäten für Biomehl sind eh sehr beschränkt. Zudem möchte ich mir nicht vorstellen, wie es ausschaut, wenn die Tüte im Topcase reißt.

Der Gailbergsattel macht einen Mords-Spaß. Die anschließende Strecke durch das Gailtal ist jedoch weniger erwähnenswert. Die Gailtalerin, hollaredilijöh, ward auch nicht gesehen. Schade! Wer sich jetzt über dieses Geschreibsel wundert: Die Gailtalerin ist vor allem den Fans des Rusticals „Der Watzmann ruft“ gut bekannt, denn sie spielt darin eine tragende Rolle.

Anreise Predilpass | Fort Kluze
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